Interview mit AWS-CTO Werner Vogels

Amazon lockt über Partner auch den Mittelstand

In der Unternehmens-IT konnten sich die klassischen IT-Infrastruktur-Anbieter bislang gegen den Public-Cloud-Tycoon Amazon Web Services (AWS) behaupten. Doch nun geht AWS mit Partnern in die Offensive und will so auch den Mittelstand gewinnen.

Analysten zufolge wird Amazon Web Services (AWS) im Jahr 2022 die Umsatzgrenze von 24 Milliarden US-Dollar knacken. Dabei brachte der Public-Cloud-Pionier erst im März 2006 unter Leitung von CTO Werner Vogels seinen ersten Cloud-basierten Storage-Dienst S3 ans Netz. Heute ist AWS Marktführer in diesem Geschäft. In deutschen Unternehmen konnte AWS bislang trotzdem noch nicht richtig landen. Vogels will das ändern.

Der Umsatz, den Amazon Web Services im vergangenen Jahr erwirtschaftete, wird auf über zwei Milliarden US-Dollar geschätzt. Welchen Anteil steuert das Cloud-Geschäft hierzulande dazu bei?

Vogels: Wir agieren in einem Business, in dem der Anwender im Mittelpunkt steht. Deshalb konzentrieren wir uns auf alles, was für den Kunden wesentlich ist - und Umsatzzahlen sind etwas, wofür sich Kunden gewöhnlich nicht interessieren. Deshalb geben wir hier keine Zahlen bekannt. Fakt ist: Wir sind insgesamt außerordentlich zufrieden mit unserem Wachstum, insbesondere mit der Entwicklung der Cloud Storage Services Amazon S3. Das Geschäft hat sich beschleunigt, in vielerlei Hinsicht.

Beobachten Sie diese Beschleunigung auch in Deutschland? Hier hegen Unternehmen doch große Vorbehalte gegenüber Public-Cloud-Anbietern. Auch wenn das europäische AWS Hosting Center in Irland angesiedelt ist, befürchten viele Firmen, ihre Daten könnten außerhalb der Landes- oder Europagrenzen gespeichert werden…

Vogels: Wir erfüllen im Hinblick auf Datenschutz und Datensicherheit alle Auflagen, die auch in Deutschland für den Betrieb von Rechenzentren gelten. Und wir garantieren unseren Kunden, dass die Daten zu keinem Zeitpunkt Irland verlassen. Obendrein investieren wir massiv in neue Sicherheitstechnologien, beispielsweise bei der Verschlüsselung. Kunden können deshalb ihre Daten in unserer Cloud speichern, ohne befürchten zu müssen, dass Unbefugte auf ihre Daten zugreifen können.

Planen Sie in Deutschland eigene Rechenzentren?

Vogels: Aktuell gibt es dazu keine Pläne.

Unternehmen mit Cloud-Plänen wollen sicher gehen, dass sie Dienste und Daten wieder zurückholen können, wenn sie den Anbietern wechseln oder die Dienste wieder hausintern betreiben möchten. Sie versprechen, dass es bei AWS keinen Vendor Lock-in gibt. Wie garantieren Sie das?

Vogels: Zunächst einmal gehören die Daten gehören immer dem Kunden. Obendrein verfügen sowohl unsere Storage- als auch unsere Datenbank-Services über vergleichsweise einfache Schnittstellen. Für den Kunden ist es also sehr leicht, Daten beispielsweise aus DynamoDB oder S3 wieder zurückz holen oder umgekehrt, in die Cloud zu migrieren - in jedem gewünschten Format. Relationale Datenbank-Services werden in exakt derselben Weise gespeichert wie in jeder relationalen Datenbank. Kunden können also dieselben Export-Tools nutzen, die sie beispielsweise bereits für ihre Oracle- Server einsetzen, um Daten zu importieren oder exportieren. Kunden, die eine größere garantierte Bandbreite benötigen, bieten wir beispielsweise via Direct Connect einen direkten High-Speed-Link zwischen ihren On-premise-Diensten und den AWS-Cloud-Services.

Erstreckt sich diese Offenheit auch auf das Management der jeweiligen Dienste?

Vogels: Wir haben in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass Dienste in der Cloud und On premise reibungslos zusammenspielen. So ermöglicht es beispielsweise das Storage Gateway, Daten, die der Kunde gewöhnlich hausintern speichert, sehr einfach in die Cloud zu verlagern, aber weiterhin hausintern zu managen.

Der Kunde kann also für das Backup seiner Daten die Cloud nutzen und falls gewünscht die Daten auch aus der Cloud heraus wiederherstellen. Ein weiteres Beispiel ist ein Virtual-Private-Cloud-Produkt, mit dessen Hilfe Kunden eigene Netzwerk-Tools einem Dienst aus der Cloud zuordnen und diesen über ein VPN mit dem eigenen Rechenzentrum verbinden können. Der Cloud-Dienst lässt sich damit wie eine Erweiterung des eigenen Rechenzentrums verwalten und nutzen - und das mit denselben Security- und Netzwerk-Tools, die der Kunde bereits im eigenen Rechenzentrum einsetzt.

Wie positioniert sich AWS gegenüber traditionellen IT-Anbietern wie HP, IBM, Fujitsu & Co, die vehement in neue Cloud-Angebote investieren?

Vogels: Viele traditionelle Player verfolgten über viele Jahre hinweg die Strategie, Kunden an ihre Technologie zu binden. Die einzige Möglichkeit für Kunden, den Preis für die Dienste und Ausstattung zu senken war es, langfristige Verpflichtungen einzugehen. AWS setzte dagegen von Anfang an auf offene Technologien. Hinzu kommt unser starker Fokus auf Innovationen und Preisreduzierungen. 2012 haben wir 159 neue Services und Updates gelauncht, in die das Feedback der Kunden eingeflossen ist. Allein im ersten Quartal 2013 kamen noch einmal 53 neue Angebote hinzu.

Fast alle traditionellen Anbieter setzen inzwischen verstärkt auf Open-Source-Technologien - beispielsweise auf OpenStack. Das Argument "kein Vendor Lock-in" ist deshalb kein AWS-Alleinstellungsmerkmal mehr…

Vogels: All unsere Dienste basieren auf offenen, standardisierten APIs - mehr Standardisierung geht nicht. Die Services wurden von Grund auf so entwickelt, dass Kunden sehr einfach von einer Umgebung zu einer anderen migrieren können. Entsprechend sind auch unsere Verträge so gestaltet, dass der Kunde beispielsweise jederzeit zu einem anderen Anbieter wechseln kann. Er behält die volle Kontrolle.

Hinzu kommt, dass wir das Geschäftsmodell "niedrige Gewinnspannen bei hohem Volumen" exzellent beherrschen. Vielen anderen Anbietern fällt es dagegen schwer, ein niedrig-margiges, hochvolumiges Geschäft abzubilden, weil ihr Geschäft historisch bedingt auf einem ganz anderen Modell fußt.
Die Vorteile, die wir durch Skaleneffekte erreichen, reichen wir den Kunden in Form von günstigeren Angeboten weiter. Wir wollen IT für den Kunden so günstig machen, dass er sich über Kosten keine Gedanken mehr machen muss.

Der Kunde soll IT so nutzen, wie er das Licht an- und ausknipst. Unser Ziel ist es, dem Kunden IT-seitig alles zu ermöglichen, wovon er träumt - ohne Einschränkung. "Power at your fingertips" nennen wir das. Das ist der Kern der Transformation.