Microsoft im Senats-Hearing unter Beschuss

Die angestrebte Einigung im Microsoft-Kartellprozess geriet bei der gestrigen Anhörung vor dem Justizausschuss des Senats ins Kreuzfeuer von Industrie und Komiteemitgliedern. Allgemein wird bezweifelt, dass der Kompromissvorschlag Microsoft in Zukunft von einem Ausbau seiner Monopolstellung abhalten wird.

Lediglich die in die Verhandlungen mit Microsoft involvierten Staatsanwälte Charles James und Jay Himes versuchten, den Vergleichsvorschlag als ausreichend zu rechtfertigen. Ein Microsoft-Anwalt bezeichnete den Kompromiss als teure und schwere Bürde, die das Unternehmen aber im Interesse der Kunden und Geschäftspartner zu tragen bereit sei. Er forderte, nach nunmehr vier Jahren Auseinandersetzungen müsse endlich Schluss mit endlosen Prozessen und dem damit verbundenen Presserummel sein.

Ganz anders sahen dies die geladenen Zeugen, unter anderem Red-Hat-CEO Matthew Szulik. Wie erwartet empfahl er dem Komitee, den Vergleich als nicht ausreichend abzulehnen. Bei seiner Argumentation attackierte er Microsoft vor allem mit deren eigenen Waffen. So wies er etwa darauf hin, dass für viele Schulen und Universitäten die Microsoft-Lizenzen schlicht unerschwinglich seien und eine Monopolstellung die digitale Spaltung der Bevölkerung fördere.

Es sei zudem nicht zu erwarten, dass Microsoft unter den laxen Direktiven des Kompromisses sein Verhalten ändere. Dazu fürchte Microsoft die Open-Source-Bewegung viel zu sehr. Zum Beweis führte Szulik Äußerungen von Microsoft-Prominenz wie Steve Ballmer und Jim Allchin an, die Linux als Krebsgeschwür und Open Source als "unamerikanisch" sowie als Gefahr für geistiges Eigentum bezeichnet hatten. Er zitierte den Generalstaatsanwalt von Massachusetts, Thomas Reilly: "Fünf Minuten nach der Unterzeichnung eines Abkommens denkt Microsoft schon darüber nach, wie man es ungestraft verletzen kann. Das sind Raubtiere."

Auch andere Aussagen schlugen in dieselbe Kerbe. So berichtete etwa Mitchell Kertzmann, früher CEO bei Sybase und Powersoft, von typischen Taktiken, mit denen Microsoft unliebsame Technologien unterdrückt. So sei ein Vertrag seiner Firma Liberate mit Digital Equipment (DEC) zur Entwicklung von Thin Clients geplatzt, nachdem Microsoft gedroht hatte, Windows NT nicht auf DEC-Hardware zu portieren, falls Digital Thin Clients entwickle. Solche Praktiken könne auch der jetzige Einigungsvorschlag nicht verhindern.

Die vorgetragenen Argumente scheinen den Eindruck auf den Untersuchungsausschuss nicht verfehlt zu haben. So räumte der Vorsitzende des Hearings, Senator Leahy, ein: "Ich finde viele Bestimmungen des Vergleichs entweder reichlich vage, oder leicht zu umgehen, oder beides." Unmittelbare Auswirkungen auf das laufende Kartellverfahren hat die Anhörung zwar nicht, der Senatsausschuss kann lediglich Empfehlungen aussprechen. Insgesamt bläst jedoch Microsoft der Wind in Sachen öffentliche Meinung immer mehr ins Gesicht. (jlu)