Abkehr von Linux?

Münchner Microsoft-Widerstand bröckelt

Vor zehn Jahren brachte die Stadt München den Softwareriesen Microsoft in Wallung: Unter weltweiter Beachtung beschloss der Stadtrat die Umstellung der Rathaus-Computer auf das freie Betriebssystem Linux. Nun könnte es zur Rolle rückwärts kommen.

Entscheidungen der Münchner Stadtverwaltung schlagen selten Wellen bis in die USA. Vor zehn Jahren war dies aber der Fall: Als der Münchner Stadtrat beschloss, den Software-Giganten Microsoft abblitzen zu lassen und die Rathaus-Software auf das freie Betriebssystem Linux umzustellen, sorgte dies auch zwischen New York und Seattle für Gesprächsstoff: Denn München war immerhin die erste Großstadt der Welt, die gegen Microsoft rebellierte und mit viel Aufwand mehr als 10.000 städtische Computer umrüstete. Aber jetzt bröckelt der Widerstand: Die Stadt lässt prüfen, ob sie zu Microsoft zurückkehrt.

Das LiMux-Projekt stand in den vergangenen Wochen mehrfach in der Kritik
Das LiMux-Projekt stand in den vergangenen Wochen mehrfach in der Kritik
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"Wenn die Experten eine Rückkehr zu Microsoft empfehlen, dann ist das für mich nicht ausgeschlossen", sagte der Zweite Bürgermeister Josef Schmid (CSU) vor wenigen Wochen der "Süddeutschen Zeitung". In den vergangenen Jahren habe es immer wieder Beschwerden von unzufriedenen Nutzern gegeben. "Egal in welches Referat ich komme, überall kriege ich bestätigt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darunter leiden. Das müssen wir ändern." Seitdem ist es still geworden um das Thema - und Schmid will sich auf Anfrage nicht mehr dazu äußern. Robert Kotulek, IT-Chef der Landeshauptstadt, sagte gegenüber "heise online", die öffentlich gewordene Kritik habe "ursächlich nichts mit der Frage LiMux oder Microsoft zu tun". Aber die Prüfung läuft - und nicht nur Microsoft wartet mit Spannung auf das Ergebnis.

Auch viele andere Stadtverwaltungen und andere öffentliche Einrichtungen verfolgen die Münchner Linux-Revolution seit Jahren mit Interesse: Geht es wirklich ohne Microsoft? Einige kleinere Städte haben es zumindest teilweise versucht. In Schwäbisch Hall fällt die Bilanz positiv aus. "Insgesamt sind die Verantwortlichen der Stadt Schwäbisch Hall der Überzeugung, dass offene Systeme deutliche Vorteile haben", heißt es auf der städtischen Internetseite unter dem berühmten Linux-Pinguin. "Die Stadtverwaltung wird auch weiterhin auf Open Source setzen." Open Source heißt Quellenoffenheit und bedeutet, dass Computerprogramme frei verändert werden können.

Nicht nur mögliche Kosteneinsparungen lassen IT-Fachleute mit der freien Software liebäugeln: Vielen ist auch die Dominanz von Microsoft bei PC-Betriebssystem und Büroprogrammen ein Dorn im Auge. Die erhoffte Verbesserung durch die Abkehr von dem Softwaregiganten gelang aber nicht immer. "Die Liste derjenigen, die zu Microsoft zurückgekehrt sind, ist länger als die der Umsteiger", sagt Firmensprecher Thomas Mickeleit.

Das rebellische Rathaus in Bayern ist dem US-Konzern lange genug ein Stachel im Fleisch. Der frühere Microsoft-Chef Steve Ballmer hatte kurz vor der Entscheidung 2003 extra seinen Urlaub in der Schweiz unterbrochen, um die Münchner noch umzustimmen: Aber auch mit einem kräftigen Rabatt im Gepäck blieb er ohne Erfolg.

Inzwischen haben sich Microsoft und München aber zumindest auf anderer Ebene ein großes Stück weit angenähert: Seine neue Deutschland-Zentrale errichtet Microsoft nicht am bisherigen Sitz in Unterschleißheim, sondern in München - und verschafft der Stadt damit ein weiteres Ausgehängeschild als Wirtschaftsmetropole. Am heutigen Dienstag ist die feierliche Grundsteinlegung für das neue Gebäude, in dem 1900 Mitarbeiter hochmoderne Arbeitsplätze haben sollen. Einen Zusammenhang des Firmenumzugs mit der möglichen Kehrtwende im Rathaus, so wird versichert, gebe es aber nicht. (dpa/wh)