Individuelles Kauferlebnis versus Datenschutz

Customer Experience Management

Möglichst viel über jeden Käufer zu wissen ist beim E-Commerce Gold Wert. Doch sollten sich die Unternehmen intensiv mit der Frage beschäftigen, was erlaubt ist und was nicht. Wer beim Customer-Experience-Management Fehler macht, dem drohen irreparable Schäden.

SAP und Salesforce.com haben in diesem Sommer durch die milliardenschweren Übernahmen von Hybris und ExactTarget deutlich gemacht, wie viel Geld sich ihrer Meinung nach mit individualisiertem Marketing verdienen lässt. In den USA sind solche Ansätze durch den lascheren Datenschutz leichter umsetzbar als in Deutschland. Aber auch hierzulande nutzen Unternehmen detailliertes Wissen über ihre Kunden. Einer von ihnen ist der Berliner Online-Händler Zalando.

Weltweit hat jedes Unternehmen, das im Versandhandel Garderobe verkauft, ein zentrales Problem: die hohe Rücksendequote. Kundinnen, die ein T-Shirt wollen, bestellen es in mindestens zwei Größen. Eins davon passt, das andere schicken sie zurück. Suboptimal ist das für beide Beteiligten. Der Kunde hat durch die Rücksendung zusätzlichen Aufwand, der Händler zusätzliche Kosten.

Zalando versucht nun, diese Rücksendequote seit einiger Zeit dadurch zu senken, dass die Kundin bei einem Teil des Sortiments vor dem Bestellen nach ihren Körpermaßen und ihrem Alter gefragt wird. Wenn sie dann optimistischerweise die Größe M bestellen möchte, rät man ihr dezent zur Größe L. Oder blendet sogar den überraschenden Satz ein: "Auf Grundlage Ihrer bevorzugten Passform wird Ihnen dieses Produkt nicht empfohlen."

Anbieter investieren Milliarden in CEM-Marketingexperten nennen die Nutzung und Verarbeitung persönlicher Daten für Marketing und Vertrieb "Customer Experience Management" - kurz CEM. Denn dieser Ansatz soll individuelle Kundenerlebnisse schaffen. Softwarehersteller und Online-Händler investieren in diesen Bereich Milliarden. Es geht darum, den Kunden möglichst genau kennenzulernen, um ihm passende und darüber hinaus individualisierte Angebote machen zu können

Die Idee ist nicht neu. Eingesetzt wurde sie schon vor einer Reihe von Jahren beim "Targeting" in der Online-Werbung. Grundlage ist die Verwendung von Cookies, und dass das Prinzip noch immer funktioniert, davon konnte sich der Autor bei der Recherche unfreiwillig überzeugen: Nach einer ganzen Reihe von Klicks auf die Seiten von Zalando erschienen auf der Startseite der "Berliner Zeitung" rechts neben dem ersten Artikel ein Kasten: "Abendkleider von Zalando...."

Das Abfragen von Körpermaßen und Alter beim Kunden setzt jeweils Cookies, das ist legal. Doch CEM bietet heute ganz andere Möglichkeiten, nämlich, solche, die der Branche viel Geld wert sind. Und die gehen weit über das hinaus, was vom Datenschutzrecht - jedenfalls in Deutschland - gedeckt ist.

Gefährlicher Irrtum hinsichtlich Facebook

Was aktuell die Fantasie von Marketingabteilungen besonders anregt, sind die Sozialen Medien. Besonders bei Facebook geben Menschen freiwillig viel Privates von sich preis. Nicht wenige Online-Händler und andere Unternehmen, die Kundendaten nutzen möchten, glauben nun, Informationen, die Menschen von sich aus öffentlich machen, könnten für Marketing- und Vertriebszwecke genutzt werden.

"Das ist ein gefährlicher Irrtum", sagt Michael Kamps, Anwalt für Informationsrecht bei der Großkanzlei CMS Hasche Sigle. "Entscheidend ist der Zweck, zu dem ich Informationen öffentlich gemacht habe. Die Tatsache, dass ich als Nutzer auf Facebook Infos freiwillig einstelle, heißt noch lange nicht, das Unternehmen sie für Marketing-Zwecke nutzen dürfen."

Michael Kamps, Anwalt für Informationsrecht bei der Großkanzlei CMS Hasche Sigle.
Michael Kamps, Anwalt für Informationsrecht bei der Großkanzlei CMS Hasche Sigle.
Foto: Michael Kamps

Einer differenzierten Betrachtung hinsichtlich Richtig und Falsch kaum zuträglich dürfte die US-Geheimdienstaffäre PRISM gewesen sein. Erweckte das Ausmaß der Sache doch den Eindruck, das Internet sei eine Art Nackt-Scanner, der uns durchsichtig macht, sobald wir ihn betreten. Warum sollte es da noch auf differenzierten Datenschutz ankommen, wird mancher denken.