Man spricht XML

Um Geschäftsbeziehungen über das Internet aufzubauen, bedarf es einer gemeinsamen Sprache zwischen den Partnern. Diese ist einerseits durch XML gegeben, aber den Austausch der Informationen regelt das "Information and Content Exchange"-Protokoll.

Wollen zwei Systeme miteinander kommunizieren, stellt sich immer das Problem einer gemeinsamen Sprache oder kompatibler Formate. Auch HTML und XML (Bild 3) haben das Problem nicht ganz lösen können.

Auf Datenbankebene stellten die Hersteller Replikationsmechanismen zur Verfügung, die aber den Einsatz des gleichen Produktes und der gleichen Datenbankschemata auf beiden Seiten voraussetzten. Aus dem Wunsch der Entkopplung der Systeme entstand "Electronic Data Interchange" (EDI). Hierbei formulierte man einen Satz von Datenbeschreibungen, die jede Anwendung abbilden. Die Daten, beispielsweise ein Frachtbrief, werden zwischen allen Teilnehmern versandt.

Für global operierende Unternehmen bedeutet das Einsparungen, für den Mittelstand sind die technischen und organisatorischen Voraussetzungen zu teuer. Die teilnehmenden Seiten müssen das gleiche Vokabular verwenden, und die Einrichtung sowie der Unterhalt von EDI verursacht hohe Kosten. Für den Austausch der Nachrichten mußten sogenannte "Value Added Networks" (VAN) aufgebaut werden, welche als dedizierte Datenleitungen zwischen den einzelnen Teilnehmern geschaltet wurden. Probleme waren vorprogrammiert, wenn die Teilnehmer unterschiedlichen VANs angehörten oder sich der Standard für die branchenspezifische EDI-Lösung änderte.

Mit der Verfügbarkeit von TCP/IP im Internet und XML zeichnet sich eine Alternative ab. Unter anderem wird seit einiger Zeit an XML/EDI, einer Implementierung auf Basis von XML, gearbeitet, wodurch der Einsatz vorhandener XML-Parser möglich wäre. Es ergeben sich Einsparungen im Unterhalt der Kommunikationsleitungen, indem man anstelle der VANs "Virtual Private Netwoks" (VPN) über das Internet betreibt. Dabei bleibt die Komplexität von EDI erhalten. Der Fokus der Lösung richtet sich aber eher auf die Transaktion und nicht so sehr auf Information, so daß es hier nach wie vor um die Kopplung von gleichen Systemen geht.

Die Anforderungen von E-Commerce-Sites im Internet sind damit nicht zu befriedigen. "Web Shops" mögen für den Augenblick Abhilfe schaffen, doch langfristig sind die Einschränkungen dieser Standardangebote zu groß. Der Austausch verschiedener Arten von Informationen muß möglich sein, angefangen von Katalogdaten, inklusive Bildern, über beschreibende Texte, Kundenprofile und Lagerbestandsdaten.

Zudem soll die Verbindung auch mit den Geschäftspartnern möglich sein, also ist eine weitere Abstraktion und Entkoppelung nötig. Deshalb kommt nur den Einsatz eines speziellen Frameworks in Frage. Die Daten, um die Systeme mit "Leben" zu füllen, liegen zumeist schon im Back Office des Unternehmens vor und sollen von dort übernommen werden.

Einen Lösungsansatz liefert das Protokoll "Infomation and Content Exchange" (ICE). Es verwaltet und automatisiert das Einrichten von Geschäftsbeziehungen zum Austausch von Informationen, sogenannte "Syndication Networks", die Übertragung von Informationen und die Ergebnisanalyse.

ICE wurde nach mehreren Richtlinien spezifiziert. Es sollten die kontrollierbaren Aspekte einer Geschäftsbeziehung modelliert, die Information in Pakete verpackt werden, welche die Wiederverwendbarkeit unterstützen, und die Kompatibilität zu bestehenden Transportmechanismen mußte gewährleistet sein. Den verschiedensten Applikationen eröffnet sich damit das Internet. Das Protokoll beinhaltet keine Datenformate, sondern läuft konform zu einer spezifischen XML-Syntax, der ICE-DTD (DTD = Document Type Definition). Jeder kann die Spezifikation einsehen.

Die Implementierung einer ICE-Lösung erfordert unter Nutzung bestehender XML-Parser nur wenig programmiertechnischen Aufwand. Inzwischen existieren sogar schon spezielle Frameworks, mit denen der Anwender einfach eigene Applikationen entwickeln kann. Auch einige Standard-Tools setzen bereits auf ICE. Beispielsweise kann von "Quarkxpress" aus die Speicherung der Daten in beliebige Content-Management-Systeme mit entsprechender Ausrichtung erfolgen.

Der Austausch von Informationen mit Hilfe des Protokolls verläuft in mehreren Schritten. Zuerst spezifiziert der Anbieter, "Syndicator", seine Angebote. Diese bestehen aus Daten seiner Datenbank, kompletten HTML-Seiten oder auch nur aus Links. Sie enthalten zudem weitere Angaben zu den Geschäftsbedingungen wie Copyright, Laufzeit, Anzahl der Updates et cetera. Der Kunde oder "Subscriber" kann durch diese Angebote blättern und eines auswählen. So ergibt sich eine "Subsription". Der Syndicator validiert wiederum den Eingang der Bezahlung. Ab diesem Zeitpunkt ist die Verbindung etabliert und Informationen können geliefert werden.

Die Subscription wird jetzt zu definierten Zeitpunkten zur Verfügung gestellt. Ob diese ein ICE-Paket, nur eine Payload, bestehend aus Header und Request, beinhaltet, und ob diese aus reinem ASCII-Text oder eventuell anderen XML- oder Binärdaten besteht, hängt von der unterliegenden Netzstruktur ab, und ist nicht durch ICE vorgeschrieben. Pakete können auch dynamisch nach Bedarf erstellt werden. Holt zum Beispiel ein Subscriber über längere Zeit seine Pakete nicht ab, so erkennt der Syndicator, welche das sind und entscheidet, ob eventuell nur das letzte ausgeliefert werden muß, um nicht vorhergehende Pakete zu überschreiben.

Für einen Verlag mit einer Tageszeitung könnten zwei Angebote folgendermaßen aussehen: Inhalte aus einem Content-Pool sollen zum Verkauf angeboten, aber gleichzeitig die Sichtbarkeit der eigenen Publikation erhöht werden. Aus denselben Artikeln lassen sich zwei Angebote formulieren, eines für die kompletten Beiträge sowie ein anderes nur für die Überschriften und einen Link auf den Originalartikel. Auch die Geschäftsbedingungen für die beiden Angebote können unterschiedlich sein: Die Artikel sind nur gegen Bezahlung erhältlich und dürfen bis auf die Nutzung auf der Web-Site des Subscribers nirgends eingesetzt werden, die Überschriften hingegen erhält man unentgeltlich und darf sie unter Angabe des Copyrights und intakter Verlinkung auf den Originalartikel beliebig weitergeben.

Sowohl für den Syndicator als auch für den Subscriber ergeben sich Vorteile durch den Einsatz von ICE. Auch wenn noch weitere Geschäftsbeziehungen hinzukommen, entsteht hierdurch kein Mehraufwand.

Dies zeigt auch ein Beispiel bei National Semiconductors. Die Firma liefert den Katalog für Halbleiterbausteine in verschiedenen Ausprägungen an Geschäftspartner. Während früher fast jeder der Partner einen eigenen Transfermechanismus und ein spezielles Format bevorzugte, wird heute über HTTP und ICE ausgeliefert.

Das Unternehmen kann jetzt viel einfacher neue Angebote erstellen, wie beispielsweise Teilkataloge. Die Subscriber wählen die für sie wichtigen Informationen nach Kriterien wie "alle Produkte mit Preisen". Während National Semiconductors mit seinem Team vor dem Einsatz von ICE gerade sechs Partner betreuen konnte, sind es heute 15 und geplant sind etwa 1000. (sf)