E-Mailflut bewältigen

Kundensupport per E-Mail verwalten

An dieser Stelle ist der Übergang von den strategischen Überlegungen zur Ist-Analyse fließend. Viele Firmen, die heute im Internet aktiv sind, bekommen automatisch eine steigende Zahl von E-Mails. Eine Analyse des tatsächlichen Aufkommens hilft bei der Vorgehensweise. Der zweite Schritt ist die Bestandsaufnahme der existierenden Hard- und Software, die die Gestaltung des Kommunikationsflusses unterstützt. Dazu gehören der Mailserver, der die Nachrichten aus dem Internet annimmt, die Mailclients, mit denen die Mitarbeiter ihre E-Mail beantworten, sowie eventuell Groupware-Software, Helpdesk-Systeme oder gar ein existierendes Telefonie-Callcenter.

Mittlerweile gibt es eine Reihe von Softwareprodukten, die speziell den Kundensupport per E-Mail unterstützt. Eines der ersten Programme war "Req", das bereits 1992 an der Northeastern University entstanden ist. Es war seiner Zeit um einiges voraus, ist aber seitdem auch nicht mehr weiterentwickelt worden. Vorteil: Es unterliegt der GNU Public Licence, ist also kostenlos erhältlich und kann auf die eigenen Bedürfnisse angepaßt werden, weil der Quellcode verfügbar ist. Das war auch der Grund, warum der Münchner Internet-Provider Spacenet das Programm für den Kundensupport gewählt hat.

Auch die amerikanische Softwarefirma Forté stand vor dem Problem, E-Mailanfragen schnell und zuverlässig bearbeiten zu müssen. Der Erfolg der via Internet vertriebenen Newsreader "Free Agent" und "Agent" verursachte eine wahre E-Mailflut. Forté löste das Problem mit einer selbst entwickelten Software, die unter dem Namen "Adanté" zum Hauptprodukt wurde. Zu den Nutzern gehören mittlerweile so renommierte Namen wie der PC-Direktversender Dell und die amerikanische Buchhandelskette Barnes & Nobles. Beides Firmen, die im Internet sehr aktiv sind und dementsprechend viele E-Mails zu bewältigen ha-ben. Mittlerweile ist Adanté ein Geschäftsbereich des Callcenter-Softwareanbieters Genesys Telecommunications Laboratories, der seit kurzem auch eine Niederlassung in München hat.

Bei Adanté landen die digitalen Anfragen in einer Warteschlange, die alle zugriffsberechtigten Mitarbeiter abfragen. Bei großem Nachrichtenaufkommen kann der Verwalter auch mehrere, thematisch gegliederte Warteschlangen anlegen. Hat sich ein Mitarbeiter eine Anfrage aus der Warteschlange genommen, bekommt er automatisch Einblick in die bisherige Korrespondenz mit diesem Kunden. Außerdem kann er weitere Informationen über den Kunden hinterlegen. Ein Hilfsmittel für Supportmitarbeiter ist eine zentrale Datenbank, in der immer wieder vorkommende Fragen und Antworten gespeichert werden. Für das Controlling des Callcenters lassen sich regelmäßig Berichte über E-Mailaufkommen und -antwortverhalten erstellen.

Der Markt für diese neue Softwaregattung ist noch in einem sehr frühen Entwicklungsstadium. IDC hat für 1998 einen Umsatz von 27 Millionen Dollar geschätzt, geht aber davon aus, daß die Nachfrage boomen wird. Für 2002 erwarten die Analysten eine Umsatzsteigerung auf 210 Millionen Dollar.

Neben spezieller Software für E-Mail-Callcenter gibt es noch eine ganze Reihe von Programmem zur Unterstützung von Helpdesk-Funktionen. Immer mehr Anbieter integrieren Funktionen für das Verteilen von eingehenden E-Mails in ihre Produkte. Wichtig dabei ist aber, daß dies nicht nur als einfaches Routing realisiert ist. Dann besteht die Gefahr, daß eine Anfrage in der Mailbox eines Mitarbeiters landet, der zur Zeit nicht zur Verfügung steht. Gerade wenn die Mitarbeiter nicht permanent für den Support eingeteilt sind, ist ein Pull-Prinzip vorzuziehen, wie die Warteschlange bei Adanté.

Zentraler Punkt bei einem Helpdesk oder Callcenter ist das Koordinieren und Verteilen der Anfragen. Da liegt es nahe, auf Groupware wie Lotus Notes zurückzugreifen, die genau hier ansetzt. Neben fertigen Lösungen kann man sich eine Notes-Anwendung aber auch ganz auf die eigenen Anforderungen maßschneidern lassen.

Sehr kontrovers eingestuft wird zur Zeit Software, die das automatische Beantworten von Kundenanfragen verspricht. Solche Programme unterziehen die Anfrage eines Kunden automatisch einer Textanalyse und gleichen sie mit einer Wissensdatenbank ab. Erste Ergebnisse sind durchaus erfolgversprechend. So hat der Onlinedienst "Blue Window" der Swiss Telecom die Effizienz des Kundensupports um 400 Prozent gesteigert. Der elektronische Kundensupport namens "Tellme" basiert auf dem Produkt "E-Serve" der Schweizer Firma AAA-Sim AG. Bei über 1000 Anfragen pro Tag bedürfen nur noch 20 Prozent einer persönlichen Beantwortung. Gerade die immer wieder gestellten Fragen werden so automatisch behandelt und geben den Mitarbeitern Zeit für kompliziertere Probleme der Nutzer.

Software zur Bewältigung der E-Mailflut ist also vorhanden. Aber das ist nur der erste Schritt. "Aus den Besonderheiten der Kommunikation mittels E-Mail ergeben sich zahlreiche Fragen für das Management des Kundendialogs", so Harald Meißner, der an der Universität Eichstätt zu diesem Thema promoviert. "Hierzu gehört neben der Definition von Zielen und Zielgruppen insbesondere die Planung, Steuerung und Kontrolle des Ablaufs der einzelnen Dialogschritte." Erleichtern wird diese Art des Kundendialoges seiner Ansicht nach das Informationsmanagement: "Die Dialogbeiträge sind bereits im Moment des Sendens beziehungsweise des Empfangs vollständig elektronisch erfaßt. Das ermöglicht weitergehende Analysen, die bei den anderen Kommunikationskanälen nicht praktikabel sind."

Letztendlich ist eine umfassende Integration der E-Mail in den internen Kommunikationsfluß wichtig. Ein so alle Kommunikationswege integrierendes Callcenter ist dann der zentrale Ansprechpartner. Dabei darf dieses Communication Center aber nicht vom Rest des Unternehmens abgekoppelt sein.

(cep)