WIPO fordert Schutz vor Cybersquatting-Risiko

Neue Top-Level-Domain-Endungen in der Kritik

Die von der Internetverwaltung ICANN beabsichtigte Einführung neuer Top-Level-Domain-Endungen (TLD) ist nicht ohne Gefahren. Eines der grundlegenden Risiken sind illegitime Domainregistrierungen wie etwa zu geschützten Marken, auch Cybersquatting genannt.

"Das ist im Moment der größte Kritikpunkt an den neuen TLDs", bestätigt Nic.at-Geschäftsführer Richard Wein im Gespräch mit pressetext. Vor dem Hintergrund, dass Beschwerden bei bisherigen TLDs auch 2008 weiter angestiegen sind, wünscht sich die WIPO geeignete Ansätze zum Schutz der Rechteinhaber sowie vor unseriösen Registraren.

"Es besteht definitiv Handlungsbedarf. Allerdings ist die Frage, ob wirklich effiziente Regelungen in der Praxis möglich sind", meint Wein. Er erwarte noch massive Beschwerden von Markeninhabern, denen enorme Kosten drohen könnten. "Der Verkauf und die breite Expansion neuer TLDs auf dem freien Markt wird ohne richtiges Management reichlich Chancen für Cybersquatter schaffen, sozusagen alten Grund in neuen Domänen zu besetzen", warnt auch Gurry. Rechteinhaber ebenso wie Konsumenten würden ein geeignetes System erwarten, das bei Problemen mit neuen TLD-Registraren greift, die Cybersquatting dulden oder gar selbst unseriöse Registrierungspraktiken betreiben. Die WIPO habe mit der ICANN zusammengearbeitet, um geeignete Ansätze für die Zeit sowohl vor als auch nach der Vergabe neuer TLDs an Registrare zu entwickeln. "Ohne solche Vorsichtsmaßnahmen besteht auch das Risiko, dass Interessensgruppen im Bereich des Domain Name Systems in langwierige Gerichtsverfahren verwickelt werden", sagt der WIPO-Chef.

Anlass der Warnung ist die Veröffentlichung der Statistik von Domainstreitigkeiten, die 2008 vor dem WIPO Arbitration and Mediation Center gelandet sind. Mit 2.329 Beschwerden nach der Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (UDRP) wurde der Rekord aus dem vorangegangenen Jahr erneut gebrochen. Die UDRP kommt unter anderem bei .com-Domains zur Anwendung, um die es in rund vier von fünf Fällen geht. Auf insgesamt 56 länderspezifische TLDs verfielen 2008 schon 13 Prozent der Verfahren, was fast eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Die Fälle, die bei der WIPO landen, sind dabei nur die Spitze eines Domainstreit-Eisbergs. "In vielen Ländern wie Österreich und Deutschland sind nationale Gerichte zuständig", erklärt Wein. Dabei seien allein in Österreich stets etwa 100 anhängige Verfahren bekannt. Hinzu kommt die Dunkelziffer jener Fälle, die zumindest noch nicht bei offiziellen Stellen gemeldet wurden. "Die UDRP-Beschwerden machen nur einen Bruchteil der eigentlichen Fälle aus. Wir haben allein im vierten Quartal letzten Jahres über 440.000 Fälle von Cybersquatting für die Top-30-Marken festgestellt", bestätigt Dieter Wichmann, Sales Manager Central Europe beim Online-Markenschutzspezialisten MarkMonitor.

Die Einführung neuer TLDs birgt aber noch ganz andere Risiken. Seitens des Vatikan hat etwa der Vertreter des Heiligen Stuhls im ICANN-Regierungsbeirat, Carlo Maria Polvani, im Februar ICANN-Chef Paul Twomey vor Domainendungen mit religiösem Bezug - etwa .catholic, .hindu oder .muslim - gewarnt, die zu Streit zwischen unterschiedlichen Traditionen führen könnten. Twomey verwies damals auf ein grundsätzliches Einspruchsrecht betroffener Gemeinschaften. "Die ICANN hat sich vorbehalten, TLD-Anträge abzulehnen, wenn sie moralische Grundsätze verletzen", sagt wiederum Wein. Es sei denkbar, dass der entsprechende "Gummiparagraph" bei religiösen Risikoendungen zur Anwendung kommt - allerdings bestünden diesbezüglich noch große Unklarheiten. (pte/hal)