Faxe in Paketen

Faxen über das Internet hat seinen Reiz: Auf diese Weise lassen sich weltweit Dokumente zum Ortstarif versenden. Diesem Vorteil stehen einige Anforderungen gegenüber. So darf sich bei der Bedienung des Faxgeräts nichts ändern. Auch die Faxübertragung muß sich dem Internet-Protokoll anpassen.

Von: Robert Martens

Tomas Meier ist in Eile: Ein Arbeitsvertrag muß schleunigst an die Firmenzentrale übersendet werden. "Hoffentlich ist das Faxgerät nicht wieder von anderen Mitarbeitern belegt oder der Empfänger nicht wieder besetzt", befürchtet er auf dem Weg zum Fax. Wie gewohnt legt er die Sendevorlage in das Abteilungsfaxgerät ein, wählt die Nummer der Firmenzentrale in den USA und betätigt die Starttaste. Schon nach wenigen Sekunden beginnt das Gerät die Seiten einzuziehen und zu übertragen. Nach einigen Minuten sind alle zehn Seiten übertragen worden, und der Sendebericht liegt ausgedruckt vor. Meier ist erleichtert, alles hat geklappt: Der Vertrag ist in der Zentrale angekommen.

Was in dieser alltäglichen Geschichte wie eine normale Faxübertragung aussieht, ist möglicherweise ein komplexes Zusammenspiel diverser Hard- und Softwarekomponenten. Immer mehr Firmen setzen Faxserver ein, die den täglichen Faxverkehr beschleunigen, optimieren und dabei noch Telefongebühren sparen. Die Faxserver für PC-gestützten Faxversand und -empfang werden in Zukunft vermehrt durch diese intelligenteren Systeme erweitert oder abgelöst.

Stets freies Faxgerät vorhanden

Ein im Unternehmen eingesetzter IP-Faxrouter sorgt dafür, daß der Versender eines Faxdokumentes immer ein freies Faxgerät und, wenn irgendwie möglich, einen freien Faxempfänger vorfindet. Der Router nutzt ISDN-Basis- oder Primärmultiplex-Leitungen und ist an die vorhandene TK-Anlage eingebunden. Auf der anderen Seite liefern eine integrierte Ethernet-Schnittstelle und ein Multiprotokoll-Router die Verbindung zum Internet. Weitere Faxrouter, die in jedem Firmenstandort weltweit vorhanden sind oder von einem externen Internet-Fax-Provider angemietet werden, vervollständigen das System.

Das Internet für eine kostengünstige Fax-Übertragung zu verwenden ist schon seit einiger Zeit das Bestreben vieler Unternehmen. Es geht hierbei hauptsächlich um die Einsparung von Übertragungsgebühren für den Versand an ferne Ziele. Der Vorteil: feste Ortstarife und weltweit verfügbar. Fax-Routing über das Internet-Protokoll basiert immer auf dem Vorhandensein zweier Faxrouter an lokal auseinanderliegenden Orten. Beide Router haben sowohl eine IP-Verbindung zum Internet als auch eine oder mehrere Leitungen zum öffentlichen Telefonnetz.

Fax-Routing läßt sich auf zwei verschiedene Arten einsetzen:

Realtime-Routing und Store-and-Forward-Routing.

Die asynchrone (zeitversetzte) Store-and-Forward-Methode ist der am häufigsten praktizierte und beim aktuellen Stand der Bandbreite des Internets realisierbare Weg.

Heute realisierbar:

Store-and-Forward-Routing

Anders als bei einem herkömmlichen Verbindungsaufbau zweier Faxgeräte, wird beim Store-and-Forward-Routing zunächst eine Rufumleitung in der Telefonanlage aktiviert und eine Verbindung zwischen Absender-Faxgerät und dem lokalen Faxrouter aufgebaut. Dieser erhält über bestimmte Steuerdaten innerhalb des ISDN-Protokolls alle notwendigen Informationen für den weiteren Verbindungsaufbau zum tatsächlichen Ziel-Faxgerät und suggeriert dem Absender-Faxgerät das Vorhandensein einer tatsächlichen Verbindung zur Gegenstelle.

Das Dokument wird zunächst vom Faxrouter empfangen und auf einem lokalen Datenspeicher zwischengelagert. Sobald eine Seite komplett empfangen wurde, komprimiert der Router die Bildinformationen und wandelt sie in eine EMail-Nachricht um. Anhand einer festen Routertabelle für alle möglichen Vorwahlziffern bestimmt die Software die Internet-Adresse des Empfänger-Faxrouters und sendet die erzeugte Mail und damit die Bildinformationen der ersten Faxseite über das SMTP-Protokoll (Simple-Mail-Transport-Protokoll) an den entsprechenden Partner. Gleichzeitig empfängt der Router weitere Seiten oder nimmt neue Anrufe entgegen.

Das so verpackte Faxdokument gelangt wie eine EMail im Posteingang des Zielrouters an, wo es wieder dekomprimiert wird. Anhand zusätzlicher Informationen innerhalb der EMail bezüglich des Absenders und des Zielfaxgerätes baut der Router nun seinerseits eine Wählverbindung - wiederum zum Ortstarif - über das Telefonnetz zum Zielfaxgerät auf. Hierbei gibt er sich als das ursprüngliche Faxgerät aus. Anschließend versendet die Software die erste Faxseite, während weitere Seiten, die an dasselbe Ziel gerichtet sind, empfangen und dekomprimiert werden. Nach Empfang der letzten Seite schickt der Ziel-Faxrouter eine EMail an den Absenderrouter zurück, mit dem Hinweis auf den erfolgreichen Versand. Diese Daten lassen sich am Absender-Router speichern oder in Form eines Sendeprotokolls wieder an den Absender zurücksenden, um eventuelle Fehler oder Erfolgsmeldungen auszugeben.

Voraussetzung:

weltweit verteilte Gegenstellen

Dieses Verfahren erweist sich bei ausreichend vorhandener Faxrouter-Infrastruktur - bei einer genügenden Anzahl an Geräten in allen Metropolen der Welt - als eine flexible Art des kostengünstigen Faxversandes. Es ist nicht an bestimmte Durchsatzraten und Bandbreiten des unzuverlässigen Internets gebunden und kann einfach in bestehende Unternehmensstrukturen eingebunden werden. Andererseits gibt es durch den zeitversetzten Versand keine echte Rückmeldungen über den Faxversand am Absender-Faxgerät. Dieses fehlende direkte Feedback erwartet vom Benutzer eine gewisse Toleranz und eine Umgewöhnung beim Faxversand. Dies ist nicht immer als befriedigend anzusehen, da das gewohnte Sendeverhalten eines Faxgerätes fehlt. Daher wird seit einiger Zeit mit steigender Zuverlässigkeit und Bandbreite des Internets eine neue Routing-Methode erprobt, die dieses Manko beseitigen soll.

Hohe Anforderung an das Internet: Realtime-Routing

Beim Echtzeit- oder Realtime-Routing ist der dahinterstehende Rechenaufwand und die damit verbundene Faxrouter-Hardware wesentlich anspruchsvoller. Anders als beim Store-and-Forward-Prinzip werden hier alle Daten in Echtzeit übertragen, so daß eine virtuelle Verbindung zweier Faxgeräte ohne eine zeitliche Verzögerung über das Internet besteht.

Dies läuft nach folgendem Muster ab: Nachdem der Absender auf dem Faxgerät die gewünschte Nummer gewählt hat, entscheidet die Telefonanlage über eine interne Rufnummernzuweisung, ob das Gespräch direkt über eine Telefonwählleitung oder über eine virtuelle Internet-Leitung aufgebaut werden soll. Dies ist davon abhängig, ob im Bereich der gewählten Nummer ein entsprechender Faxrouter zur Verfügung steht. Ein Betrieb ohne Telefonanlage ist ebenso möglich. Hierbei muß der Anwender jedoch anstelle der gewünschten Nummer die Nummer des Internet-Fax-Providers anwählen und anschließend die gewünschte Nummer eingeben.

Aufbau von virtuellen Verbindungen über das Internet

Ist für das gewählte Ziel ein Faxrouter verfügbar, so wird der Ruf von der Telefonanlage an den lokalen Faxrouter weitergeleitet. Anhand der mitgelieferten Wahlinformationen stellt der Absender-Faxrouter nun eine Internet-Verbindung zum entsprechenden Empfänger-Faxrouter an der Gegenstelle her. Dieser wiederum baut eine Wählverbindung über das lokale Telefonnetz zum eigentlichen Zielfaxgerät auf - zum Ortstarif. Erst nachdem das Zielfaxgerät den Ruf angenommen hat, besteht eine Realtime-Telefonverbindung über das Internet.

Sowohl Sender- als auch Empfängerfaxgerät bemerken bei dieser Art der Verbindung keinerlei Unterschied gegenüber einer herkömmlichen Telefonverbindung. Beide Geräte tauschen direkt ihre Daten aus, ohne einen zusätzlichen Zeitverzug. Das Internet ist hier der Ersatz für eine Telefonleitung. Hier liegt auch die besondere Schwierigkeit bei der technischen Realisierung:

Anders als lokale Netzwerke oder standleitungsbasierte Netze innerhalb von Unternehmen ist das Internet ein öffentliches und paketbasierendes Netz, welches extremen Durchsatzschwankungen unterliegt. Genau hier liegt das Problem für Realtime-Faxrouting, da bei einer herkömmlichen Sprachübertragung über öffentliche Telefonleitungen immer eine bestimmte Bandbreite zur Verfügung steht, bei Verwendung des Internets jedoch nicht. Technisch gesehen besteht die Aufgabe eines Realtime-Faxrouters darin, eine analoge Telefonleitung über das Internet bereitzustellen.

Mit den virtuellen Faxverbindungen verhält es sich anders als mit den Internet-Telefonie-Applikationen: Während Sprachaussetzer, minderwertige Gesprächsqualität und längere Verzögerungen bei einer sprachgestützten Kommunikation allenfalls als unschön erscheinen, wirken sich diese Phänomene fatal bei einer Kommunikation zwischen zwei Faxgeräten aus.

Faxgeräte kommunizieren permanent miteinander und steuern die gesamte Kommunikation über das Fax-T.30-Protokoll. Aussetzer innerhalb dieser Kommunikation bewirken meist ein Herunterschalten der Datenrate, häufig sogar den Abbruch der Übertragung. Um diese Probleme zu kompensieren, und um überhaupt eine Faxübertragung innerhalb zeitverzögernder Netze wie dem Internet zu ermöglichen, müssen Realtime-Faxrouter einige Tricks anwenden. Hier stehen zwei Ansätze zur Auswahl:

Kompensation der Aussetzer durch Steuerung über das T.30-Protokoll: Hierbei werden Aussetzer und mangelnde Bandbreiten bei der Faxübertragung dadurch ausgeglichen, daß sowohl Sender- als auch Empfänger-Faxrouter die Faxgeräte während der Übertragung mit Hilfe des T.30-Protokolls zum Verzögern, zum Warten oder sogar zum wiederholten Senden von Datenblöcken anweisen. Durch eine geschickte Anwendung dieses Verfahrens lassen sich Netzaussetzer mit einer Zeitdauer von bis zu sechs Sekunden ausgleichen. Datenkompression mit H.323: Ursprünglich für die Übertragung von Audio- und Videodaten in lokalen Netzwerken entworfen, wird hierbei das von der ITU entworfene H.323-Protokoll verwendet, um die Netzwerkschwankungen zu kompensieren. Dieses Protokoll ist bereits weitverbreitet und wird vor allem für Videokonferenzen und Internet-Telefonie verwendet. Die Anwendung von H.323 erfordert vom Faxrouter eine hohe Rechenleistung, da alle Datenpakete in Echtzeit kodiert und dekodiert werden. Diese Art der Komprimierung kann nur durch hardwaregestützte Kompression mit Hilfe von DSPs (Digitalen Signalprozessoren) ermöglicht werden und erfordert daher einen erhöhten Hardwareaufwand gegenüber der T.30-Lösung.

Der wesentliche Vorteil bei Verwendung der H.323-Protokolls liegt darin, daß sich solche Systeme nicht nur für Fax-, sondern auch für den Sprachverkehr verwenden lassen. Über einen Faxrouter laufen gleichzeitig Faxdokumente sowie weltweite Telefongespräche zum Ortstarif. Ein wesentlicher Nachteil dieser Lösung ist die geringere Toleranz gegenüber Netzschwankungen und Verzögerungen. Diese liegt bei einem H.323-basierten System nur bei maximal zwei bis drei Sekunden.

H.323-basierte Lösungen derzeit nicht empfehlenswert

Beim heutigen Stand des Internet ist Realtime-Routing nur bedingt und auch nur in der T.30-kontrollierten Variante anwendbar. Da Netzschwankungen im Sekundentakt keine Seltenheit sind, ist das H.323-basierte Verfahren derzeit nicht verwendbar. Aber im Hinblick auf größere Bandbreiten, neue Netztechniken und schnellere Backbone-Leitungen wird die Vision einer virtuellen Telefonleitung im Internet greifbarer.

(hjs)