Neuronale Netze für die Geisteswissenschaften
Wann wurde ein undatierter Text verfasst? Wer ist Autor eines anonym publizierten Werks? Welche Entwicklungen durchläuft das Denken eines Autors? Die Klärung solcher Fragen gehört zum klassischen Aufgabenfeld eines Philologen und Editors; sie verlangt in besonderer Weise nach dem Verfahren der Interpretation und nach der hermeneutischen Tugend des semantischen Urteilsvermögens.
Neu entwickelte Computermodelle für neuronale Netze eignen sich für solche Forschungen als flexibles Werkzeug, dessen Möglichkeiten weit über die Suche nach Zeichenketten oder die Abfrage von Datenbanken hinausgehen. Assoziative neuronale Netze analysieren Datenbestände nicht auf der Grundlage von Worthäufigkeiten oder der Ähnlichkeit von Zeichenketten, sondern entwickeln selbst semantische Kategorien. Damit können, ohne externe Vorgaben, assoziative Beziehungen zwischen Texten und Begriffen hergestellt und so nachweisbar fundierte Interpretationshypothesen aufgestellt werden.