David gegen Goliath

Die Bemühungen Microsofts, seinen Web-Browser "Internet Explorer" aggressiver als bislang zu vermarkten, tragen erste Früchte. Nach Untersuchungen von zwei Marktforschungsunternehmen wird die Spitzenposition von Netscape in den kommenden Monaten geschwächt.

Von: Bernd Reder

Immer mehr zu einem Zweikampf zwischen Netscape Communications und Microsoft entwickelt sich das Rennen um den Spitzenplatz im Marktsegment Web-Browser. Mit dem NCSA (National Center for Supercomputing), das mit "NCSA Mosaic" einen der ersten Browser entwickelte, streckte Anfang des Jahres einer der Mitbegründer der "Web-Welle" die Waffen. "Wir haben vier Jahre lang an NCSA Mosaic gearbeitet und dabei eine Menge gelernt. Jetzt ist es an der Zeit, sich auf andere Gebiete zu konzentrieren", ließ das Institut lapidar verlauten. Die "Mosaic"-Versionen für Windows, Macintosh und X Window werden nicht mehr weiterentwickelt.

Das Geschäft mit Web-Browsern machen allerdings längst andere Firmen. Unbestrittener Marktführer ist Netscape. Über den Marktanteil der Firma gibt es allerdings widersprüchliche Angaben: Das amerikanische Marktforschungsunternehmen Jupiter Communications (http://www.jup.com/) beispielsweise schätzt, daß 59 Prozent der Anwender Netscapes "Navigator" beziehungsweise dessen Nachfolger "Communicator" einsetzen. Der Anteil von Microsoft liegt nach der Studie gegenwärtig bei 21 Prozent. Allerdings erwarten die Analysten bis Ende des Jahres eine geradezu dramatische Trendwende. Der Marktanteil von Netscape soll dann nur noch 38 Prozent betragen.

Einer der Gründe für diese Entwicklung ist, so Jupiter, daß Netscape im Rennen um mehrere große Internet-Service-Provider (ISPs) und Online-Dienste den kürzeren gezogen hat. So setzt beispielsweise der Online-Dienst AOL (America Online) auf Microsofts "Internet Explorer" als Standard-Web-Browser. Hinzu kommt eine aggressive Vertriebsstrategie Microsofts. So erhalten ISPs den "Explorer" kostenlos, während sie für den "Navigator" bezahlen müssen.

Internet Explorer im Aufwind

Im Aufwind sieht auch Zona Research (http://www.zonaresearch.com/) den Browser von Microsoft. Nach einer Umfrage unter 200 Internet-Nutzern mit eigener Web-Site stieg der Anteil der "Explorer"-Nutzer zwischen August 1996 und Februar 1997 von 8 auf 28 Prozent; Netscapes Marktanteil ging dagegen um 13 Prozent auf 70 Prozent zurück. Ähnlich wie Jupiter Communications sieht auch Zona die Gründe für den wachsenden Erfolg von Microsoft in einer geschickten Marketingpolitik, unter anderem der Einbindung des "Explorer" in die eigenen Betriebssysteme sowie Exklusivabkommen mit Anbietern von Internet-Diensten. Ein weiteres Ergebnis der Studie von Zona ist, daß die meisten Firmen mehr als einen Web-Browser einsetzen. Außerdem verfolgen 52 Prozent eine "Web-Browser-Politik"; rund 38 Prozent von ihnen haben die Produkte von Netscape zu ihrem Standard-Browser erkoren, 14 Prozent die Software von Microsoft.

Eine entscheidende Rolle im "Krieg der Browser" werden die neuesten Produkte beider Unternehmen spielen. Netscape hat bereits erste Beta-Versionen des "Communicator" vorgestellt, einer Suite mit Browser, EMail und weiteren Kommunikationsfunktionen. Microsoft kontert mit der Ausgabe 4.0 des "Internet Explorer". Die endgültige Fassung für Windows 95 und NT soll im Verlauf des zweiten Quartals herauskommen. Sie bietet unter anderem einen "Web-Desktop" und bessere Möglichkeiten zum Aufrufen und Verwalten von Web-Adressen. Jupiter Communications vertritt den Standpunkt, daß Netscape mit dem "Communicator" den Schritt vom Browser zur Kommunikationssuite vollzogen hat.

Damit verbunden sei eine stärkere Orientierung am professionellen Nutzer von Internet-Techniken - Stichwort Intranet-User. Das Unternehmen laufe damit Gefahr, den Internet-Massenmarkt vollständig aus den Augen zu verlieren. Viele Funktionen, die der "Communicator" biete, seien für "Otto Normalverbraucher" uninteressant, so zumindest Jupiter.

Entscheidend für den Erfolg von Netscape beim breiten Internet-Publikum ist außerdem, ob es dem Unternehmen gelingt, sein Produkt in den Desktop der kommenden Windows-Version zu integrieren. Hier hat Microsoft Vorteile, da der "IE 4.0" ein fester Bestandteil von Windows 97 sein wird. Einen festen Stand hat Netscape dagegen bei den "Top 50" der Firmen, die im Web aktiv sind. Laut Jupiter setzten 60 Prozent von ihnen Server von Netscape ein.