Ohne Lösungen ist wenig los

Kostenanstieg nach der Einführung

Bei näherer Betrachtung zeigt sich jedoch, daß die Kombination aus einem universellen Protokoll und einem Browser zwar eine Kommunikationsinfrastruktur, aber noch keine Lösung bildet, die in einem Unternehmen produktiv eingesetzt werden kann. Die Intranet-Standards beschreiben lediglich eine Infrastruktur, in der sich Daten bewegen, die am Ende der Browser darstellt. Dies ist zweifellos ein gewaltiger Schritt nach vorne, aber in der ersten Intranet-Begeisterung übersah mancher, daß die Daten in diesem Intranet nicht nur verteilt und angeschaut werden, sondern erst einmal hineinkommen (im Internet kann man sich dabei auf andere verlassen), verwaltet und gepflegt werden müssen. Diverse Untersuchungen zum Intranet stimmen zumindest darin überein, daß etwa 80 Prozent der Gesamtkosten nach der Einführung anfallen: für die Pflege der Web-Seiten, die nur dann nützlich sind, wenn sie ständig auf aktuellem Stand bleiben.

Nicht nur für die Aktualität seines Web-Angebots muß das Unternehmen im Intranet sorgen. So lassen sich zum Beispiel Routenvorschläge für Außendienstmitarbeiter oder Lastwagen mit einem Intranet zwar gut verteilen, ohne eine entsprechende Applikation ist ein produktiver Einsatz aber kaum vorstellbar. Stünde für Eingabe, Änderung, Auswahl oder Abfrage nicht mehr als der nackte Browser zur Verfügung, so hätte die DV des betreffenden Unternehmens gegenüber den Zeiten klassischer Client-Server-Lösungen einen Rückschritt gemacht. Anwendungsbezogene, benutzerfreundliche Masken, direkte Abfragen oder die anwenderorientierte Vorauswahl setzen weiterhin programmierte Applikationen voraus - auch wenn in den unteren Kommunikationsschichten TCP/IP arbeitet. Dies gilt speziell dann, wenn komplexe Ablaufstrukturen eingebaut werden müssen.

An den Grenzen des Standards

Auf einfache Fragen, wie beispielsweise

"wer darf/muß welches Dokument sehen" oder "wann werden alte Informationen von wem wieder entfernt",

wissen die teilweise kostenlos verteilten Browser allein keine Antworten. Die Verwaltung von einigen tausend Web-Seiten setzt entsprechende Tools voraus sowie interne Web-Datenbanken, die die "leere Schachtel" Intranet-Struktur mit Inhalt füllen.

Dabei ist allerdings auch klar, daß jede Intranet-Lösung, die über die reine Kommunikation und das Verteilen von Dokumenten hinausgeht, die Anwendung von Internet-Standards überfordert. So gibt es beispielsweise keine Internet-Standards für die Replikation, die für die Integration mobiler Offline-Einheiten besonders wichtig ist. Vor diesem Problem, von den Standards der Internet-Technik zu anwendungsfertigen Lösungen zu gelangen, stehen alle Hersteller, und alle setzen dabei auf die gleichen Komponenten: HTML, SMTP, POP3, LDAP, Secure Socket Layer und proprietäre Erweiterungen.

Hin zu diesem Punkt konvergieren Intranet und die Groupware-Lösungen, zum Beispiel auch Lotus Notes, das die mit Abstand größte Verbreitung in den Unternehmen aufweist. Mittlerweile hat sich überall die Erkenntnis durchgesetzt, daß ein Intranet funktioniert. Im Grunde verschenken die Anwender den größten Teil der Funktionen, wenn sie das IP-Netz nur für den Austausch von EMails nutzen. Jenseits vom bloßen Nachrichtenaustausch jedoch beginnt die Welt der Groupware-Lösungen, für deren Funktionieren es zunächst unerheblich ist, auf welcher Infrastruktur sie aufbauen. (hjs)