Anwesenheit sagt nichts über Qualität der Leistung aus

Microsoft schafft Anwesenheitspflicht für Beschäftigte ab

Arbeiten am Küchentisch, im Café oder aus dem Zug: Vielen Beschäftigen in Deutschland wäre das lieber als den ganzen Tag im Büro zu sitzen. Beim Softwareunternehmen Microsoft ist das kein Problem: Dort muss in Deutschland niemand mehr in die Firma kommen.

Der feste Arbeitsplatz mit starrer Anwesenheitspflicht von 9.00 bis 17.00 Uhr wird in in vielen deutschen Büros zum Auslaufmodell. Nach Lockerungen bei den Arbeitszeiten kommen Arbeitgeber den Beschäftigten inzwischen auch beim Arbeitsort entgegen und lassen sie zumindest teilweise aus dem Homeoffice arbeiten. Der Softwarekonzern Microsoft hat die Büro-Anwesenheitspflicht für seine Mitarbeiter in Deutschland nun sogar vollständig abgeschafft. "Arbeitet wo und wann ihr wollt", lautet die Devise.

Warum schafft Microsoft die Anwesenheitspflicht im Büro ab?

"Anwesenheit sagt nichts über die Qualität der Leistung von Mitarbeitern aus, sondern liefert häufig sogar ein falsches Bild", sagt Personalchefin Elke Frank. Viele Mitarbeiter hätten den Wunsch, von zu Hause, im Café oder unterwegs zu arbeiten. Entscheidend für Microsoft ist nur das Ergebnis. Gerade das konzentrierte Arbeiten an einem Projekt ist nach Ansicht der Personalchefin in offenen Büros nicht immer einfach. "Wer in Ruhe arbeiten will, arbeitet von zu Hause." Vor wenigen Wochen wurde der "Vertrauensarbeitsort" in einer Betriebsvereinbarung für die rund 2700 Mitarbeiter in Deutschland verbindlich geregelt. Feste Arbeitszeiten hatte Microsoft schon 1998 abgeschafft.

Dr. Elke Frank, Senior Director Human Resources, Microsoft: "Anwesenheit sagt nichts über die Qualität der Leistung von Mitarbeitern aus, sondern liefert häufig sogar ein falsches Bild"
Dr. Elke Frank, Senior Director Human Resources, Microsoft: "Anwesenheit sagt nichts über die Qualität der Leistung von Mitarbeitern aus, sondern liefert häufig sogar ein falsches Bild"
Foto: Microsoft

Müssen die Mitarbeiter dann nie mehr ins Büro kommen?

Doch, sie können jederzeit kommen - haben dann aber keinen eigenen Schreibtisch. In der neuen Firmenzentrale, für die am Dienstag in München der Grundstein gelegt wurde, gibt es zwar Büro-Arbeitsplätze, aber nicht für jeden. Die Erfahrung hat nach Angaben des Unternehmens aber gezeigt, dass ohnehin nie alle Mitarbeiter gleichzeitig kommen - so dass der Platz normalerweise reicht. Wenn es eng wird, gibt es notfalls aber auch Sitzecken mit Lounge-Möbeln oder ein Café, in dem die Mitarbeiter ihren Laptop aufklappen können. Zusätzlich gibt es in der Zentrale auch Meeting-Räume für Konferenzen - denn auf den persönlichen Kontakt soll nicht ganz verzichtet werden.

Gibt es ohne Bürozeiten noch Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit?

Die Gefahr ist groß, dass Arbeit und Freizeit vollständig ineinander übergehen. Gewerkschaften warnen deshalb immer wieder davor, dass die Flexibilität nicht zu einer Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit führen dürfe. Microsoft appelliert vor allem an die Beschäftigten selbst, die Arbeitszeit in Grenzen zu halten. Mitarbeiter müssten Eigenverantwortung für ihre Zeiteinteilung übernehmen und Überlastung frühzeitig signalisieren. "Wer keine klaren Grenzen setzt, darf sich nicht wundern, wenn die Kollegen auf Freizeit oder Krankheit keine Rücksicht nehmen", heißt es in einer Richtlinie des Unternehmens.

Werden auch andere Firmen die Anwesenheitspflicht aufgeben?

Der Wunsch nach flexiblen Regeln für die Arbeit ist bei den meisten Beschäftigten groß. In einer Umfrage des Personalunternehmens Orizon unter mehr als 2000 Arbeitnehmern landete der Wunsch nach flexiblen Arbeitszeiten nach der Jobsicherheit und einer leistungsgerechten Bezahlung auf Platz drei. "Arbeitnehmer erwarten, dass sich Arbeitszeiten an das Privatleben anpassen und nicht umgekehrt", sagt Geschäftsführer Dieter Traub. Im Rennen um gut ausgebildete Fachkräfte sind flexible Modelle ein entscheidendes Argument: "Die neue Generation hat ganz andere Ansprüche und legt mehr Wert auf die Work-Life-Balance", sagt Microsoft-Personalchefin Frank. Bei ihr fragten bereits zahlreiche Unternehmen nach den Erfahrungen mit flexiblen Arbeitsmodellen an. (dpa/mje)