Betroffene sind in der Beweispflicht

Mobbing am Arbeitsplatz

Mobbing am Arbeitsplatz kostet die Opfer ihre Lebensfreude, ihre Gesundheit und nicht selten ihren Arbeitsplatz. Oft ist es nicht ganz einfach, die Attacken von Kollegen oder Vorgesetzen zu belegen. Trotzdem sind Mobbingopfer rechtlich nicht völlig schutzlos - wichtig ist jedoch, dass sie sich gegen ihre Peiniger aktiv wehren.

Über die Verbreitung von Mobbing am Arbeitsplatz gibt es kaum exakte Zahlen. Eine Studie der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin aus dem Jahr 2002 kam zu dem Ergebnis, dass seinerzeit mindestens eine Million Beschäftigte davon betroffen waren. Experten gehen davon aus, dass ihre Zahl seitdem gestiegen ist.

Ausgegrenzt von den Aktivitäten der Kollegen. Mobbing hat viele Gesichter.
Ausgegrenzt von den Aktivitäten der Kollegen. Mobbing hat viele Gesichter.
Foto: Sven Hoffmann, Fotolia.com


Ein Straftatbestand ist Mobbing am Arbeitsplatz anders als in Schweden, Frankreich oder Spanien in Deutschland bisher nicht. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers und gegebenenfalls sogar das Grundgesetz bieten jedoch einen rechtlichen Rahmen gegen Mobbing im Betrieb.

Was ist Mobbing am Arbeitsplatz?

Bei einem einmaligen Affront im Unternehmen liegt kein Mobbing vor - es geht dabei um wiederholte, systematische Schikanen. Diese können in Anfeindungen, Einschüchterungen, Erniedrigungen oder Beleidigungen bestehen und die Verursacher können Kollegen oder Vorgesetzte sein. Aus Sicht der Rechtsprechung beginnt Mobbing am Arbeitsplatz dort, wo menschliche Handlungen die Grenzen eines "sozial- und rechtsadäquaten Verhaltens" in arbeitsbezogenen Konflikten dauerhaft überschreiten und die Betroffenen dauerhaft unter einem feindlichen Umfeld leiden.

Fünf unterschiedliche Mobbing-Dimensionen

Heinz Leymann, einer der deutschsprachigen Pioniere der Mobbingforschung, beschreibt Mobbing am Arbeitsplatz in fünf verschiedenen Dimensionen.

Mobbing ist demnach ein Angriff auf

  • die Möglichkeit, sich zu äußern (ständiges Unterbrechen, Ausschluss von arbeitsbezogenen und informellen Kommunikationsprozessen).

  • die sozialen Beziehungen (Isolierung und Kontaktverweigerung).

  • das soziale Ansehen (Lächerlich machen vor anderen, Attacken auf persönliche Einstellungen und Werte, Beschimpfungen, demütigende Tätigkeiten).

  • die Qualität von Berufs- und Lebenssituation (Verweigerung inhaltlicher Beschäftigung, Zuweisung von Arbeitsaufgaben, die weit unter oder über der Qualifikation des Betroffenen liegen).

  • Gesundheit und körperliche Unversehrtheit (Zuweisung gesundheitsschädlicher Arbeiten, physische Gewalt).

Die meisten Forscher sind sich heute einig, dass Mobbing am Arbeitsplatz strukturelle Ursachen - beispielsweise schlechte Arbeitsorganisation, tiefgreifende organisatorische Veränderungen oder Führungsfehler - zugrunde liegen. Bei Mobbing am Arbeitsplatz durch Vorgesetzte, das sogenannte Bossing, ist nicht immer auszuschließen, dass das Unternehmen einen unliebsamen Mitarbeiter zu einer Eigenkündigung bewegen will.

Beweismittel Mobbing-Tagebuch

In der Beweispflicht für Mobbing am Arbeitsplatz sind aus rechtlicher Perspektive grundsätzlich die Betroffenen selbst. Ein akkurat geführtes Mobbing-Tagebuch kann in einem späteren Rechtsstreit die ausschlaggebenden Beweise liefern. Obwohl Mobbing an sich nicht strafbar ist, können verschiedene Mobbing-Handlungen wie üble Nachrede, Beleidigung oder Körperverletzung durchaus Straftatbestände erfüllen. Auch bei Mobbing-Aktivitäten unterhalb der Strafbarkeitsgrenze ist ein Mobbing-Tagebuch wichtig, um in einer unternehmensinternen Auseinandersetzung nicht mit leeren Händen dazustehen.In das Mobbing-Tagebuch gehören Datum und Uhrzeit des jeweiligen Vorfalls, vorhandene Beweismittel wie E-Mails oder Zeigen sowie Belege für aus dem Mobbing am Arbeitsplatz entstandene gesundheitliche Beeinträchtigungen (Art der Beeinträchtigung, ärztliche Behandlungsbescheinigungen und Atteste).

Information von Arbeitgeber und Betriebsrat

Schweigen und Erdulden sind bei Mobbing am Arbeitsplatz eine völlig falsche Strategie, Betroffene sollten ihren Arbeitgeber möglichst zeitnah informieren. Falls sie vermuten, dass auch ihr direkter Vorgesetzter oder eine andere Führungskraft hinter den Attacken steht, können sie sich hierfür an die Personalabteilung oder an die Unternehmensleitung wenden. Falls vorhanden, sollte auch der Betriebsrat eingeschaltet werden.Die Fürsorgepflicht von Arbeitgebern gegenüber ihren Beschäftigten ist indirekt im Grundgesetz (Artikel 1 und 2) verankert - um die Verfassungsanforderungen zu erfüllen, müssen Unternehmen die Persönlichkeitsrechte, die Ehre und die Gesundheit ihrer Mitarbeiter schützen.

Wirksame Maßnahmen gegen Mobbing gehören daher zu den Arbeitgeberpflichten. Neben Mitarbeitergesprächen, Abmahnungen oder Versetzungen kommt in schwerwiegenden Fällen auch eine fristlose Kündigung des Mobbenden in Frage. Falls der Arbeitgeber seine Fürsorgepflicht nicht erfüllt, obwohl ihm ein Mobbing-Vorwurf bekannt ist, können daraus Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche des Betroffenen resultieren.
Manche Arbeitsverträge enthalten Ausschlussfristen, also verkürzte Verjährungszeiten für bestimmte Sachverhalte. Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes gelten sie auch für einzelne Mobbing-Handlungen, beginnen bei einem längerfristigen, systematischen Mobbing jedoch erst mit der zeitlich letzten Mobbing-Handlung.

Zusammenfassung

Mobbing am Arbeitsplatz kann für Betroffene existenzbedrohend sein. Frühzeitige Gegenwehr ist daher wichtig. Falls eine unternehmensinterne Schlichtung oder weiterführende Maßnahmen keine Lösung bringen, ist auch die Klage vor einem Arbeitsgericht nicht ausgeschlossen. (bw)