Microsoft: Regierung betreibt Kosmetik

Microsoft hat in der letzten Stellungnahme vor der Urteilsverkündung im Kartellverfahren die US-Regierung erneut scharf kritisiert. Wie Microsoft schreibt, sind die überarbeiteten Vorschläge des Justizministeriums zum Strafmaß noch extremer. Die wenigen Korrekturen seien rein kosmetischer Natur.

Microsoft hat die von Richter Jackson vergangene Woche überraschend eingeräumte Gelegenheit zu einer weiteren Stellungnahme der beiden Parteien für einen Rundumschlag genutzt. Die Anwälte des Softwareherstellers werfen dem Justizministerium Zynismus und Oberflächlichkeit vor. Die wirtschaftlichen Probleme einer Aufteilung, die Microsoft angeführt habe, seien völlig ignoriert worden.

Eine Aufteilung eines komplexen Unternehmens wie Microsoft sei nicht durch einen einfachen Schnitt zu realisieren, schreiben die Redmonder. Das Betriebssystem Windows und die vom Justizministerium als "Middleware" bezeichneten Anwendungen seien in Wirklichkeit einzelne Elemente eines Produkts. Das vom Justizministerium geforderte Redesign von Windows 98 und 2000 sei deshalb unmöglich in neun Monaten zu leisten. Die verlangte Überarbeitung bedeute im Klartext nichts anderes, als dass in neun Monaten die Auslieferung der betreffenden Produkte eingestellt werden müsse.

Die Auflage, den OEMs nicht nur den von Microsoft entwickelten Quellcode, sondern auch den Code von lizenzierter Software zur Verfügung zu stellen, damit die Hersteller eigene Entwicklungen in Windows einbauen können, sei ungerecht: Die davon betroffenen Softwarefirmen ständen nicht vor Gericht und würden trotzdem bestraft, indem sie gezwungen werden, Ausnahmeregelungen bei der Regierung zu beantragen.

Microsoft wirft der Regierung außerdem eine derart ungenaue Formulierung der Forderungen vor, dass die an präzise Vorgaben gewohnten Microsoft-Ingenieure unmöglich verstehen könnten, was denn jetzt erlaubt ist und was nicht. Als Beispiel führt Microsoft an, dass seitens des Ministeriums immer nur die Rede von "dem Internet Browser" sei, der illegaler Weise mit dem Betriebssystem verknüpft sei. Seit zwei Jahren ersuche Microsoft die Regierung, eine genaue Definition zu liefern. Wird der Konzern aufgeteilt, müsse die Sparte Betriebssysteme genau wissen, was erlaubt ist und was nicht, um in der Entwicklung nicht behindert zu werden. Die obskuren Formulierungen Washingtons stellten keine Basis für eine vernünftige Arbeit dar. Viele Microsoft-Mitarbeiter, so droht das Unternehmen, könnten es deshalb vorziehen, aufzugeben.

Microsoft ersucht den Richter dringend, falls er den Forderungen des Justizministeriums teilweise oder ganz folgt, die Argumente Microsofts in das Urteil einzubeziehen. (uba)

Weitere Fakten und Hintergründe zum Microsoft Prozess bietet der tecChannel-Report "Microsoft: Das Urteil und das Ende?".