Bandbreite wie Luft und Wasser

"Angriff der IP-Carrier" war das Thema einer von NetworkWorld moderierten Diskussion auf der Systems 99 in München. Fazit: Auf neue IP-Dienste und wesentlich niedrigere Preise müssen Geschäftskunden noch etwas warten.

Von: Claudia E. Petrik

Bandbreite en masse zu Billigpreisen: Mit diesem Versprechen tritt eine neue Generation von Tele-kommunikationsunternehmen in Deutschland auf den Plan. Sogenannte IP-Carrier aus den USA investieren Milliardenbeträge in weltweite Netze für Sprach- und Datendienste, die auf neuester Übertragungstechnik und dem Internet-Protokoll (IP) basieren.

Der Vorteil gegenüber den "alten" Carriern: Um bis zu 80 Prozent niedrigere Kosten und neue IP-Dienstleistungen, die mit der alten Technik gar nicht möglich seien. Dagegen argumentieren die etablierten Carrier, daß sich IP-Netze noch nicht im großen Maßstab bewährt haben. Sie pochen auf die Zuverlässigkeit der herkömmlichen Netze. Bis Geschäftskunden hierzulande spürbar von den IP-Netzen der neuen Carrier profitieren können, müssen sie sich noch etwas gedulden. Dies zeigte die Podiumsdiskussion im Systems-Studio, welche die Redaktion NetworkWorld zusammen mit der Messe München und Diebold veranstaltete.

IP ist kein Allheilmittel

Den Grund, warum die Amerikaner IP als Allheilmittel für alles betrachten, sieht Dr. Wulf Bauerfeld von der Telekom-Tochter T-Nova darin, daß die Netze in den USA noch nicht digitalisiert seien. Deutschland habe das bereits hinter sich. "ISDN hat eine Reihe von Dienstelementen, die IP-Telefonie heute noch nicht bietet", so Bauerfeld, Abteilungsleiter für innovative Internet-Produkte und -Projekte. Dagegen hatte Robert Mirbaha, Geschäftsführer des IP-Carriers Level 3, eindeutige Einwände: "Ein neuer Carrier kann sich die ganze alte Vermittlungstechnik sparen, die 20 oder 30 Millionen Dollar kostet und für die er ein Heer von hochbezahlten Spezialisten vorhalten muß." Es gehe lediglich darum, Dienste mit derselben Qualität anzubieten, so daß der Endverbraucher gar nicht merke, daß es IP ist. Edgar Schnorpfeil von Global Telesystems (GTS), die heuer unter anderem Esprit Telecom gekauft hat, räumte ein, daß ein alternativer Carrier in Deutschland heutzutage noch alte und neue TK-Technik vorhalten müsse: "In Deutschland brauchen wir die alte Vermittlungstechnik, um Telefonate von der Telekom auf der letzten Meile zu übernehmen. Wenn wir das in IP umsetzen, kostet das Geld, das wir uns sparen können."

Die Gefahr von Überkapazitäten sehen die Podiumsteilnehmer nicht. "In unserem Backbone wächst der Bandbreitenbedarf pro Jahr mit mehr als 1000 Prozent", konstatierte Stephan Deutsch, Unternehmenssprecher von Uunet. Wieviele Pakete durch ein Glasfaserkabel passen, sei nicht die entscheidende Frage, sondern was mit den Daten auf der anderen Seite passiere. Die Routertechnik sei noch lange nicht soweit. "2,4 GBit/s und auch 10 GBit/s lassen sich heute stabil routen, aber Terabit/s im Internet zu routen ist unmöglich", so Deutsch. Solche Systeme müßten die Hersteller erst noch bauen.

Dem konnte Unternehmensberater Hubert Martens nur zustimmen. "Wenn ich bei dem einen Carrier in Deutschland günstig angeschlossen bin, hilft mir das nichts. Er muß ausreichende Kapazitäten in den USA und anderen Zielländern haben, um die Daten dorthin transportieren zu können." Der Geschäftsführer des Münchner Unternehmens MultiNet sieht zwei Arten von Carriern als ernstzunehmende Mitspieler im künftigen Markt: "Das sind zum einen die Newcomer wie Level 3, die ganz klar auf IP gesetzt haben, und zum anderen die klassischen Carrier, die zusätzlich Value Added Services anbieten", so Martens. Doch die hätten einen erheblichen Klotz am Bein, nämlich die alte Sprachinfrastruktur, die immer weniger wertgeschätzt werde. Deswegen sei die globale Orientierung bei der Bewertung von Providern sehr wichtig.

Auf die Frage, was die Telekom denn mit dem Klotz am Bein mache, antwortete Bauerfeld: "Die Telekom hat im Weitverkehrsbereich ISDN, ATM, Frame-Relay und X.25, und über all diese Netze können wir IP-Pakete schicken." Das Teuerste sei immer noch die Vermittlung, solange die großen Routerfirmen ihre Router und Switches nicht verschenkten. Dieses Argument wollte Hubert Martens nicht gelten lassen: "Die Telekom muß nach eigenen Angaben bis zu 40 Prozent ihres Umsatzes dazu aufwenden, um Gebühren zu zählen." Die Frage sei, wie sie das in Zukunft handhaben wolle. "Ich prognostiziere, daß mit der IP-Technik in Zukunft Flat-Rate-Konzepte massiv kommen werden."