Kein Grund zur Panik

Auch an Netzwerken geht der Millenium-Wechsel nicht spurlos vorüber: So kann ein Router, der sich nicht automatisch umstellt, im schlimmsten Fall für stillgelegte Verbindungen sorgen. Wir haben deshalb recherchiert, welche Geräte Schwierigkeiten aufweisen, und wo Sie Hilfe finden können.

Von: Hans-Jörg Schilder

Silvester 1999: Zu diesem Zeit- punkt findet weltweit die wohl größte Party statt. Gar nicht so zum Feiern zumute ist den Unternehmen. Sie arbeiten oft mit Ausrüstungen, die diesen Wechsel nicht nachvollziehen. Immerhin geraten zu diesem Zeitpunkt alle zeitbezogenen Daten, die bisher zweistellig ausgegeben wurden, in Bedrängnis. Gespeicherte Informationen auf Mainframes, Excel-Dateien und Cobol-Programme sind vor allem betroffen. Hier haben die betroffenen Unternehmen seit

Jahren ganze Abteilungen und Heer- scharen von Beratern auf die Umstellung angesetzt.

So aktivierte beispielsweise IBM in den USA ehemalige, bereits in die Rente entlassene Mitarbeiter, um die alten Mainframe-Programme auf das neue Jahrtausend umzustricken. Das zeigt gleichzeitig, welche Perso- nalnot in diesem Bereich herrscht. Wer heute anfängt, sich mit der Jahr-2000-Problematik auseinanderzusetzen, ist schon viel zu spät dran — er wird niemanden finden, der für den Anwender arbeitet. Also bleibt nur die Hilfe zur Selbsthilfe.

Die Palette reicht vom einfachen Austesten des BIOS am PC bis zur systematischen Suche im jeweiligen Netzwerk: Welche Komponente stellt sich an Silvester um? Welches Gerät arbeitet hinterher nicht zuverlässig weiter? Welche Maßnahmen können die Unter- nehmen jetzt noch einleiten? Die netzbezogene Suche läßt sich schnell eingrenzen. Weder Hubs, LAN-Switches noch Netzwerkkarten werden Probleme mit dem neuen Jahrtausend haben, weil sie keine datumsbezogenen Informationen verarbeiten. Auch Router sollten keine Schwierigkeiten bereiten, wenn sie keine zeitbezogenen Verbindungen aufbauen. Allenfalls die Syslog-Files, in denen der Verbindungsaufbau nachvollzogen wird, weisen zweistellige Datumsfelder auf. Dennoch ist eine generelle Aussage über die sichere Umstellung aller Netzkomponenten nicht ganz zutreffend. Vielmehr sollten sich die Netzverantwortlichen mit den Herstellern in Verbindung setzen, um ganz sicherzugehen.

Lücken bei IBM: Nicht alles ist Jahr-2000-kompatibel

Einen ersten Eindruck erhalten die Netzwerker auf einer 35seitigen Liste von IBM (http://wwwyr2k.raleigh.ibm.com/change.html). Dort sind etwa der Netware-Client für OS/2 und die Notes-Clients als gefährdet ausgewiesen. Darüber hinaus ist der Faxrouter nicht für das neue Jahrhundert gerüstet. Software läßt sich aber immer leicht mit Patches nachbessern.

Aufwendig ist die Umstellung der Hardware: In der IBM-Liste sind zum Beispiel ATM-Switches sowie Multi- plexer betroffen und als "not ready" für das Jahr 2000 gekennzeichnet. Darunter fallen Geräte wie zum Beispiel die "Nways"-Frame-Relay-, -Multiservices- oder ATM-Switches. Sind also für einige Unternehmen in den ersten Wochen des neuen Jahres wichtige Verbindungen geklappt? Ganz so schlimm wird es nicht werden, da als Kriterium für die Jahr-2000-Fähigkeit alleine die Dar- stellung der vier Ziffern (CCYY - Century Century Year Year) zählt. Für einen Router oder Switch, der den Wechsel vollzieht und ohne weiteres seine Bahnen brav im nächsten Jahr aufbaut, kein Problem. Allerdings sind hier Garantien erforderlich, daß die Geräte einwandfrei arbeiten.

Auch der PC-Server-Hersteller Compaq ist nicht besser dran. Obwohl die Vorgänger aus der "Proliant"-Serie den Datumswechsel einwandfrei berücksichtigen, stellt die jetzt aufgelegte Serie nicht auf das neue Jahrtausend um. Geräte, die nach dem 7. Oktober 1997 gekauft wurden und einen Um- stellungstest nicht bestehen, fallen unter die Gewährleistung. Ältere Produkte benötigen für den korrekten Datumswechsel ein BIOS-Update, das Sie von der Compaq-Webpage herunterladen können.

Als Hersteller von Hardware im X.25- beziehungsweise ISDN-Umfeld erklärt Eicon, daß seine Produkte durchwegs keine Probleme mit der Umstellung haben. Beruhigend, weil die X.25-Geräte vor allem im Bankenbereich eingesetzt werden. Auch Conware und Bintec versprechen keine Aussetzer bei den eigenen Produkten. Die Nutzer von AVM-, ITK- sowie Ascend-Produkten haben es da nicht so einfach. Sie müssen in Tabellen nachschauen, ob das jeweilige Gerät den Jahreswechsel vollzieht oder nicht. Generell gehen aber auch die Verantwortlichen bei AVM davon aus, daß keine Schwierigkeiten auftreten werden. Allerdings müssen einige Ver- sionen des Multiprotokoll-Routers mit einer neuen Netware-Runtime, also einer Einzelplatzversion des Netzwerkbetriebssystems, ausgestattet werden.

Während die meisten Ascend-Modelle reibungslos den Jahreswechsel erleben, hat der Router "Pipeline 220" sehr wohl eine Schwäche: Er stellt keine vier Ziffern dar und gibt das Datum auf der Bedienkonsole und im Logfile zweistellig wieder. Änliches gilt für die "Multiband"-Produkte. Allerdings arbeitet der Her- steller an der Richtigstellung des Formates.

3Com und Bay ohne Probleme

Die Umstellung auf vier Ziffern ist bereits in den meisten Bay-Networks-Geräten über BIOS-Updates und neue Software umgesetzt. Nur einige ältere Geräte aus der Generation der Synoptics beziehungsweise Wellfleet-Ära können Schwierigkeiten machen. Der Hersteller 3Com beobachtete im Sommer 1998 ein Phänomen: Fast lawinenartig erhielt der Netzwerkhersteller Anfragen aus Behörden und Verwaltungen, die sich nach der sicheren Umstellung erkundigten. Auch hier war die Antwort einfach: Alle Geräte werden das Datum automatisch umstellen.

Um den Anwendern die gewünschte Sicherheit zu vermitteln, stehen auf der Jahr-2000-Homepage (http://w3n.3com.- com/cso/- ~y2kweb.nsf/homepage?openform) von 3Com Dokumente, die für das jeweilige Produkt die Umstellung garantieren.

Alle Bereiche betroffen

"Auch wenn die Bewältigung des Jahr-2000-Problems im IT-Bereich angesiedelt ist, dürfe man sich nicht alleine auf eine Umstellung der Software beschränken", betont Werner Fuhrmann, General Manager Bull Central Europe. Sämtliche Systeme in einem Unternehmen, in denen ein Mikroprozessor steckt, können am 1. Januar 2000 plötzlich nicht mehr richtig funktionieren. Deshalb sollten rechtzeitig sämtliche Betriebssysteme und Applikationen überprüft werden.

Telefonzentralen, Laborsysteme oder die Steuerungen von Aufzügen und Klimaanlagen sind davon ebenso betroffen wie computergesteuerte Maschinen. Im Be- reich der Informationstechnik kommt es nach den Erfahrungen der Bull-Berater zu- allererst auf ein klares und verläßliches Bild der Ist-Situation an. Dabei spielten zum Beispiel der Anteil an schlecht dokumentierten Software-Modifikationen und Eigenentwicklungen, die verwendeten Programmiersprachen, und die vorhandene Hardware-Vielfalt eine wichtige Rolle. Um die anstehenden Aufgaben systematisch anzugehen, ist neben der Schaffung von klaren, bereichsübergreifenden Verantwortlichkeiten die Bildung eines Teams zu empfehlen, das eine Inventur aller datums- relevanten Komponenten erstellt und von den Lieferanten die entsprechenden Spezifizierungen einfordert.

"Im Grunde gibt es zwei mögliche Strategien: Zum einen die Nach- bes- serung bestehender Programme, zum anderen die Neuanschaffung von Jahr-2000-fähiger Hard- und Software", erläutert Werner Fuhrmann. Da bei beiden Varianten allerdings die Zeit bereits knapp wird, bleibt vielfach nur noch die Festlegung von Prioritäten und die Konzentration auf die geschäftskritischen Kernprozesse. Der Wechsel zu einer Standardsoftwarelösung sollte nicht auf das nächste Geschäftsjahr verschoben werden, empfiehlt der Bull-Manager schließlich.

Abhilfe für das Jahr-2000-Problem: Inventarisieren und Ändern

Holger Exner, Marketingmanager bei Viasoft in München, spricht sich für den softwaregestützten Jahr-2000-Wechsel aus: "Die Bestandsaufnahme, die für das Jahr 2000 notwendig ist, läßt sich weiterverwenden." Zum Beispiel für die anstehende Euro-Einführung, neue Steuern oder andere Postleitzahlen bietet er Produkte an, die eine Bestandsaufnahme und eine Änderung der Daten durchführen. Die Kosten: 95 Mark pro PC für die Bestandsaufnahme und 140 für Bestandsaufnahme mit anschließender Anpassung. Ein für den Anwender unsichtbarer Agent trägt auf den PCs die nötigen Daten zusammen.

Der Datumswechsel ruft Anwender auf den Plan, die selbst einschlägige Erfahrung gesammelt haben:

So entwickelte die Dresdner-Bank-Unternehmensberatung DMC einen "Jahr-2000-Fitness-Check". Mit Hilfe einer CD-ROM sollen Lösungsvorschläge erarbeitet werden. Außerdem erhalten die Unternehmen Anleitungen in Form von Projektmanagement-Plänen sowie Musterbriefe. Die CD-ROM kostet 350 Mark und ist unter der Faxnummer 0621/ 33 83971 erhältlich. Im Preis inbegriffen ist die Auswertung eines Bei- liegenden Fragebogens