Der beste Kritiker ist der Nutzer

Gedächtnisspeicher und das Web

Kommunikationsforscher verwenden zur Erklärung der Informationsaufnahme das "Drei-Speicher-Modell". Es geht aus von der Annahme, dass das menschliche Gehirn mit einem Ultrakurzzeitspeicher, einem Kurzzeitspeicher und einem Langzeitspeicher arbeitet. Im Ultrakurzzeitspeicher, dem sensorischen Gedächtnis, werden Informationen lediglich maximal eine Sekunde gehalten. Für die visuelle Aufnahme einer Web-Seite ist dieser Speicher wichtig, da alle Eindrücke über die Augen aufgenommen und direkt im sensorischen Gedächtnis ausgewertet werden.

Leider schließen viele Designer aus dieser bekannten Tatsache, dass man eine Seite möglichst grell und flackernd gestalten müsse, um die Aufmerksamkeit zu gewinnen. Das ist grundsätzlich richtig, doch ob die auffälligen Signale positiv oder negativ ankommen, ist etwas ganz anderes. Die meisten Benutzer empfinden grell blinkende Werbebanner als lästig. Eine triviale Sache wie das Finden des nächsten Zeilenanfangs, was auch über das sensorische Gedächtnis geregelt wird, erregt die Aufmerksamkeit nur dann, wenn der Zeilenabstand so schlecht gewählt wurde, dass er kein flüssiges Lesen erlaubt.

Was Aufmerksamkeit erweckt hat, wird in den Kurzzeitspeicher übermittelt. Tests haben ergeben, dass die meisten Menschen in diesem Kurzzeitspeicher durchschnittlich sieben Informationen gleichzeitig verarbeiten können. Die Merkfähigkeit dauert bis zu einer Minute. Für das Web-Design ergeben sich daraus zwei Prinzipien: Einzelne Seiten nicht zu überfrachten und die Elemente möglichst klar zu ordnen. Gute Strukturen helfen, bei hohem Tempo Dinge besser und schneller aufzunehmen - denn eine Minute ist nicht viel.

Daher gilt die Strukturierung nicht nur für den Gesamtaufbau einer Seite, sondern für alle Elemente - auch für den Text. Während modernes Zeitungs- und Zeitschriftenlayout "Bleiwüsten", bei denen kaum eine Zwischenzeile oder gar ein Bild den monotonen Textfluss ansprechend gestalten, tunlichst vermeidet, geht man mit Textblöcken im Web häufig noch reichlich lieblos um. Einfache Gliederungselemente wie Absätze, Zwischenüberschriften, Gliederungspunkte, Initialen und die klassischen Auszeichnungen wie Fett und Unterstrichen sind sogar ohne Grafik zu haben.

Die Informationen des Kurzzeitgedächtnisses stehen nun Schlange, um in den Langzeitspeicher zu gelangen, in dem sie über längere Zeit abrufbar bleiben. Die Eigenart dieses Vorgangs ist, dass er nach dem Assoziationsprinzip arbeitet: Alle Informationen, die schon bekannt sind oder eine Ähnlichkeit mit bereits abgelegten Informationen aufweisen, haben eine höhere Chance, als völlig neue Infos aufgenommen zu werden. Wer Sprachen lernt, kennt dieses Prinzip und weiß auch um die Eselsbrücken, bei denen Wörter mit Bildern, Versen oder räumlichen Anordnungen assoziiert werden.

Ähnlich arbeitet die Informationsablage im Langzeitgedächtnis generell. So gilt auch hier, dass für eine optimale Benutzerführung unbedingt auf bereits bekanntes Design, Aufbau und Symbole zurückgegriffen werden muss, um die Erfolgschancen einer Site zu erhöhen.