Flexibles Arbeiten

Horror Home Office?

Monatliches Mittagsessen als Pflichttermin

Gefragt ist auch das Fingerspitzengefühl der Führungskräfte. "Sie sollten ihrem Team Leitplanken setzen, innerhalb derer sie eine freie Fahrt gestatten", empfiehlt Christoph Bauer, Berater der CIO Advisory Services bei Capgemini Consulting in München. Fehlt Chefs der direkte Zugriff auf ihre Leute, heißt es, Vertrauen in das eigene Team zu setzen. Kontrollettis alter Schule haben keine Chance. "Vorgesetzte müssen loslassen können, damit sich das Team selbst organisiert und koordiniert", so Bauer. "Zugleich müssen sie häufiger Feedback geben, um die Nähe zu ihren Mitarbeitern nicht zu verlieren."

Mit dem Balanceakt kennt sich auch Microsoft-Managerin Rodegra aus. Die größte Herausforderung beim Führen eines gemischten Präsenz- und Home-Office-Teams liegt für sie darin, ein Feingefühl für die Stimmungen ihrer Mitarbeiter zu entwickeln. "Zudem muss ich mir mehr Zeit nehmen, um aktiv den Kontakt mit ihnen zu suchen", so Rodegra. Einmal im Monat setzt sie daher mit ihrem Unterschleißheimer Team einen Abstimmungs-Call auf. Zusätzlich findet alle acht Wochen mit jedem Mitarbeiter ein Jour fixe statt. Doch auch das Loslassen gehört für sie zum Job. Ihrem Kölner Team lässt sie freie Hand bei der Gestaltung der Zusammenarbeit. Als den Kollegen der gegenseitige Kontaktverlust drohte, richteten sie in Eigenregie ein monatliches Mittagessen als Pflichttermin ein. Rodegra ist es recht. "Sie sollen ihre Arbeitsorte selbst bestimmen und untereinander abstimmen - solange die Ergebnisse stimmen."

Loslassen, ohne ins Laisser-faire abzurutschen: Damit kennt sich auch Stephanie Zimmermann aus. Die Abteilungsleiterin bei der Datev in München hat für ihre 28 Mitarbeiter eine 30-Minuten-Regel eingeführt. Wer länger als eine halbe Stunde nicht am Arbeitsplatz erreichbar ist, soll dies in einem entsprechenden Statuseintrag bei Lync kenntlich machen. "Hier geht es nicht um Kontrolle, sondern um eine gut geölte Zusammenarbeit des Teams", so Zimmermann. Einer ihrer Grundsätze: Die Telearbeit einiger Kollegen darf die Zusammenarbeit der Abteilung nicht behindern. Dazu soll auch der "Anwesenheits-Mittwoch" beitragen, an dem sich alle Kollegen persönlich im Büro begegnen, um den Kontakt nicht zu verlieren - untereinander und zur Chefin.

Trotz Mehraufwand und zusätzlicher Regeln: Letztlich rechnet sich die Möglichkeit zur Heimarbeit, glaubt Zimmermann, vor allem für Wissensarbeiter. "Drei Stunden konzentrierter Heimarbeit am Stück sind wesentlich produktiver als sechs 30-minütige Besprechungspausen im Büro", so die Abteilungsleiterin.