Kartellprozess: MS lehnt Windows-Light ab

In der vermutlich entscheidenden Runde des Kartellprozesses gegen Microsoft haben neun klagende US-Bundesstaaten schärfere Strafen gefordert. Vor einem Distriktgericht in Washington schilderten die Anwälte der Staaten Microsoft als einen reuelosen Monopolisten, der seine Konkurrenten weiter bitter bekämpfe.

Als Beispiel nannten sie - einigermaßen überraschend - Microsofts Vorgehen gegen den Computerhersteller Dell, der im Jahr 2000 einige seiner Rechner statt mit Windows mit Linux ausstatten wollte. Wie die "Washington Post" berichtete, beendete Dell seinen Vorstoß im Juni 2001, nachdem Microsoft den Computerkonzern deutlich auf die "Vorzüge" einer guten Partnerschaft hingewiesen hatte.

Bei der Anhörung geht es um die Strafvorschläge von neun Bundesstaaten, die den im November zwischen dem US-Justizministerium und dem Konzern ausgehandelten außergerichtlichen Vergleich abgelehnt haben. Für die neun Staaten forderte Anwalt Brendan Sullivan unter anderem, dass Microsoft eine abgespeckte Version seines Windows-Betriebssystems anbieten soll. Außerdem bestand er auf einer Offenlegung des Quellcodes für den Internet Explorer.

Microsoft Anwalt Dan Webb bezeichnete die Vorschläge als außergewöhnlich harsch und unfair. Das vorgeschlagene Strafmaß liege weit außerhalb des Prozessrahmens. Würden diese Vorschläge Realität, wäre Microsoft gezwungen, Windows vom Markt zu nehmen, sagte der Microsoft-Anwalt. Es sei technisch unmöglich, ein abgespecktes Windows ohne Middleware anzubieten, das die Funktionalität eines Windows mit Middleware liefern könne. Als Beispiel nannte Webb, dass die komplette Benutzerhilfe ohne Internet Explorer-Technologie nicht mehr funktionieren würde.

Neben den Statements der beiden Parteien kam als Zeuge der Staaten Suns Vice President Richard Green von der Sun Java Division zu Wort. Green hatte bereits in seiner schriftlichen Erklärung - nicht ganz zufällig - die Vorzüge von Suns Java-Technologie beschrieben. Java habe die Fähigkeit, die Barrieren zwischen den Betriebssystemen und Applikationen einzureißen und damit auch das Monopol Microsofts.

Die Anwälte von Microsoft versuchten offensichtlich darzustellen, dass es der Konkurrenz weniger um Gerechtigkeit als um massives Eigeninteresse geht. Von den Vorschlägen der Bundesstaaten profitierten nicht die Kunden, sondern nur die Mitbewerber, hieß es. In seiner Befragung konfrontierte Microsoft-Anwalt Steven Holley Sun-Manager Green deshalb mit einer internen Mail von Sun-CEO Scott McNealy vom Dezember 2001. Darin denkt McNealy anscheinend darüber nach, ob AOL wohl zu einem Konter gegen die Microsoft .NET-Strategie bereit wäre und dafür Sun ONE einsetzen würde. Mc Nealy schreibt: "AOL shoulda bought Sun first, TW (Time Warner) second". Sun Vice-President Richrad Green sagte darauf, dass er davon das erste Mal höre.

Die vorläufig letzte Runde im Kartellprozess wird wahrscheinlich acht Wochen dauern. Ursprünglich sollte die Anhörung schon am 11. März beginnen, wurde auf Bitten von Microsoft aber verschoben, nachdem die Bundesstaaten kurzfristig Änderungen an ihren Vorschlägen vorgenommen hatten. (uba)