Virtualisierung & Co.

So bringen Sie Linux unter Windows zum Laufen

Parallel zu Wine für Linux gibt es auch für Windows ein Pendant, das Linux-Systeme und -Tools im fremden OS lauffähig macht.

Der klassische Weg Linux und Linux-Software unter Windows zu starten (neben einer Multibootumgebung) führt über eine virtuelle Maschine. Die Arbeitsweise mit einem Virtualisierer wie Vmware oder Virtualbox unter Windows unterscheidet sich nicht wesentlich von der umgekehrten Richtung unter Linux.

Für den Fall jedoch, dass dies zu umständlich ist, gibt es Pendants zu Wine und Playonlinux, die unter Windows eine Unix-API (Application Programming Interface) für Linux-Software bereitstellen. Der Einsatz dieser Komponenten, die dieser Beitrag vorstellt, setzt einige fundamentale Linux-Kenntnisse voraus und eignet sich nur für erfahrenere Anwender.

Eine ideale Lösung sind Methoden wie Cygwin insbesondere in jenen Fällen, wo öfter einmal kleinere Linux-Tools benötigt werden, die keine Virtualisierung und noch weniger ein Um-Booten rechtfertigen.

Cygwin mit erstaunlichem Umfang

Setup-Programm von Cygwin: Hier stellen Sie die benötigten Pakete mit Klick auf das runde Symbol zusammen. Die Vorgabe „Default“ wechselt daraufhin zu „Install“.
Setup-Programm von Cygwin: Hier stellen Sie die benötigten Pakete mit Klick auf das runde Symbol zusammen. Die Vorgabe „Default“ wechselt daraufhin zu „Install“.

Mit Cygwin nutzen Sie Linux-Programme ohne virtuelle Maschine. Cygwin funktioniert als Vermittlungsschicht zwischen Windows auf der einen Seite und den Linux-Programmen auf der anderen. Die wesentlichen Komponenten erscheinen in Form von DLL-Dateien (wie „cygwin1.dll“) im Ordner „/bin“ der Cygwin-Installation. Die Linux-Anwendungen finden damit die Schnittstellen und Bibliotheken vor, die sie auch bei einer lokalen Installation benötigen. Cygwin kümmert sich um die Übersetzung der Funktionsaufrufe und gibt sie dann an das Betriebssystem weiter. Das Ergebnis ist eine exzellente Bash-Shell einschließlich der meisten Kommandozeilen-Tools und eine (mehr oder weniger) friedliche Koexistenz von grafischen Linux-Anwendungen und Windows-Fenstern auf dem Windows-Desktop. Cygwin erhalten Sie auf der www.cygwin.com als ausführbare Setup-Datei für 32- und 64-Bit-Windows. Im Zweifel verwenden Sie die Tastenkombination Win-Pause, um unter den so gestarteten Basisinformationen den Systemtyp zu ermitteln. Starten Sie dann die Installation mit einem Doppelklick, und entscheiden Sie sich im ersten Schritt für eine Installationsart. Nutzen Sie am besten die Option „Install from Internet“. Danach legen Sie fest, wo sich der Stammordner der Installation befinden soll und ob Sie den Zugriff auch anderen Nutzern des Windows-Systems erlauben wollen. Das Setup möchte anschließend noch wissen, wo die heruntergeladenen Dateien abgelegt werden. Dieser Ordner bleibt dann auch später der Zielort für Pakete, die Sie nachträglich installieren. Jetzt suchen Sie sich noch einen (im Prinzip beliebigen) Mirror-Server aus, von dem Sie die Programme herunterladen.

Viel Linux, wenig Windows: Mit Cygwin arbeiten Linux-Desktop und Windows friedlich nebeneinander, in diesem Fall ist es eine XFCE-Umgebung.
Viel Linux, wenig Windows: Mit Cygwin arbeiten Linux-Desktop und Windows friedlich nebeneinander, in diesem Fall ist es eine XFCE-Umgebung.

Danach gelangen Sie zum wichtigsten Dialog der Setup-Routine, denn hier müssen Sie entscheiden, welche Programmpakete Sie installieren wollen. Treffen Sie keine Auswahl, installiert Cygwin lediglich ein Terminal. Viele Cygwin-Benutzer übergehen diesen wichtigen Schritt unbedacht und sind anschließend enttäuscht, außer dem Terminal keine Linux-Anwendungen vorzufinden. Installieren Sie hier zum Beispiel alle Pakete unter „Xfce“ oder unter „X11“. Dazu müssen Sie nur neben dem Eintrag das kleine Symbol „Default“ anklicken, das sich dann zu „Install“ ändert. Eine detailliertere Komponentenauswahl lässt sich auf Wunsch in der unten aufklappenden Liste treffen.

Haben Sie die Wahl abgeschlossen, beginnt die Übertragung der Programmpakete. Je nach Menge der ausgewählten Pakete kann dieser Schritt einige Zeit beanspruchen und auch beträchtliche Datenmengen produzieren.

Fehlende Programme für Cygwin: Über die ursprüngliche Setup-Datei lässt sich der Software-Umfang jederzeit nachträglich erweitern. In diesem Beispiel installieren wir den Midnight Commander nach.
Fehlende Programme für Cygwin: Über die ursprüngliche Setup-Datei lässt sich der Software-Umfang jederzeit nachträglich erweitern. In diesem Beispiel installieren wir den Midnight Commander nach.

Das virtuelle Linux starten Sie mit einem Doppelklick auf die neu entstandene Desktop-Verknüpfung „Cygwin Terminal“. Damit erscheint ein klassisches Linux-Terminal, mit dem Sie dann weitere, auch grafische Programme starten. Der Befehl

startxfce4

im Terminalfenster ruft eine vollständige XFCE-Arbeitsumgebung auf den Bildschirm. Diese speichert auch Optionen und Bearbeitungsstände.

Um statt eines kompletten Linux-Desktops ein einzelnes grafisches Programm zu laden, laden Sie mit dem Cygwin-Terminal erst einmal den X-Server mit

startx

Danach erhalten Sie in einem Xwin-Fenster erneut eine Konsole, in der Sie dann beliebige grafische Programme starten – etwa den Dateimanager Thunar mit der Eingabe thunar.

Vorgabe in den Andlinux-Voreinstellungen: Gönnen Sie dem virtuellen Linux besser deutlich mehr Arbeitsspeicher, sofern es die RAM-Ressourcen zulassen.
Vorgabe in den Andlinux-Voreinstellungen: Gönnen Sie dem virtuellen Linux besser deutlich mehr Arbeitsspeicher, sofern es die RAM-Ressourcen zulassen.

Breite Auswahl an Programmen für Cygwin: Welche Linux-Programme Sie aktuell aufrufen können, kontrollieren Sie einfachsten im Verzeichnis „/bin“ des Stammverzeichnisses, in das Sie Cygwin installiert haben. Den Umfang der Pakete können Sie jederzeit nachträglich anpassen. Allerdings gibt es bei Cygwin keinen Paketmanager, wie Sie ihn von Linux-Distributionen kennen. Stattdessen rufen Sie das zur Installation benutzte Setup-Programm („setup-x86-64[32].exe“) erneut auf und gehen mehrmals mit „Weiter“ bis zur Seite mit der Paketauswahl. Durch eine neue Auswahl wird der bereits vorhandene Bestand der Cygwin-Installation nicht überschrieben, sondern lediglich um die neuen Pakete ergänzt, die Sie jetzt auswählen. Aufgrund dieses einfachen Konzepts ist auch das Entfernen von Cygwin ganz einfach: Sie beenden alle Prozesse einschließlich des Cygwin-Terminal und starten den Rechner am besten einmal neu, um sicherzugehen, dass Sie keine laufende Anwendung übersehen haben. Dann löschen Sie einfach das Cygwin-Installationsverzeichnis mit dem Windows-Explorer.

Systemanmeldung auf der virtuellen Konsole: Eine grafische Anmeldung gibt es natürlich nicht. Erst nach dem Log-in können Sie Anwendungen und den Grafik-Server starten.
Systemanmeldung auf der virtuellen Konsole: Eine grafische Anmeldung gibt es natürlich nicht. Erst nach dem Log-in können Sie Anwendungen und den Grafik-Server starten.

Etwas Erfahrung im Umgang mit Linux-Systemen brauchen die Benutzer von Cygwin zweifellos. So ist nicht immer ganz einfach zu entscheiden, ob ein Programm direkt aus dem Terminal von Cygwin aufgerufen werden kann oder erst der X-Server mit startx geladen werden muss. Wer sich aber etwas in das System einarbeitet, findet in Cygwin eine schnelle Möglichkeit vor, um Linux-Programme wie Emacs, einen SSH-Server oder auch das Textsatzsystem Tex rasch zu installieren und zu benutzen. Alle Dokumente und Dateien, die Sie unter Cygwin anlegen, sind im Ordner „/cygwin/home“ innerhalb des Stammverzeichnisses der Cygwin-Installation jederzeit auch unter Windows zugänglich.