Interpol

Polizeikongress warnt vor mehr Hacker-Attacken

Wer beim Polizeikongress zuhört, dem kann angst und bange werden: wachsende Internetkriminalität, schlechte Grenzkontrollen. Die gute Nachricht: Es gibt eigentlich gute Technologie. Wird sie eingesetzt?

Im Internet rollt eine neue Kriminalitätswelle und alle Länder müssen sich auf immer schlimmere Hackerattacken einstellen - mit solchen Warnungen hat am Dienstag der Weltkongress der internationalen Polizeiorganisation Interpol begonnen. Grenzen seien immer noch zu porös und organisierte Verbrecherbanden und Terroristen machten sich das zunutze, warnten Sicherheitsexperten. Ermittler und Spezialisten aus drei Dutzend Ländern beraten im asiatischen Stadtstaat Singapur drei Tage über Cyberkriminalität, Grenzsicherheit und andere Sicherheitsthemen.

Kriminelle und Sicherheitsexperten lieferten sich ein Wettrennen, wer im digitalen Zeitalter die Nase vorn habe, sagte Singapurs Staatssekretär S. Iswaran, der auch vor folgenschweren Hackerattacken warnte. "Je mehr wir von Technologie abhängig werden, desto größer ist das Risiko, von Attacken betroffen zu sein", meinte Rik Ferguson von der Sicherheitsfirma Trend Micro. Bei Cyberkriminalität geht es vor allem um Betrug, Datenklau und Sabotage. Das US-Institut CSIS schätzt die jährlichen Verluste durch Cyberkriminalität in Deutschland auf 43 Milliarden Euro.

Bei einer Umfrage der Sicherheitsfachzeitschrift WIK unter 160 Unternehmern sagten 60 Prozent, sie seien in den vergangenen zwei Jahren von Cyberattacken betroffen gewesen, wie das VdS-Institut für Unternehmenssicherheit am Dienstag berichtete. Das sind genauso viel wie vor fünf Jahren - ein Hinweis, meint die VdS, dass viele Unternehmen sich immer noch nicht besser schützen.

Interpol hatte am Montag in Singapur ein neues Forschungszentrum für den Kampf gegen Kriminalität im Internet gegründet. Die Kosten von Cyberkriminalität lägen jährlich bei mehreren hundert Milliarden US-Dollar, sagte Günter Krings, Staatssekretär im Bundesinnenministerium in Berlin, in Singapur. Die Experten beraten bei dem Kongress, wie Sicherheitslücken im Internet geschlossen werden können.

"Das Internet ist grenzenlos und global, aber bei der Reaktion darauf hängen Sicherheitskräfte in verschiedenen Rechtssystemen fest", meinte Madan Oberoi, der das Zentrum in Singapur leitet. Ein gutes Beispiel für länderübergreifende Zusammenarbeit sei aber der Schlag gegen das Botnetz Simda, das weltweit 770.000 Computer infiziert hatte. In den Niederlanden wurden nach monatelangen Ermittlungen gerade zehn Kontroll- und Kommandoserver vom Netz genommen, ebenso in den USA, Russland, Luxemburg und Polen. Festgenommen wurde nach Interpol-Angaben aber noch niemand.

Auch das Thema Grenzsicherheit kam zur Sprache. Bei 1,5 Milliarden internationalen Passagieren 2017 reichten die herkömmlichen Grenzkontrollen nicht aus, um Kriminelle und Terroristen herauszufiltern, hieß es im Programm.

Referent Mark Joynes malte beängstigende Szenarien an die Wand: "43 Prozent mehr Terrorismus 2014, 16.000 ausländische Kämpfer im Einsatz (Januar 2014), 40 Millionen Pässe verloren oder gestohlen (bis März 2014), 22 Prozent mehr Waffen im Gepäck entdeckt - das überwältigt Grenzkontrolleure und ihre Infrastruktur", hieß es auf einer seiner Powerpoint-Folien. Joynes ist Direktor für Produktmanagement bei der US-Firma Entrust Datacard, die verschlüsselte Datentechnik anbietet.

Nach Angaben von Attila Freska von der Firma Securiport nutzen nicht einmal 20 Länder die Interpol-Datenbank über gestohlene und verlorene Pässe. So hätten im März 2014 etwa zwei Iraner an Bord des verschollenen Flugs MH370 gelangen können, die mit gestohlenen europäischen Pässen reisten. Sie wurden an der Passkontrolle nicht aufgehalten. Viele Grenzposten, vor allem außerhalb von Flughäfen, hätten die Geräte nicht, um Pässe richtig zu prüfen. "Die Technologie ist da, aber sie muss auch eingesetzt werden." (dpa/mje)