Schadensersatz auch ohne klare Beweise

Filmindustrie: Geld ja bitte, Beweise nein danke

Weil eindeutige Beweise in Copyright-Verfahren angeblich so schwer zu besorgen seien, möchte die MPAA künftig gerne auf diese verzichten. Geld wolle man von mutmaßlichen Piraten aber trotzdem kassieren.

Die Medienindustrie fordert ein Vorgehen gegen Filesharing-Nutzer ohne die Vorlage eindeutiger Beweise. Der klare Nachweis von Copyright-Verletzungen sei in vielen Fällen zu schwierig und manchmal sogar unmöglich, argumentieren Anwälte des US-Verbandes der Filmindustrie MPAA. Rechteinhaber sollten die Möglichkeit erhalten, Schadensersatz von bis zu 150.000 Dollar einfordern zu können, ohne konkrete Beweise vorlegen zu müssen, berichtet das Wired Magazine. Die derzeit notwendige Beweisführung sei schädlich für die Rechteinhaber, so die MPAA-Anwältin Marie L. van Uitert in einer schriftlichen Stellungnahme an einen US-Bundesrichter.

Diese gewagte Aussage fiel vergangene Woche im Zusammenhang des andauernden Rechtsstreits zwischen Capitol Records und der 31-jährigen Jammie Thomas, die bereits zu 220.000 Dollar Schadensersatz verurteilt wurde. "Die Forderung der US-Filmindustrie ist absurd", meint Verena Eckert, Rechtsexpertin der IT-Recht-Kanzlei. Denn wie Beispiele aus Deutschland zeigen würden, seien häufig nicht die Inhaber von Telefonanschlüssen die Täter, sondern in der Regel deren Kinder, Partner oder Mitbewohner. "Würde man auf konkrete Beweise verzichten, würden in sehr vielen Fällen Menschen zur Verantwortung gezogen, die mit der eigentlichen Rechtsverletzung nichts zu tun haben", so Eckert.

Im Fall Capitol Records gegen Jammie Thomas wünscht sich Richter Michael Davis eine Wiederaufnahme des Verfahrens, nachdem er ein halbes Jahr nach dem Urteilsspruch einen möglichen Fehler bei den Anweisungen an die Geschworenen eingestanden hatte. Davis stellte die zentrale Frage in den Raum, wie eine Urheberrechtsverletzung nachgewiesen werden kann. Zwar streiten Labels und Geklagte schon seit langem vor anderen Gerichten darüber, doch eine eindeutige Linie wurde bislang nicht gefunden. Die MPAA kam im Zuge dieser Diskussion nun offenbar der Musikindustrie zu Hilfe und stellte ihre zweifelhafte Forderung in den Raum.

Auch in Deutschland ist die Rechtslage nicht unkompliziert. "Die Situation für Rechteinhaber hat sich in den vergangenen Wochen und Monaten verschlechtert, weil immer mehr Staatsanwaltschaften die Adressen der Telefonanschluss-Inhaber nicht mehr herausgeben", erklärt Eckert . Dabei handle es sich aber um die Personen, die zumindest wüssten, wer an den Tauschbörsen teilgenommen habe. "Das heißt aber noch lange nicht, dass die Teilnahme an Tauschbörsen jetzt gefahrlos möglich wäre", räumt Eckert ein. Für Jammie Thomas sieht es auch bei einer Wiederaufnahme des Prozesse nicht besonders rosig aus. Der US-Labelverband RIAA hatte bereits starke Indizien dafür vorgelegt, die auf die Angeklagte als Person hinter einem Account bei der Filesharing-Plattform Kazaa hingewiesen hatten. (pte/mja)