Boot to Gecko

Mozilla entwickelt mobiles Betriebssystem

Das vor allem durch den Browser Firefox und das Email-Programm Thunderbird bekannte Open-Source-Projekt Mozilla will jetzt auch ein mobiles Betriebssystem entwickeln. Bei "Boot to Gecko" (B2G) handelt sich zunächst um ein experimentelles Projekt.

Ziel ist ein Betriebssystem, das auf standardisierte Web-Techniken setzt. Zunächst wird eine Softwareumgebung für Handheld-Geräte wie Smartphones anvisiert. Dieser Markt ist gegenwärtig stark fragmentiert, wobei die einzelnen Plattformen als Silos kaum interoperabel sind. Mozilla will nun einem Bericht von "Ars Technica" zufolge mit B2G beweisen, dass das Open Web mit seinen Standards durchaus das Potenzial zu einer brauchbaren Alternative zu den herstellerspezifischen Anwendungsentwicklungs-Stacks hat, die die dominierenden mobilen Betriebssysteme derzeit anbieten.

Allerdings befindet sich Boot to Gecko noch im frühesten Planungssstadium. Konkrete Entscheidungen, wo die Entwicklung beginnen und welche Techniken sie nutzen soll, wurden noch nicht getroffen. Mozilla hat es trotzdem jetzt publik gemacht, um frühzeitig möglichst viele interessierte Contributors ins Boot zu holen. Der B2G-Quellcode soll bereits während der Entwicklungsphase laufend zugänglich sein - anders als beispielsweise bei Googles Android, wo nur in unregelmäßigen Abständen neue Versionen ins Open-Source-Repository gestellt werden.

Mozillas gegenwärtige Planung sieht vor, existierenden Code - allerdings "so wenig wie möglich" - aus den unteren Schichten von Android für die Hardware-Abstraktion herzunehmen und darauf ein komplett eigenes User Interface und einen eigenen Application Stack auf Basis der hauseigenen HTML-Rendering-Engine "Gecko" aufzusetzen. Schlussendlich sollen die für B2G geschriebenen Anwendungen auch genausogut in jedem Standard-kompatiblen Desktop-Browser laufen (was vermutlich XUL ausschließt).

Statt eines kompletten Betriebssystems könnte Mozilla natürlich auch einfach eine Standalone-Runtime für Web-Applikationen entwickeln (quasi eine offene Alternative zu Adobe AIR). Ohnehin ist die Entwicklung von Software mittels Web-Techniken in vieler Hinsicht weniger praktikabel als konventionelle UI-Toolkits - das liegt laut "Ars" unter anderem am dokumentenzentrischen Layout-Ansatz von HTML und dem Fehlen standardisierter Mechanismen, um programmatische Datenmodelle an Ansichten der Benutzerschnittstelle zu binden. Ob Mozilla diese Probleme mit eigenen Entwicklungen adressiert oder sie wie gehabt Third-Party JavaScript-Toolkits überlässt, ist noch unklar.

Neue Standards will Mozilla offenbar in Bereichen wie grundlegende Plattformintegration und Zugriff auf die Hardware etablieren. Es wünscht sich einheitliche und planbare Methoden, wie Web-Anwendungen beispielsweise auf die Kontaktverwaltungs- und Messaging-Fähigkeiten einer Plattform, aber auch Geolocation, Kamera und Wählfunktion zugreifen können. Wenn Web-Applikationen echten Durchgriff auf die unterliegende Plattformen erhalten, müssen natürlich auch Sicherheit und Rechteverwaltung entsprechend kontrolliert werden - und das dürfte sich alles andere als trivial gestalten.

Natürlich gibt es bereits eine ganze Reihe existierender Produkte und Open-Source-Projekte wie Titanium, PhoneGap, Webian, Chrome OS oder webOS, die diese Dinge bereits teilweise adressieren und damit Möglichkeiten zur Kooperation bieten. Den gleichen Umfang und Fokus wie B2G gibt es aber bis dato nirgendwo.

Die weitere Entwicklung von Boot to Gecko können Interessierte in einem Wiki und dem bei GitHub gehosteten Code-Repository verfolgen - dort liegt zumindest schon einmal eine README-Datei. (Computerwoche/cvi)