Frischer Wind

Dem Be-OS haftet fast schon der Makel des "Media-OS" an. Hinter der neuen Version steckt jedoch mehr als nur ein schnelles Multimediasystem.

Von: Andreas Th. Fischer

Beim Update der erst vor einem halben Jahr veröffentlichten Version 4.0 der PC- und Macintosh-Betriebssystemalternative "Be-OS" auf das aktuelle Release 4.5 gab es erhebliche Aufregung in der Be-Gemeinde. Mittlerweile scheinen die meisten Anwender aber ihre kostenlose CD vom Hersteller Be Inc. erhalten zu haben. Trotz der teilweise erregten Gemüter handelte es sich doch nur um ein kleines Strohfeuer, weil das Be-OS immer noch keine große Verbreitung gefunden hat.

Dabei gibt es durchaus einige Punkte, die für das Betriebssystem sprechen, wie beispielsweise die weitgehende Verträglichkeit mit anderen OS-Vertretern, die einfache Installation und die verbesserte Netzwerkintegration. Das Be-OS ist als "Media-OS" auf einen hohen Datendurchsatz ausgelegt und imstande, Audio- und Videodateien mit hoher Leistung zu verarbeiten.

Die Installation des "Media-OS" ging leicht vonstatten. Es war allerdings nötig, den Multiprozessor-Support im Kernel per Hand zu deaktivieren. Anders wollte Be-OS nicht booten. Zum Einsatz kam ein Pentium-II-Rechner mit 266 MHz und 64 MByte RAM. Weder der etwas veraltete Adaptec-SCSI-Ultra-Controller noch die ATI-Mach64-Grafikkarte oder die Fast-Ethernet-Karte von 3Com bereiteten Probleme. Eine serielle Maus wollte das System hingegen partout nicht erkennen. Erst ein PS/2-Nager arbeitete auf Anhieb einwandfrei. Insgesamt gesehen, erfolgte die Be-OS-Installation angenehm schnell.

Be-OS ist Multiprozessor- und Multithreading-fähig. Es unterstützt bis zu acht Prozessoren, allerdings derzeit noch nicht die CPUs von AMD. Dieser Hersteller verwendet ein eigenes Protokoll für "Symmetric Multi Processing" (SMP). Jedes Programm ist zudem von Grund auf Multiprozessor-fähig und muß nicht extra angepaßt werden wie etwa unter Windows NT. Positiv herauszuheben sind zudem ein 64-Bit-Journaling-Filesystem mit Datenbank-ähnlicher Struktur und ein Speicherschutz vor ma-rodierendem Programmcode.

In vernetzten Umgebungen ist es jedoch ein Problem, daß Be-OS nicht Multiuser-fähig ist. Jeder Nutzer kann auf alle Dateien, Rechte und Informationen zugreifen. In der Netzwerksteuerung finden sich zwar rudimentäre Dienste für das "File Transfer Protocol" (FTP) und Telnet, die sich über eine Kennung und ein Paßwort schützen lassen. Es gibt allerdings keine Möglichkeit, dann die Zugriffsrechte einzuschränken. Wie die deutsche Be-OS-FAQ von Michael Pieper richtig feststellt: "Wer das Paßwort und den User-Namen kennt, ist Herr über den Rechner." Angenehm aufgefallen ist, daß das Be-OS im Gegensatz zu Windows nach Veränderungen an den Netzwerkeinstellungen keinen Neustart verlangt.

Zudem ist das Be-OS weitgehend mit dem Unix-Standard "Posix" konform. Zahlreiche Unix-typische Kommandozeilen-Befehle wurden implementiert und können in der Bash-Shell des "Terminal"-Fensters direkt ausgeführt werden. Derzeit mangelt es dem Be-OS noch an Standardapplikationen. Es gibt zwar zahlreiche Shareware/Freeware-Programme. Ein großer Teil von ihnen befindet sich aber noch im Beta- oder gar Alpha-Stadium. Der mitgelieferte Web-Browser "Netpositive" reicht für den Anfang, er kann aber noch kein Java. Anpassungen der Browser von Net-scape und Opera werden zwar gerade entwickelt, waren aber bis zum Redaktionsschluß noch nicht fertig. Ein Office-Paket bietet die Firma Gobe an. Seit Mitte August ist auch eine deutsche Version von Be-OS Release 4.5 verfügbar. Zum Test lag uns allerdings noch das englische Original vor.