Klare Trends

Gigabit-Ethernet, IP-Multicasting und Sicherheits-Software - dies waren die Hauptthemen auf der diesjährigen Networld + Interop in Las Vegas. Der Kampf um Marktanteile in diesen Bereichen verschärft sich zunehmend, und im Gerangel um Standards und Kunden florieren strategische Partnerschaften.

Von: Dr. Sabine Cianciolo

Wer es sich leisten kann, kauft den strategischen Partner gleich auf. Zu dieser Gruppe zählt die Firma 3Com, deren im Sommer bevorstehende Übernahme von Modemhersteller US Robotics (USR) zu den größten Deals in der Netzwerk-Branche gehört. 3Com will sich mit diesem kaufmännischen Manöver den Zugang zu Endanwendern verschaffen und nach Aussage von Eric Benhamou, CEO und Präsident von 3Com, ein gigantisches Netzwerk-Power-Haus aufbauen. Kunden können sich dann mit jedem Netzwerk-Problem an 3Com wenden: Sei es "nur" ein Modem oder eine komplette End-to-End-Lösung vom Desktop bis zum Backbone. Nachdem der Kauf von US Robotics rechtskräftig geworden ist, verschwindet der Firmenname von allen Produkten und wird durch 3Coms Logo ersetzt. Laut einer Studie haben die Produktnamen von US Robotics wie beispielsweise "Sportster" ohnehin einen größeren Wiedererkennungswert als der Firmenname selber. Wenn es nach der Führungsspitze von USR ginge, soll die eigene x2/DSL-Strategie die Grundlage für 3Coms Remote-Access-Architektur der nächsten Generation werden, denn 3Com ist im Bereich der ISDN-Terminal-Adapter und kleineren Remote-Access-Router gut vertreten, hat aber noch keine konkreten Pläne im Gebiet der High-Speed-Analog-Modems und DSL-Devices.

Wenn es um Partnerschaften geht, stolpert man über kurz oder lang mit Sicherheit über den Namen Microsoft. Das "Evil Empire" tat sich mit Router-Spezialist Cisco zusammen: Beide Firmen gaben ein Abkommen bekannt, dem zufolge Cisco das "Active Directory" von Microsoft lizenziert und in ihre IOS-Software integriert. Cisco wird außerdem Active Directory auf Unix-Plattformen implementieren. Weiterhin will man gemeinsam an Active Directory APIs arbeiten und diese Entwicklern zur Verfügung stellen. Von einem besseren Active Directory profiert vor allem Microsoft: In der nächsten Version von Windows NT sind dann fortgeschrittene Netzwerk-Services wie Bandbreite-on-Demand möglich. Bislang bietet Active Directory Internet-Standards wie LDAP, DNS, HTTP und X.500.

Das am meisten diskutierte Thema auf der Networld + Interop 1997 (N+I) war zweifelsohne Gigabit-Ethernet. In den vergangenen Monaten schossen viele neue Firmen aus dem Boden, die an Produkten für diesen Markt arbeiten. In der "Start-Up-City" der N+I zeigten Neulinge wie beispielsweise Foundry Networks, Prominet, Extreme Networks, XLNT Designs, Rapid City Communications und Alteon Networks Gigabit-Ethernet Switches. Aber auch die großen Firmen ziehen mit: 3Com, Cabletron, Essential Communications, Adaptec und Hewlett-Packard stellten ebenfalls Gigabit-Switches und Network-Interface-Karten (NICs) vor. Der "Summit 1 Gigabit-Ethernet Switch" von Extreme Networks gewann sogar den Preis "Best of the Best" auf der N+I. Der Switch verbindet die Geschwindigkeit von Gigabit-Ethernet mit IP-Routing und verfügt über eine Nonblocking-Architektur. Dies vereinfacht das Netzwerk-Design, da man nicht mehr den Einschränkungen der Subnet-Adressen unterliegt. "Summit 1" bietet nicht nur Layer-2-Switching und Layer-3-Routing, sondern auch Features wie RSVP, 802.1p, 802.1q und auf Regeln (Policies) aufbauende Management-Software.

Doch trotz des derzeitigen Aufstandes um Gigabit-Ethernet wird eine tatsächliche Implementation wohl noch mindestens ein Jahr auf sich warten lassen. Es scheint, daß Gigabit-Ethernet zunächst höchstens im Backbone eine Chance hat. Dies liegt vor allem daran, daß im Moment noch kein einheitlicher Standard für Twisted-Pair-Kabel existiert. Bislang beschränkten sich die Bemühungen der IEEE-Kommission fast ausschließlich um einen Standard für Glasfaser-Kabel. Jener läuft unter der Bezeichnung 802.3z und soll noch diesen Sommer verabschiedet werden. In den meisten Büros liegen jedoch Twisted-Pair-Kabel der Kategorie 5, die sich nicht besonders gut für GBit/s-Geschwindigkeiten eignen. Dazu bedarf es spezieller Kodiertechniken. Vier oder fünf dieser Techniken werden von der IEEE-802.3ab-Arbeitsgruppe diesen Monat in Fort Lauderdale, Florida, begutachtet. Mit Gigabit-Ethernet bis zum Desktop sieht es also derzeit noch schlecht aus.