Alte Schule, neue Denke

Knigge 2.0 - Gutes Benehmen alleine reicht nicht mehr

Die schwere Kunst der Disziplin

Einfach ist dieser Spagat nicht - besonders nicht in einer Bürowelt, die von anziehendem Tempo, kurzfristigen Kontakten und Selbstorganisation geprägt ist. Die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter steigt. "Jeder muss sich selbst disziplinieren und lernen, Prioritäten zu setzen, damit die alten Tugenden erhalten bleiben", fordert Smid. Er weiß, wie schwer das ist - zum Beispiel im Meeting, wenn man noch rasch nebenbei etwas am Laptop fertig tippen will, aber dadurch andere Teilnehmer stört.

Gerade die technischen Möglichkeiten sind es, die Hemmschwellen abgebaut haben. Wer "always on" ist, hat oft mehr Gespür für seine Kommunikationspartner im Web 2.0 als für seine unmittelbare Umgebung. Im Großraumwagen eines ICE bleibt zwischen Notebook und Smartphone die Kinderstube schnell auf der Strecke. Doch nicht nur die Technik macht das Miteinander manchmal schwer. Mittelbar sieht Heiko Mell, Personalberater aus Rösrath bei Köln, auch die Globalisierung dafür verantwortlich: "Das Geschäft wird härter, der Druck nimmt zu, die Ellenbogen werden ausgefahren." Dadurch verhärte sich das Betriebsklima, der Ton werde rauer. "An die Aufweichung traditioneller Höflichkeitsformen werden wir uns gewöhnen müssen", so Mell. "Wer andererseits die alte Schule perfekt beherrscht, kann punkten."

Markus Albers, Buchautor: "Der Respekt vor der Zeit der anderen wird wichtiger."
Markus Albers, Buchautor: "Der Respekt vor der Zeit der anderen wird wichtiger."
Foto: Max Miller

Die neue Arbeitswelt bietet dazu sogar allerlei Chancen. Etwa beim mobilen Arbeiten. "Unverbindlichkeit kann sich hier niemand erlauben", sagt Buchautor Markus Albers. Während im Büro immer wieder Kollegen zu spät zu Konferenzen kämen, wäre das in einer Skype-Sitzung undenkbar. "Pünktlichkeit beim Einwählen ist oberstes Gebot", so Albers. Generell sei die Hemmschwelle, Menschen im digitalen Kommunikationsprozess zu unterbrechen, hoch. Im Büro störe man die Kollegen häufig, ohne sich darüber Gedanken zu machen. Kollegen, die aber von unterwegs aus arbeiteten, würden seltener belästigt. Auch nehme die Zahl der telefonischen Unterbrechungen ab, seitdem es E-Mail und andere Kommunikationsmittel gebe.