Der kleine Unterschied bleibt im Web erhalten

Second Life entwickelt sich zum Tummelplatz für Sozialforscher. So nutzt eine Professorin der Uni Hohenheim die virtuelle Begegnungsstätte, um die elektronische Verhandlungsführung zu optimieren.

Auf Dauer kann man auch in der virtuellen Welt niemanden täuschen. Davon ist jedenfalls Prof. Mareike Schoop von der Universität Hohenheim überzeugt. Die Wirtschaftsinformatikerin entwickelt Programme, mit denen im Internet elektronische Verhandlungen gestaltet werden können. Mit dieser Software kann man sogar Zwischentöne ins Gespräch einbringen oder virtuelle Kaffeepausen einlegen. Frau Schoop erforscht unter anderem, inwieweit sich Frauen und Männer in ihrem Verhalten unterscheiden.

Dafür bietet Second Life eine willkommene Spielwiese. Die Versuchspersonen (Studenten) erfahren, worüber sie verhandeln sollen und ob sie dabei als Frau oder Mann auftreten werden. Dann basteln sie sich ihr Alter Ego, den Avatar. Während sie im Internet agieren, werden sie genau beobachtet. Am Bildschirm befinden sich diskrete Kameras, die genau registrieren, wohin die Augen sehen und wie lange sie dort verharren. Dadurch kann man zum Beispiel erkennen, inwieweit der Avatar des Partners für den Dialog überhaupt wichtig ist. Da die Studenten auch noch ihre Gedanken und Reaktionen aussprechen, lässt sich der Ablauf genau dokumentieren.

Man könnte meinen, dass Verhandlungen im Internet fairer ablaufen als in der realen Welt. Dominante Gesten, ironische Untertöne und abschätzige Mimik müssten bei textorientierten Verhandlungen entfallen. Mitnichten. Je länger der Kommunikationsprozess andauert, desto klarer wird, ob sich hinter dem weiblichen Verhandlungspartner in Wahrheit ein Mann verbirgt. Dominanzgesten lassen sich nämlich auch in Text übersetzen. Und damit kommt man dem Mann hinter der Avatar-Frau (und umgekehrt) schnell auf die Schliche.

Doch worin unterscheiden sich Männer und Frauen? „Frauen versuchen eine Lösung zu finden, bei der jeder gewinnt“, so Frau Schoop. Männer hingegen fechten häufiger einen Verteilungskampf aus. Sie denken, dass jeder Vorteil des anderen automatisch zu eigenen Verlusten führe. Die Wissenschaft nennt das „Integrativ versus Distributiv“.

Die Erkenntnisse aus der Forschung sollen dabei helfen, für jede elektronische Verhandlung das optimale Team zusammenzustellen. Sie geben Hinweise, in welcher Phase besser eine Frau und wann besser ein Mann das Gespräch führen sollte. Es wird sich auch zeigen, ob die Verhandlungen in Second Life eher einem realen Dialog oder einer schriftlichen Kommunikation ähneln – oder ob man besser ganz neue Kommunikationsverfahren entwickelt. (dsc)