Backbone-Traffic mit Qualität

Priorisierung

Anders als ATM besitzen IP-Techniken keine im Standard festgeschriebenen Diensteklassen, so dass die verschiedenen Datenströme im Netzwerk grundsätzlich gleichberechtigt um die verfügbare Bandbreite konkurrieren. Was sich sehr demokratisch anhört, führt in der Praxis häufig dazu, dass für das Unternehmen weniger wichtige Datenströme die kritischen Anwendungen ausbremsen. Darum eignen sich die meisten real existierenden Netzwerke nicht für verzögerungsempfindliche Anwendungen. An dieser Stelle kommt die Intelligenz der Switch-Router ins Spiel. Sie bieten außer Multi-Layer-Routing, IP-Multicast-Funktionen wie Spanning Tree und VLANs nach IEEE 802.1Q auch Priorisierungsfunktionen. Priorisierung reicht zwar nicht ganz an die strikt zugesicherten Dienstqualitäten von ATM heran, bevorzugt aber bestimmte Datenströme gegenüber anderen. Auf diese Weise lassen sich vorhandene Engpässe im Netz beseitigen, wenn keine gravierenden Architekturschwächen unbemerkt im Netz lauern. Denn was theoretisch technisch möglich ist, scheitert in der Praxis häufig an den Altlasten, die jedes Netzwerk und jede IT-Anwendungslandschaft mit sich herumschleppt. Dieser Umstand erschwert auch die Fehlersuche, wobei die Ursache eines Engpasses in einem priorisierten Netz durchaus auch im Layer-3-Switch selbst liegen kann. Je nach Implementierung der Funktion werden die wichtigeren Daten mit höherem Anteil der verfügbaren Bandbreite befördert, im Extremfall werden die weniger wichtigen Daten bei Überlast vom Switch verworfen. Das kann sich in der Praxis wiederum sehr negativ auswirken und zu ungewünschten Anwendungsausfällen führen.

Ein Blick hinter die Kulissen: Priorisierung lässt sich nicht als eine Funktion isoliert betrachten, mehrere Mechanismen greifen ineinander und führen schließlich zu der gewünschten Wirkung, dass die Anwendung A mehr Bandbreite erhält als Anwendung B und Anwendung C mit einem geringen Rest an Kapazität befördert wird, ohne auszufallen. Der Standard IEEE 802.1q definiert formal "Virtuelle Lokale Netzwerke" (VLANs) und erlaubt anhand des "VLAN-Identifiers" eine portspezifische Filterung von Datenströmen. Entsprechende Filter können anhand statischer Einträge, aber auch dynamisch definiert sein. Zu den dynamischen Einträgen gehören Registrierungsprotokolle oder Adressen, die ein Switch lernt.

Der Standard IEEE 802.1p regelt die Priorisierung von Datenströmen auf Ebene 2 und erlaubt, verzögerungsempfindlichen Verkehr bevorzugt weiterzuleiten. Er definiert acht Prioritätsstufen, die von 0 bis 7 reichen. Wenn ein Switch die Funktion standardgemäß komplett umsetzt, stellt er für jede der Klassen eine entsprechende Warteschlange oder "Queue" bereit. Verbindet man den Priorisierungsmechanismus mit spezifischen Merkmalen von Datenströmen, entsteht eine leistungsfähige Verkehrssteuerung. Erlaubt ein Switch beispielsweise das Differenzieren zwischen Unicast-Daten und Multicast-/Broadcast-Daten, lässt sich durch Priorisieren der einen Verkehrsart eine Hirarchie festlegen, die etwa Unicast-Ströme gegenüber Multicast-Strömen bevorzugt. Im Gegensatz zu den Unicast-Verbindungen, bei denen nur zwei Ports miteinander kommunizieren, sendet im Multicastbetrieb ein Port an mehrere andere und im Broadcastbetrieb sendet ein Port an alle anderen in einem Netz. Erweitert man diesen Ansatz auf IP-Adressen und Sockets- oder Portnummern, lassen sich auch Datenströme der höheren Schichten also Layer 4 bis 7 priorisieren.