MS-Prozess: Gericht lässt AOL-Statement zu

Das Berufungsgericht im Kartellprozess hat gegen den Willen von Microsoft schriftliche Stellungnahmen aus der IT-Branche in der Verhandlung zugelassen. Als so genannte amici curiae (Freunde des Gerichts) dürfen insgesamt neun Organisationen und Firmen, darunter AOL, ihre Sicht der Dinge darlegen.

In einem Amicus-Brief dürfen Personen und Organisationen vor US-Gerichten schriftlich ihre Sicht der Dinge schildern, ohne selbst am Prozess beteiligt zu sein. Microsoft sah im Ansinnen von AOL und anderen, sich als amici curiae in den Fall einzumischen, eine unnötige Komplizierung des Falles. Die Argumente Microsofts gegen die jeweiligen amici waren teils schroff: Netscape-Eigner AOL sei bereits gehört worden, die anderen amici, meist Verbände, seien in irgendeiner Weise mit der Konkurrenz verbandelt oder erklärte Gegner von Microsoft und damit kaum für erhellende Statements geeignet. Der einzigen Privatperson im Zirkel der Freunde, Lee A. Hollaar, warf Microsoft vor, sich widerrechtlich mit angeblichem Insiderwissen über den Source Code von Windows zu brüsten. Hollar habe als Zeuge in einem früheren Monopolprozess (Caldera gegen Microsoft) Einsicht in den Source Code bekommen, mit der Auflage des zuständigen Gerichts, sein Wissen ausschließlich für diese Fälle zu nutzen.

Das Berufungsgericht hat nun entschieden, alle amici zuzulassen. Allerdings sind die meisten Stellungnahmen (25 Seiten) kombiniert. AOL beispielsweise muss zusammen mit den Handelsorganisationen CCIA, ProComp und SIIA einen amicus-Brief verfassen. Nur Lee A. Hollaar darf einen eigenen Brief schreiben.

Im bisherigen Verlauf des Berufungsverfahrens ist die Genehmigung der amici-Briefe der einzige Dämpfer für Microsoft. Seit dem negativen Urteil von Richter Jackson lief es für den Softwarekonzern zumindest aus strategischer Sicht gut: Der Oberste Gerichtshof (Supreme Court) hat die Berufung zurückgewiesen und bleibt damit als weitere Instanz erhalten. Das Berufungsgericht selbst hat sich, was den Zeitplan und den Umfang der Akten für den Fall betrifft, überwiegend den Vorschlägen Microsofts angeschlossen, was dem Softwarekonzern mehr Zeit einbringt. Das Gericht verzichtet außerdem auf eine technische Einführung durch einen Experten, dessen Reputation Microsoft wegen seiner Unix-Nähe anzweifelte. Und nicht zuletzt hat der Chefankläger der US-Regierung, Joel Klein, überraschend sein Amt niedergelegt. (uba)