Frostfreie Verbindungen

Die Anfangseuphorie um ATM hat sich mittlerweile etwas gelegt. Was übrigbleibt, ist der Einsatz im LAN-Bereich kombiniert mit Switching-Techniken. Erste positive Erfahrungen auf diesem Gebiet weist ein Hochschulinstitut in Bremerhaven vor, das auch in der Planung des ATM-Landesnetzes in Bremen mitbeteiligt war.

Von: Doris Strobl

Mehr als 500 Menschen arbeiten am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) in Bremerhaven. Neben der eigenen Forschung in den Polargebieten ist es die Aufgabe des AWI, der deutschen Polarforschung Logistik-Dienstleistungen zu erbringen: das Forschungsschiff "Polarstern", die deutsche Antarktisstation "Neumayer" auf dem Ekström-Schelfeis, die Koldewey-Station auf Spitzbergen und andere kleinere Stationen in der Antarktis und Arktis zu betreiben und dort eine Umgebung zu bieten, in der die deutschen Polarforscher ihrer Arbeit nachgehen können. Dazu gehört unter anderem auch, eine leistungsfähige Datenverarbeitungs- und Kommunikationsinfrastruktur bereitzustellen.

Dr. Hans Pfeiffenberger ist stellvertretender Leiter des wissenschaftlichen Rechenzentrums, das die Wissenschaftler in allen Fragen der Datenverarbeitung und Datenkommunikation unterstützt. Hier einige Beispiele für die Arbeit der Experten im AWI-Rechenzentrum: In der Antarktis wurde ein lokales Netz mit sieben Sun-Workstations eingerichtet. Über Inmarsat-Satelliten tauscht die Neumayer-Station regelmäßig EMail mit dem AWI aus. Die Polarstern ist mit Datentechnik förmlich vollgestopft, die dortigen Unix-Rechner sind ebenfalls vernetzt. Vom lokalen Netz in der Station Koldewey besteht seit rund zwei Jahren eine ständige Internet-Verbindung über Satellit nach Spitzbergen.

Alle diese Netzwerke wurden im Rechenzentrum konzipiert und zum Teil sogar realisiert. Von der AWI-Dependance in Potsdam aus installierten die Techniker die neuen Netzwerke auf Koldewey. Ein- oder zweimal im Jahr, wenn die Polarstern nach Bremerhaven zurückkehrt, wird auch bei den Rechnern und Netzen an Bord klar Schiff gemacht, neues Equipment installiert und restrukturiert. Dabei müssen die Spezialisten des AWI besonders darauf achten, daß die Systeme miteinander kommunizieren können.

Acht Mitarbeiter hat das Rechenzentrum, mit zeitlich befristeten Projektstellen sind es etwa 20. Über die technische Dienstleistung hinaus sind diese zumeist an wissenschaftlichen Projekten beteiligt. So zum Beispiel beim Leiter des Rechenzentrums, Dr. Wolfgang Hiller, der hauptsächlich das Gebiet Parallelisierung und Massenspeichersysteme bearbeitet. Hier wie in anderen Projekten sind hohe Rechenzeiten ganz normal. "Bei der Klimamodellierung gehen Rechenzeiten schnell in Tausende von Cray-Stunden", so Dr. Pfeiffenberger. Die Produktionsrechner, die dazu benutzt werden, stehen sowohl in Hamburg am Klimarechenzentrum als auch in Bremerhaven am AWI.

Hieraus erwuchs auch der Bedarf des Instituts nach einer Breitbandverbindung innerhalb Deutschlands. Bis April dieses Jahres war das Institut im Rahmen des "Regionalen Testbetts" RTB-Nord (AWI, Klimarechenzentrum Hamburg, die Universitäten Hannover und Braunschweig) und des Vereins zur Förderung eines deutschen Forschungsnetzes e.V (DFN) an das deutsche "Wissenschaftsnetz" angeschlossen. Das Testbett ist inzwischen im Breitband-Wissenschaftsnetz aufgegangen, das den RTB-Anwendern deutschlandweit 34-MBit/s-Anschlüsse bietet. Das Wissenschaftsnetz, das seit dem 1.Juli 1996 auch der Uni Bremen zur Verfügung steht, verbindet Forschungsstätten in ganz Deutschland, nach der CeBIT 1996 arbeitet es auf Breitbandbasis.

Seit das AWI in eigenen Gebäuden untergebracht ist, betreibt das Institut dort ein Datennetz. Vor zwölf Jahren war dies ein Netz von Terminals, die mit VMS-Rechnern gekoppelt waren. Etwa nach 1985 breiten sich die lokalen Netze (LAN) im AWI aus, im Benutzerbereich auf der Basis von Ethernet- und Local-Talk-Verkabelung (Apple). Denn die Hälfte der Rechner am AWI stammen von Apple und waren bis vor kurzem auch überwiegend über dieses "sehr schmalbandige" Netz verbunden. Im Hochleistungsbereich verließ man sich auf FDDI und Ultranet http://www.fokus.gmd.de/nthp/dfn-atm/. Ultranet ist neben TCP und ISO-OSI TP4 ein Transportprotokoll, das auf der Basis der Compatibility-Library für Convex-, Cray-, Silicon-Graphics- und Sun-Rechner arbeitet. Der Bedarf an großen Rechenleistungen führte zunächst dazu, daß Kapazitäten in Stuttgart angemietet wurden. Neben einer Standleitung nach Stuttgart gab es schon Mitte der achtziger Jahre Experimente über den damaligen Vorläufer des Breitbandnetzes, später das vermittelte B-ISDN der Telekom. Schon zu dieser Zeit wurden über die Ultranet-Technik 140 MBit/s nach Stuttgart genutzt - im Wählverfahren, nicht als Standleitung.

Immer mehr Rechner und eine zunehmende Nutzung von vernetzten Ressourcen veranlaßten das AWI, die historisch gewachsenen Ethernet-Netze zu optimieren. 1994 wurde zunächst die Neuverkabelung des Instituts ausgeschrieben. Ende 1995 war eine strukturierte Verkabelung mit Glasfaser im Sekundärbereich und Class-D-Kupferverkabelung im Tertiärbereich abgeschlossen. Dabei wurden fünf Prozent der Enduser-Plätze zusätzlich mit Glasfaseranschlüssen ausgestattet.