Avogadro-Projekt

Neues Urkilogramm kommt bald

Wissenschaftler sind auf dem besten Wege, das Kilogramm neu zu definieren. Eine Kugel aus reinem Silizium könnte das 1889 hergestellte Urkilogramm bald ersetzen.

Das aus einer Platin-Legierung hergestellte, heute in einem Tresor nahe Paris lagernde Urkilogramm verliert aus unerklärlichen Gründen messbar an Gewicht. Daher soll ein neues Urkilogramm aus einer Kugel aus reinem Silizium geschaffen werden. Die Kilokugel, auch bekannt unter dem Namen "Avogadro-Kugel", soll 2011 auf der nächsten Generalkonferenz für Maß und Gewicht in Paris für eine neue Definition des Kilogramms verabschiedet werden. Die Gesamtleitung des „Avogadro-Projekts“ hat die Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig (PTB).

Die Avogadro-Kugel aus dem Silizium-Isotop 28 könnte zur Neudefinition des Urkilogramms herangezogen werden. (Bildquelle: PTB)
Die Avogadro-Kugel aus dem Silizium-Isotop 28 könnte zur Neudefinition des Urkilogramms herangezogen werden. (Bildquelle: PTB)
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Die Kugel hat einen Durchmesser von 9,36 cm und ist so lupenrein und glatt wie keine vor ihr. Sie besteht zu 99,99 Prozent aus Silizium 28 und ihre Kristallstruktur ist nahezu perfekt. Zudem ist sie quasi vollkommen rund. Misst man an verschiedenen Stellen ihren Radius, ist die Abweichung nirgendwo größer als 30 Nanometer (30 Millionstel Millimeter). Wäre die Erde so glatt wie diese Kugel, ragte der Mount Everest nur 1,82 m in die Höhe.

Um die perfekte Kilokugel zu schaffen, werden in einem Messgerät mit Hilfe von Röntgenlicht die Atome der Kugel gezählt. Da die genaue Anzahl von Siliziumatomen in einem Kilogramm bekannt ist, können die Forscher anhand der Atomzählung ein neues Urkilogramm bestimmen.

Dafür ist es notwendig, dass die Kugel innerhalb der verwendeten Messgeräte genau ausgerichtet ist. Als Justagehilfe muss die Kristallorientierung der Kugel auf der Oberfläche sichtbar gemacht werden. Um sie ohne messbaren Gewichtsverlust zu markieren, wird sie mit einem Laser strukturiert. Diese Aufgabe übernimmt das Laser Zentrum Hannover zusammen mit der Firma Micreon. Die Laserstrukturierung erzeugt Streuzentren an der Oberfläche, die selbst bei geringsten mittleren Abtragstiefen von wenigen 10 nm mit bloßem Auge gut sichtbar sind.

Welche Konsequenzen die Einführung einer hochgenauen Masseneinheit hat, ist schwer vorherzusagen. Dass sie aber weit reichende Konsequenzen haben könnte, zeigt die Neudefinition der Sekunde Ende der Sechziger Jahre. Niemand konnte sich damals vorstellen, wozu in der realen Welt jemals eine Zeiteinheit benötigt wird, die auf wenige Milliardstel Bruchteile genau bestimmt werden kann. Heutzutage wäre das GPS ohne diese Definition undenkbar. Ein ähnlich revolutionärer Innovationsschub könnte auch der Neudefinition des Kilogramms folgen. (dsc)