Digitaler Nachlass

Was mit den Online-Daten Verstorbener geschieht

Bis das Web euch scheidet: Je digitaler ein Menschenleben wird, desto wichtiger wird die Frage, was mit den digitalen Hinterlassenschaften geschieht, wenn ein Mensch nicht mehr lebt. Eine Antwort darauf ist gar nicht so einfach.

Schluss. Aus. Ende. Am Ende eines Menschenlebens steht der Tod. Das Nichts. Das Paradies. Oder was auch immer man glauben mag. Am Ende eines Internetlebens hingegen steht ein großes Fragezeichen. Was ist mit den zahllosen digitalen Identitäten, den Social-Network-Profilen, den E-Mail-Postfächern, den unzähligen elektronischen Unterlagen, digitalen Familienfotos, persönlichen MP3- und Filmsammlungen, die auf Festplatten, DVDs, USB-Sticks und im Web schlummern, wenn ihr Besitzer nicht mehr da ist?

Hand aufs Herz - wer hat sich schon einmal mit dem eigenen Tod beschäftigt? Na klar, wenn jemand stirbt, der einem nahesteht, kommen wohl jedem die Gedanken zumindest kurz in den Kopf. Doch welcher "Digital Native", also nach 1980 Geborene, hat sein Testament heute bereits gemacht und dabei seine digitalen Daten mit berücksichtigt? Ist es doch gerade diese Altersgruppe, die zu großen Teilen online lebt, mehr digitale Freundschaften als persönliche pflegt, wichtige Verträge und Dokumente nur noch digital verwaltet, lieber via Sofortnachricht, SMS und E-Mail korrespondiert. Umso wichtiger, einmal kurz in sich zu gehen und den digitalen Nachlass zu regeln - oder zumindest zu wissen, inwiefern er überhaupt geregelt werden kann. Denn der Tod kommt - früher oder später - in jedem Fall irgendwann. Und es ist nicht anmaßend zu behaupten, dass das Internet und damit unsere digitalen Hinterlassenschaften uns alle überleben werden.

Neue Dienstleistungen

Service: Semno gibt Hinterbliebenen die Möglichkeit, den digitalen Nachlass Verstorbener prüfen zu lassen.
Service: Semno gibt Hinterbliebenen die Möglichkeit, den digitalen Nachlass Verstorbener prüfen zu lassen.
Foto: Semno.de / Screenshot: Simon Hülsbömer

"Den meisten Menschen ist nicht bewusst, was sich heute bereits in ihrem digitalen Nachlass befindet", berichtet Birgit Janetzky. Die Theologin hat vor drei Jahren Semno gegründet, einen Dienstleister, der den digitalen Nachlass Verstorbener im Auftrag der Erben regelt. Das Unternehmen analysiert deren Computer, um den Hinterbliebenen einen ersten Eindruck zu geben, welche Arten von digitalen Informationen überhaupt vorliegen. Daraus wird ein Gutachten erstellt, auf dessen Basis die Angehörigen über das weitere Vorgehen entscheiden können. Auf Wunsch kümmert sich Semno dann auch um die Kündigung von Verträgen, E-Mail-Konten oder Social-Network-Profilen.

Theologin: Birgit Janetzky bietet neben der rein technischen Dienstleistung auch Trauerbegleitung an.
Theologin: Birgit Janetzky bietet neben der rein technischen Dienstleistung auch Trauerbegleitung an.
Foto: Birgit Janetzky / Semno

Ihr theologischer Hintergrund und jahrelange Berufserfahrung in der Bestattungsbranche erlauben es Janetzky, Angehörige auch in psychologischer Hinsicht betreuen zu können, wenn ein nahestehender Mensch verstorben ist. "Wir erbringen nicht nur eine rein technische Dienstleistung", erklärt sie. Groß ist die Nachfrage trotz dieser ratsamen Kombination dennoch nicht - viel häufiger ist Janetzky als Vortragsrednerin unterwegs und referiert zum Thema "digitaler Nachlass". "Der einem Menschen nahe Tod ist ein großes Tabuthema, ganz im Gegensatz zum öffentlichen Tod in den Medien", bringt sie es auf den Punkt.