Amazon Web Services, Microsoft Azure und der Rest

Public Cloud-Anbieter im deutschen Mittelstand

Über 85 Prozent der deutschen mittelständischen Unternehmen setzen sich intensiv mit dem Thema Cloud auseinander und befinden sich in der Planung, Implementierung oder bereits im produktiven Betrieb. Dabei werden Single-Cloud-Architekturen in Zukunft der Vergangenheit angehören. Hingegen finden sich deutsche mittelständische Unternehmen mehrheitlich in hybriden und Multi-Cloud-Architekturen (68,8 Prozent) wieder.

Im Rahmen einer Zwei-Welten-IT repräsentieren Public Cloud-Umgebungen den dynamischen Anteil, der heute vorwiegend für die Entwicklung und den Betrieb digitaler Geschäftsmodelle und neuartiger Applikationen genutzt wird, um unter anderem von dessen Skalierbarkeit, Flexibilität und globaler Reichweite zu profitieren. Spätestens bei der Migration bestehender beziehungsweise der Planung neuer Workloads stellt sich die Frage, welcher Public Cloud-Anbieter wesentlicher Bestandteil der Cloud-Strategie sein wird.
Insbesondere im Kontext von Multi-Cloud-Strategien, wird sich die Auswahl zyklisch verändern bzw. erweitern. Dennoch existieren Parameter, die als wesentlicher Bestandteil der Cloud-Strategie und der individuellen Anforderungen von einem Anbieter zu erfüllen sind.

Die Frage nach diesen Parametern und dem derzeit attraktivsten Public Cloud-Anbieter ist Crisp Research in der Studie „Multi-Cloud-Management im deutschen Mittelstand“ nachgegangen, die im Auftrag der Nexinto GmbH 222 deutsche mittelständische IT-Entscheider befragt hat.

Integrierbarkeit der Public Cloud ist Kriterium Nummer Eins

Gefragt nach den wesentlichen Kriterien, die während der Anbieterauswahl im Vordergrund stehen, antworteten 45 Prozent der befragten Entscheider, dass insbesondere die Integrationsmöglichkeiten, also die reibungslose Eingliederung der Public Cloud in den gesamten Infrastruktur-Stack, wichtig ist. Dies ist insbesondere bei hybriden Szenarien und Multi-Clouds wichtig, da hier die einzelnen Infrastruktur-Bausteine optimal abgestimmt sein müssen.
Doch auch für reine Public Cloud-Projekte ist eine einfache Integration entscheidend. Denn kaum ein Unternehmen wird die Public Cloud und deren Workloads als reine Insellösung betreiben. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass bestehende Workloads in die neue Umgebung migriert werden, sind Integrierbarkeit und zahlreiche Schnittstellen ein teures Gut.

Ein weiteres wichtiges Kriterium ist für 38 Prozent der befragten Entscheider die Performance der gewählten Cloud-Lösung. Wie zuvor bereits angesprochen sind es insbesondere die Workloads der Dynamic IT, die maßgeblich für die neuen Infrastrukturkonzepte vorgesehen sind, sehr stark von der bereitgestellten Leistung abhängig. Anbieter, die sich als Teil der neuen Dynamic IT-Welt verstehen, sollten daher ohnehin die Performance als eines der Haupt-Augenmerke optimiert wissen.

Natürlich spielen bei der Auswahl des Anbieters auch die Kosten eine große Rolle. 37 Prozent der befragten Entscheider schauen neben anderen Faktoren vor allem auf den Preis. Letztlich sollten die Anwender ihren Anbieter im ersten Schritt in einer Preis-Performance-Relation messen. Damit ist gewährleistet, dass man zwar nicht den besten Preis oder die beste Performance erhält, dennoch aber in der Kombination eine Wahl trifft, die nicht den Budget-Rahmen sprengt und dennoch leistungsfähig genug ist, um den wachsenden Anforderungen gerecht zu werden.

Nach welchen Kriterien wählen Sie einen Public Cloud Anbieter aus?
Nach welchen Kriterien wählen Sie einen Public Cloud Anbieter aus?
Foto: Crisp Research AG, 2015

Zwar ergeben sich bei den bisher genannten wichtigsten Faktoren immer wieder Unterschiede. Allerdings sind speziell die Integrationsmöglichkeiten der Public Clouds überwiegend auf einem ähnlich hohen Niveau.

Im Public Cloud-Umfeld haben sich somit Vielfalt und Kompatibilität der Lösungen als neue Abgrenzungsmerkmale definiert. So können eine breite Produktpalette (35 Prozent) und die Anbindung zu externen Services wie zum Beispiel OpenStack (28 Prozent) immer häufiger als Argument für und gegen eine Lösung dienen. Hier sind die Anbieter derzeit massiv dabei, mit Microservices und Partnerschaften aufzuwarten, um somit den Wettbewerb hinter sich zu lassen.

Amazon AWS und Microsoft Azure legen das Tempo vor

Auf Basis der getroffenen Anforderungen an die Public Cloud-Anbieter beginnt die eigentliche Anbieterauswahl. Die Entscheider wurden befragt, welche Cloud-Anbieter Teil der Cloud-Strategie ihrer Unternehmen sind. Hier ist es unabhängig davon, ob sie als Teil einer Hybrid oder Multi-Cloud-Strategie dienen oder ob sie das Angebot exklusiv als Public Cloud-Infrastruktur nutzen wollen. Auch der derzeitige Planungsstand ist hier irrelevant. Die befragten Entscheider können entweder zukünftig planen, den Anbieter zu evaluieren, einen Einsatz bereits prüfen oder den Deal schon unter Dach und Fach gebracht haben.

Im Mittelstand bestätigt sich die Marktführerschaft von Amazon Web Services (AWS). 82 Prozent der befragten Entscheider haben die Public Cloud von AWS auf dem Radar oder bereits im Einsatz. Insbesondere das sehr breite Ökosystem, ein umfangreiches Portfolio und zahlreiche Micro- und Platform-Services sowie eine hohe Innovations- und Releasefrequenz sind klare Argumente, die AWS derzeit ein starkes Momentum und eine breite Wahrnehmung verschaffen. In Anlehnung an einen früher leicht abgewandelt genutzten Slogan gilt heute: „No ever got fired for buying AWS“.

Doch AWS ist bei weitem nicht der einzige Public Cloud-Anbieter, der auf dem Radar der Entscheider ist. Insbesondere Microsoft Azure ist mittlerweile technisch und hinsichtlich der Portfolio-Breite auf Augenhöhe mit AWS. Darüber hinaus ist es wahrscheinlich, dass die Integration von Microsoft Azure in die bestehenden IT-Architekturen der Mittelständler tendenziell leichter fallen sollte als die Integration anderer Cloud-Lösungen. Denn bei nahezu jedem Mittelständler sind bereits heute Lösungen aus dem Microsoft-Stack im Einsatz. Daher haben bereits 53 Prozent der Mittelständler Microsoft Azure auf der Liste der zu evaluierenden Cloud-Services beziehungsweise im Einsatz. Weitere wichtige Public Cloud IaaS-Player sind IBM Softlayer (27 Prozent), Google Cloud Platform (24 Prozent), Dimension Data (21 Prozent), Interoute (18 Prozent) und ProfitBricks (15 Prozent). Die HP Helion Public Cloud, welche Ende Januar 2016 ohnehin eingestellt wurde, ist nur bei 3 Prozent der Mittelständler interessant und spielt damit keine Rolle in der Gesamtbetrachtung.

Welche folgenden Public Cloud-Plattformen (IaaS, PaaS) sind Teil Ihrer Cloud-Strategie?
Welche folgenden Public Cloud-Plattformen (IaaS, PaaS) sind Teil Ihrer Cloud-Strategie?
Foto: Crisp Research AG, 2015

Auch nennenswert ist die SAP HANA Cloud Platform, also die Cloud-Lösung, die SAP rund um die In-Memory-Technologie HANA aufbaut. Denn mit SAP HANA werden zukünftig insbesondere die Datenbank-Operationen deutlich optimiert. Verglichen mit klassischen relationalen Datenbanken werden die In-Memory-Technologien als Grundlage für diverse Workloads rund um Big Data Analytics oder auch andere datengetriebene Workloads wie für das Internet of Things (IoT) besonders gut geeignet sein. Der Aufbau der SAP HANA Cloud Platform ist derzeit in vollem Gange und es ist zu erwarten, dass die Wahrnehmung auch im Mittelstand noch weiter steigen wird.

PaaS-Plattformen, die immer enger mit IaaS-Angeboten verschmelzen, da Microservices und Entwicklungsumgebungen auf beiden Varianten gefordert sind, erhalten ebenfalls Aufmerksamkeit. So sind die Angebote IBM Bluemix (9 Prozent), cloudControl (11 Prozent) und Salesforce 1 (13 Prozent) bei gut jedem 10. Unternehmen in der Cloud-Strategie verankert. Allerdings muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass cloudControl im Dezember 2015 Insolvenz anmelden musste und seinen Dienst zum 29. Februar 2016 eingestellt hat.

US-amerikanische Startups und VMware: Public Cloud Management boomt

Nachdem Unternehmen begonnen haben, umfangreiche Public-, Hybrid- oder Multi-Cloud-Architekturen aufzubauen, wurde erkannt, dass für den Aufbau und Betrieb der flexiblen Umgebungen deutlich mehr Standardisierung und Kontrolle erforderlich ist als bis vor kurzem ermöglicht war.

Daher haben sich einige, meistOpen Source-basierte Werkzeuge zum Teil rasant entwickelt, die heute als reife, hochspezialisierte Produkte in keiner Cloud-Architektur der neuen Generation fehlen dürfen. Auch alle befragten Entscheider haben angegeben in Zukunft wenigstens eines solcher Werkzeuge für den Betrieb ihrer Public-, Hybrid- oder Multi-Cloud-Architekturen zu nutzen.

Ganz oben auf der Liste stehen die für die meisten bekannten Tools von VMware wie beispielsweise der vCloud Director, VRA oder vSphere. 43 Prozent der Entscheider erachten den Einsatz als notwendig, in 34 Prozent der Unternehmen ist er auch konkret geplant.

Welche Werkzeuge für das Public Cloud Management, der Automation und Orchestrierung sind Ihnen wichtig und was planen Sie einzusetzen?
Welche Werkzeuge für das Public Cloud Management, der Automation und Orchestrierung sind Ihnen wichtig und was planen Sie einzusetzen?
Foto: Crisp Research AG, 2015

Ebenfalls sehr bekannt ist das Open-Source-Framework OpenStack, auf welches viele Anbieter wie beispielsweise HP beim Aufbau ihrer Cloud-Infrastrukturen im eigenen oder im Kunden-Rechenzentrum setzen. Die Tatsache, dass jeder dritte Entscheider (32 Prozent) den Einsatz für wichtig erachtet und jedes vierte Unternehmen (27 Prozent) den Einsatz plant, zeigt erneut, dass OpenStack offenbar zur richtigen Zeit entstanden ist und ein großes Momentum aufweisen kann.

Ähnlich verhält es sich mit der Python-basierten Open-Source Automatisierungslösung Salt beziehungsweise Saltstack. Auch hier sehen noch 26 Prozent der Entscheider die Notwendigkeit, dieses Werkzeug für die eigene Cloud-Strategie hinzuzuziehen. Allerdings ist das konkrete Planungsstadium erst bei 13 Prozent der Unternehmen eingetreten.
Ähnlich funktionierende DevOps-Tools wie Puppet oder Chef werden ebenfalls von 10 beziehungsweise 16 Prozent der Entscheider als wichtiges Werkzeug eingeschätzt und von 9 beziehungsweise 13 Prozent zukünftig eingesetzt.
Hierbei sollte auch die deutsche Cloud-Management-Suite openQRM nicht unerwähnt bleiben, die sich bei 16 Prozent der Entscheider auf der Agenda befindet.
Die Hybrid beziehungsweise Private Cloud-Software Eucalyptus, die mittlerweile zu HP gehört, wird immerhin noch von 9 Prozent der Entscheider für wichtig befunden und für den Produktiveinsatz vorbereitet.

The Cloud is Calling – Don’t miss to lift the handset

„The cloud is the new normal“. Was für viele Unternehmen im US-amerikanischen Markt seit vielen Jahren zur Realität gehört, hat sich auf dem europäischen Kontinent und speziell im deutschen Markt nur schleppend entwickelt. Insbesondere der deutsche Mittelstand, die Hochburg vieler „Hidden Champions“, verhält sich bei neuen IT-Trends vorwiegend zurückhaltend. Und auch das Cloud Computing hat dabei keine Ausnahme dargestellt.

Wo in der Vergangenheit bei manchen IT-Trends getrost mal ein Auge zugedrückt werden konnte, kann es sich im Rahmen der digitalen Transformation hingegen kaum ein Unternehmen mehr leisten, Cloud Computing nicht in Betracht zu ziehen. Die Cloud bildet die Grundlage für den digitalen Wandel und hat bei findigen Unternehmern Kräfte freigesetzt, die zu einer Gefahr für bestehende Geschäftsmodelle und für in der Vergangenheit florierende Unternehmen geworden ist.

Insbesondere die Public Cloud hat sich in jüngster Vergangenheit als die technische Basis der Geschäftsmodelle zahlreicher zum Teil disruptiver Startups herausgestellt, die mit ihren Ideen das gewohnte Kräfteverhältnis aus dem Gleichgewicht gebracht haben. Dabei befinden wir uns erst am Anfang einer neuen Zeitrechnung, bei der ständige Veränderungen an der Tagesordnung stehen. Das Internet of Things, die Industrie 4.0 oder das Cognitive Computing stehen sinnbildlich für einen neuen Zeitgeist, der uns in den nächsten Jahren beschäftigen wird.

Die Public Cloud ist die treibende Kraft dieses Zeitgeistes. Sie steht für Innovation, Agilität und Geschwindigkeit und repräsentiert die sogenannte “Dynamic IT”. CIOs erhalten damit Zugriff auf Infrastrukturen, Plattformen und Services, um ihr Unternehmen mit IT-Ressourcen zu versorgen, die in der Vergangenheit nur unter großen Aufwendungen bereitgestellt werden konnten oder für die ein hohes finanzielles Risiko eingegangen werden musste.

Im Rahmen von Multi-Cloud-Szenarien muss das Cloud-Management als zukünftige Pflichtübung im Cloud-Betrieb sehr ernst genommen werden. Hierfür stehen zahlreiche Tools bereit, die dabei helfen, komplexe Cloud-Infrastruktur-Landschaften aufzubauen und zu betreiben. Ein wesentlicher Parameter bei dieser Disziplin ist die Auswahl des richtigen Cloud-Anbieters. Hier spiegelt die Umfrage unter deutschen mittelständischen Entscheidern die aktuelle Marktsituation sehr gut wider. Allen voran Amazon Web Services, gefolgt von Microsoft Azure treiben den Public Cloud-Markt unaufhörlich voran. Anbieter wie IBM mit Softlayer und Bluemix oder ProfitBricks aus Deutschland setzen derzeit alles daran, um den Abstand nicht zu groß werden zu lassen. Oracle oder auch VMware mit vCloud Air befinden sich auf dem Weg, müssen aber noch eine ordentliche Schippe draufpacken, um auf der Entscheider-Seite als ernsthafter Cloud-Anbieter wahrgenommen zu werden. (bw)