El Dorado oder Groschengrab

Kein anderer Bereich wird mit soviel öffentlicher Aufmerksamkeit verfolgt wie die Internet-Telefonie. Auf den Einsatz im Unternehmen bezogen gelten aber andere Maßstäbe. Deshalb gilt es hier, zu differenzieren, um kostengünstige und akzeptable Anwendungen der Computertelefonie herauszufiltern - zum Beispiel Unified Messaging oder Fax über IP.

Von: Hans-Jörg Schilder

Nach zwei Gateway-Aktionen, auf denen die Internet-Telefonie unseren Lesern vorgestellt wurde, läßt sich eines feststellen: Das Interesse war riesengroß. Aber das Fachwissen über die Technik, Sprache in Paketen zu versenden, unterschied sich immens. Es reichte von dem Hardware-Experten, der sich genau nach den technischen Funktionen erkundigte, bis hin zum Laien, der sich nicht vorstellen kann, ein Telefonat über das Internet zu führen.

Darüber hinaus gab es auch eine Nachfrage von Unternehmen, die sich für die preiswerte Übertragung interessierten. So wollten beispielsweise die EDV-Experten einer ostdeutschen Klinik ihre internen Sprachverbindungen über Internet-Telefonie abwickeln. Das macht aber nur Sinn, wenn die betreffenden TK-Anlagen über ein Telefonie-Gateway, das an einer Nebenstelle angeschlossen ist, miteinander verbunden werden. So läßt sich der Verkehr umleiten. Hier muß jedoch ein Vertrag mit dem Internet-Service-Provider (ISP) ausgehandelt werden, der einen hohen Quality of Service (QoS) garantiert. Darüber hinaus läßt sich dieser Anschluß nur für Punkt-zu-Punkt-Verbindungen nutzen, ohne zusätzliche Services wie Rufnummernübermittlung oder Makeln, die beispielsweise im ISDN selbstverständlich sind. Alternativ ist für diesen Einsatzfall wohl die Anwendung eines Multiplexers angeraten.

Wählverbindung oder Paketübertragung?

Die Kernfrage bei der Internet-Telefonie betrifft immer die Methode: Soll eine geschaltete Wählverbindung mit einer definierten Bandbreite und vorhandenen Services wie zum Beispiel im ISDN üblich benutzt werden, oder reicht eine paketweise Übertragung über das Intranet/Internet aus? Oft reichen nämlich für interne Gespräche oder für ein Schwätzchen mit Freunden geringere Übertragungsqualitäten aus. Allerdings muß dafür neben dem normalen Telefon eine zweite Ausrüstung (entweder Headset/Soundkarte oder ein an den PC angeschlossenes Telefon) vorgehalten werden.

Technisch steckt hinter der IP-Telefonie die Aufteilung des Sprachflusses in Pakete, die zehn bis 50 Millisekunden gesprochene Informationen enthalten. Für einen normalen Anruf entstehen auf diese Weise 20 bis 40 Sprachpakete pro Sekunde. Diese Informationen werden mit einem Header versehen und an die Gegenstelle verschickt. Auf diesem Weg passieren die Pakete etwa zwei bis maximal 30 Router, was jedesmal Zeit kostet.

Deshalb läßt sich in einem Unternehmensnetz die Qualität besser kontrollieren als im globalen Internet. An diesem Punkt gehen auch die Expertenmeinungen auseinander. Die meisten stimmen darin überein, daß sich das Internet in seiner jetzigen Form nicht für Sprach- oder Faxübertragungen eignet. Einige vergleichen das Intranet mit dem "Klima im Gewächshaus" und das Internet mit dem globalen Wetter. Folgende Faktoren beeinflussen die Übertragungsqualität:

Packet Delay (Paketlaufzeit): Die Zeitspanne in Sekunden, den Host A braucht, um über den Link L ein Bit an den Host B zu senden. Im Telefoniebereich wird damit die Zeit bezeichnet, die verstreicht, sobald der Partner zu reden beginnt und der Angerufene die erste Silbe versteht. Jitter: Die Summe der Abweichungen, gemessen in Sekunden, die bei der Übertragung von Host A zu B in der Ende-zu-Ende-Übertragungszeit entsteht. Meistens ist der Jitter direkt proportional zum Zeitversatz. Packet Loss (Paketverlust): Anzahl der Pakete (in Prozent), die zwar den Host A verlassen, aber beim Host B nicht ankommen. Dank ausgeklügelter Interpolationstechniken lassen sich drei bis fünf Prozent an verlorenen Paketen akzeptieren.

Etwas höhere Anforderungen als das menschliche Ohr hat die Faxübertragung an die Übertragungsqualität. Hier hat beispielsweise die ITU im Standard G.114 einen Wert von 200 Millisekunden für die Sprachübertragung festgelegt. Das Faxprotokoll T.30 reagiert sehr sensibel auf Delays. So benötigt die Bestätigung, daß eine Seite vollständig übertragen ist, zwischen 200 bis 300 Millisekunden. Die Netzwerkperformance sollte einen Paketverlust von weniger als vier Prozent aufweisen. Tests haben gezeigt, daß Paketverluste von 15 Prozent zu einem 100prozentigen Ausfall führen. Der Technologie-Konzern Lucent hat zu dieser Thematik eine eigene Web-Site aufgebaut, die sich unter http://www.lucent.com/internet_telephony erreichen läßt.