Kanban erobert die IT-Branche

Nach Scrum kommt nun Kanban

Pull-Prinzip statt Zuschütten

Anfang Mai 2011 wollte es Kaak mit Kanban "einfach mal versuchen". Schließlich waren dazu keine Upfront-Investitionen nötig - abgesehen von einem Board, wie es in den meisten Büros herumhängt, ein paar Karteikärtchen und Buntstiften. Zunächst ließ der CIO seine Mitarbeiter die To-do-Listen gründlich inspizieren: Jede Aufgabe, hinter der sich nach zwei Monaten immer noch kein Haken befand, war offenbar nicht wichtig für das Unternehmen. Sie wurde deshalb gestrichen.

Zum Kanban-Prinzip gehört auch, dass sich die Mitarbeiter die Aufgaben eigenständig und sukzessive auf den Schreibtisch holen (Pull-Prinzip), statt dass sie mit Arbeit zugeschüttet werden (siehe "Software-Kanban"). Insgesamt dürfen nicht mehr Aufgaben auf der To-do-Liste stehen, als das Team auch gleichzeitig bewältigen kann. Nur so wird die Arbeit gleichmäßig "fließen" und keine Engpässe bilden.

Zudem müssen die einzelnen Aufgaben in überschaubare Portionen unterteilt werden: "Keine Arbeit sollte mehr als zwei Wochen in Anspruch nehmen", sagt Kaak. Eine Frist, die in anderen Unternehmen, die Kanban praktizieren, bereits als zu lang erachtet wird. Aber Kanban ist ja ein Prinzip, das jedes Team für sich anpassen kann. Außerdem gelten für Helpdesk-Anfragen beispielsweise andere Beschränkungen als für Software-Changes.

Wie in den 70er Jahren bei Toyota, so installierte Kaak bei Blizzard eine Tafel (Whiteboard) mit horizontalen "Swimlanes", auf denen sich die einzelnen Aufgaben bewegen. Senkrecht dazu erstrecken sich die Phasen im Arbeitsablauf - angefangen von "to do" über diverse Stadien des "Work in Progress" (WiP) bis "done".

IT-Mitarbeiter bekommen den Rücken frei

Die Aufgaben werden auf dem Board durch Kärtchen symbolisiert (Das japanische Wort Kanban bedeutet auf Deutsch etwa: "Signalkarte"). Diese wandern im Verlauf der Bearbeitung von links nach rechts - jeweils mit dem Namen des zuständigen Mitarbeiters oder seinem "Avatar" gekennzeichnet. So lassen sich Arbeitsfortschritte und eventuelle Engpässe auf einen Blick erfassen - von Teammitgliedern wie Auftraggebern. Gibt es strittige Themen, beispielsweise konkurrierende Aufgaben, können die Beteiligten sie direkt an der Tafel - mit Kaak als Moderator - klären. So hält der CIO seinen in Entwicklung oder Operations tätigen Mitarbeitern den Rücken frei.

Kaaks Team nutzt Kanban sowohl für Helpdesk-Aufgaben als auch für Projekte, hat dabei aber unterschiedliche "Kanäle" definiert. Helpdesk-Aufgaben sind durch grüne Kärtchen dargestellt; hiervon kann jeder Operations-Mitarbeiter pro Arbeitstag bis zu sieben übernehmen. Wenn Platz auf dem Board ist, dürfen die internen Kunden ihre Requests auch direkt in die Schlange einreihen. Das erspart es den IT-Mitarbeitern, Kärtchen zu beschriften. Abgearbeitet werden die Tasks nach dem "Fifo"-Prinzip (First in, first out) - ohne Ansehen der Person. Nur Störungen, die sich direkt auf die Ski-Produktion auswirken, bekommen einen roten Punkt und werden in einer "Fast Lane" an den anderen Tickets vorbeigeführt.

Der Projekt-Kanal (gelbe Kärtchen) untergliedert sich noch einmal in zwei Kategorien: Entwicklung und Test. Hier sind jeweils zwei Aufgaben gleichzeitig bewältigbar. Häufig erweist sich, so Kaak, dass die Projektaufgabe beim Übergang von der Entwicklung in den Test stecken bleibt: Der Test erfordere nun einmal ein Feedback von Anwendern außerhalb der IT. Wenn das ausbleibe, stocke der "Flow".

Als Flaschenhals haben sich auch Aufträge an externe Dienstleister herausgestellt. Diese Kärtchen werden mit einem "E" gekennzeichnet und bekommen einen speziellen "Parkplatz" auf dem Board. Damit stehen sie unter besonderer Beobachtung.

Ein zweites Board wurde im IT-Raum des Unternehmens installiert. Hier sind die Tickets der vergangenen Monate nach Durchlaufzeiten geordnet - ein weiteres Mittel, um Transparenz in den Arbeitsfluss zu bringen. Tickets, die länger als fünf Tage benötigt haben, um von links nach rechts zu gelangen, gelten als "kritisch". Die Gründe werden analysiert und eventuell Gegenmaßnahmen eingeleitet.