Dem Road Warrior auf den Fersen

Die Straßenkrieger von heute sind nicht die Vorfahren von "Mad Max", sondern hochmobile Anwender. Können Handhelds ihren Ansprüchen genügen?

Von: Andreas Th. Fischer

In den vergangenen Jahren hat sich in vielen Unternehmen ein Wandel vollzogen. Mehr und mehr Angestellte sind einen beträchtlichen Teil ihrer Arbeitszeit außerhalb der traditionellen Firmenwände tätig. Als Ergebnis wurde das "Mobile Computing" zu einem schnell wachsenden Segment des Computermarktes. Die Stelle, der in der Regel heute noch besser ausgestatteten Notebooks, nehmen nun aber nach und nach andere ein: "Personal Information Manager" (PIM), Handhelds, Organizer, "Personal Digital Assistants" (PDAs) et cetera - mit oder ohne eigene Tastatur. Die Winzlinge trumpfen durch lange Laufzeiten, Handlichkeit, geringes Gewicht und relativ niedrige Preise auf. Zudem sind sie bereits direkt nach dem Einschalten betriebsbereit. Die Lesbarkeit der kleinen Bildschirme hat sich seit den etwas verwaschenen Anfängen deutlich verbessert. Seit kurzem stehen Displays mit höheren Auflösungen, besseren Kontrastwerten und in Farbe bereit. Der Preis der bunten Mattscheiben sind jedoch verkürzte Akkulaufzeiten.

Anfang Juni zeichneten Industrievertreter auf der jährlichen Veranstaltung "Corporate Computing and Networking Expo" in Rosemont, Illinois, ein optimistisches Bild der Handheld-Zukunft. Viele Redner stimmten überein, daß mobile Kleinstrechner bald einen wichtigen Part in zahlreichen Unternehmen übernehmen werden. Nach Angaben von 3Com-President und Chief Operating Officer (COO), Bruce Caflin, verkaufen die Hersteller drei Viertel ihrer Personal Digital Assistants an gewerbliche Kunden. In seiner Eröffnungsrede bezeichnete er den Handheld-Markt als die derzeit am schnellsten wachsende Computerplattform. Und dabei schränkte er ein, daß "wir erst an der Oberfläche der vielfältigen Möglichkeiten im Organizer-Markt kratzen."

Nächster Stoß: Rapier

Derweil ist Microsoft nicht ganz zufrieden mit dem eigenen Mobilbetriebssystem "Windows CE". Auf der "Windows CE Developer Conference" in San Francisco kursierten Informationen über eine Weiterentwicklung unter dem Codenamen "Rapier". Das an die mit Windows 95 eingeführte Oberfläche angelehnte Windows CE erfordert aufgrund des gewohnten Erscheinungsbildes geringe Einarbeitungszeiten. Anwender klagen jedoch, daß häufig ein oder zwei Schritte ("Klicks") mehr nötig sind, als beispielsweise bei der Palm-Familie von 3Com. Laut Matthew Nordan, Senior Analyst bei Forrester Research, funktioniert eben nicht alles, was auf einem Desktop läuft und dabei schön aussieht, auch auf einem Taschen-PC. Das Projekt Rapier soll die Benutzeroberfläche von Windows CE vor allem bedienungsfreundlicher gestalten und den praktischen Einsatz beschleunigen.

Im derzeitigen frühen Entwicklungsstadium vermeidet Microsoft jede Diskussion über Rapier. Die mittlerweile entlassene Leiterin der 3Com-Division "Palm Computing", Robin Abrams, sei "gespannt wie ein Flitzebogen" und sofort bereit, auf erste Ergebnisse des Projektes zu reagieren, sagte Nordan auf der Entwicklerkonferenz. Vor Ende kommenden Jahres werde Microsoft jedoch kaum Resultate präsentieren. Redmond will den Windows-CE-Lizenznehmern offensichtlich das Geschäft mit den aktuellen Handheld-Generationen nicht vermiesen. Die Analysten sind indes verschiedener Meinung darüber, wie Windows CE künftig aussehen wird. Nordan rechnet mit einem einfacheren, eleganteren Interface, das Anwendern einen beschleunigten Zugriff auf Daten und Applikationen erlauben wird. Es gab auf der Windows-CE-Konferenz aber auch Stimmen, die einen radikaleren Wandel voraussagten.

Schmalspur-NT?

Sicher scheint mittlerweile eine Embedded-Version von Windows NT zu sein. Eine solche Plattform dürfte bereits in wenigen Jahren eine wichtige Rolle für die Betriebssystemstrategie des Konzerns spielen. Microsoft versucht schon heute, Windows CE als Multiplattform für Organizer, Set-Top-Boxen, Game-Stationen (inklusive einer Variante von "Direct X") sowie in sensiblen, unternehmenskritischen Bereichen zu vermarkten. Dem stehen bei professionellen Anwendern jedoch erhebliche Bedenken hinsichtlich der Stabilität und Sicherheit entgegen. Derzeit will kaum jemand Windows CE in Routern oder bei der Transaktion von Server-basierten Applikationen einsetzen.

Ein abgespecktes Windows NT benötigt deutlich leistungsfähigere Hardware als sie heute in Taschen-PCs verfügbar ist. In Rosemont wurden Informationen über eine kommende Handheld-Generation aus den Entwicklungslaboren von Xerox verbreitet. Der Organizer soll über 256 MByte RAM und bis zu 1 GByte Festspeicher verfügen. Zu einer um 300 Prozent verbesserten Lesbarkeit werde zudem die neue "Clear Type"-Technik mit höheren Auflösungen beitragen.

Drahtlose Kommunikation ist heute in den meisten Fällen nur mit Hilfe eines Mobiltelefons möglich. Ein "Wireless Communications Kit" für Windows-CE-Geräte inklusive Ka-bel und Flash-Card will Microsoft ab September in USA für unter 100 Dollar anbieten. Die Lage in Deutschland wird aufgrund hoher Mobilfunkgebühren und niedriger Datendurchsatzraten gebremst. Visionäre sprechen trotzdem bereits von der direkten und mobilen Kommunikation der Endanwender untereinander, die Dank künftiger Multifunktionsgeräte sogar weltweit geschehen könne.

Den "Palm VII" mit der Möglichkeit des drahtlosen Internet-Zugangs über den Mobilfunkbetreiber Bell South liefert 3Com bereits in Teilen Nordamerikas aus. Erst zum Jahresende soll er in ganz USA erhältlich sein. Ein baugleiches Gerät wird in Deutschland voraussichtlich nicht angeboten. 3Com befindet sich derzeit noch auf der Suche nach einem Partner, der zum einen überall in Europa präsent und darüber hinaus auch in der Lage ist, eine geeignete Infrastruktur zu bieten.

Mit GSM in Europa ist das Unternehmen nämlich nicht zufrieden. So dauere der Einwählvorgang ins Internet viel zu lange. Der hierzulande 1996 eingestellte Mobitex-Standard sei deutlich schneller. Beim Palm VII soll allein das Ausziehen der rechts angebrachten Antenne genügen, um sofortigen Kontakt mit dem Internet aufzunehmen. Die Informationsbedürfnisse der Anwender will 3Com mit dem "Palm Net" bedienen. Dabei handelt es sich um an die kleine Displaygröße angepaßte Inhalte amerikanischer Content-Provider wie Yahoo, E-Trade, ABC-News Com und das Wall Street Journal.

Außergewöhnliche Dienstleistungen wie der Zugang zu drahtloser Kommunikation und dem Palm Net sind allerdings nicht billig. Der Palm VII selbst ist beispielsweise in New York für 600 Dollar erhältlich, dazu kommen die Gebühren für die Benutzung der Kommunikationsplattform: Entweder 10 Dollar inklusive einem Volumen von 50 KByte pro Monat oder 25 Dollar und 150 KByte. Jedes zusätzliche KByte schlägt mit weiteren 0,30 Dollar zu Buche. 50 KByte entsprechen 25 bis 30 kurzen E-Mails. Palm Computing ist darüber hinaus in weiteren Bereichen tätig. Im Gespräch sind Kooperationen mit America Online (AOL) und Sun Microsystems. Denkbar ist nach Presseberichten ein Palm mit AOL-Logo.

Marktführer 3Com

Der Optimismus der Industrie bezüglich des kommenden breiten Einsatzes mobiler Kleinstrechner in Unternehmen ist auch den Zahlen zu verdanken, die verschiedene Marktforschungsinstitute in der näheren Vergangenheit veröffentlichten. So wuchs der Markt für Personal Digital Assistants laut Dataquest 1997/98 um insgesamt 61 Prozent. 3Com konnte sich mit 1,6 Millionen verkauften Geräten beziehungsweise einem Anteil von über 40 Prozent als Marktführer behaupten. Für dieses Jahr rechnet die International Data Corporation (IDC) mit knapp 9 Millionen Handhelds, die über die Ladentische gehen. Insbesondere ein Kundeninteresse nach preisgünstigen Geräten mit Palm OS oder Windows CE werde zu einem weiteren Anstieg von über 44 Prozent im kommenden Jahr führen.

Psion versucht währenddessen verlorengegangene Marktanteile mit überarbeiteten Produkten zurückzugewinnen. Der "Serie 5mx Pro" verfügt neben mehr RAM und einem schnelleren Prozessor erstmals über eine Java Virtual Machine (JVM). Das Unternehmen baut zudem mit verschiedenen Anbietern wie Compuserve und CAS Software ein angepaßtes Internet-Portal für das Gerät auf. Der beigelegte Web-Browser unterstützt sogar Frames. Der Serie 5mx Pro ist mit einem Preis von 1500 Mark allerdings nicht gerade billig. Richtig spannend wird es erst, wenn die Symbian-Allianz um Psion und das Betriebssystem "Epoc 32" erste Früchte trägt. Im Herbst soll es soweit sein.

Der Boom der Handhelds geht mittlerweile über die reine Spielerei hinaus. Viele Unternehmen und Anwender versprechen sich Wettbewerbsvorteile vom Einsatz mobiler Datenverarbeitung auf handlichen Kleinstrechnern. Die klassischen Gebiete, in welche die Handhelds mittlerweile vordringen, sind dabei Bereiche wie Außen-, Kurier- und Sicherheitsdienste, Flottenmanagement, mobile Meßwerterfassung sowie Wirtschaftsanwendungen und der Zugriff auf zentrale Firmendatenbanken.

Manager mobiler Clients

Lösungen wie der in früheren Versionen unter dem Namen "ISO-Multilink" angebotene "Mobile Manager" der deutschen Softwareschmiede Isoft erlauben die Anbindung von Handhelds an SAP R/3, Lotus Notes und sogar an Mainframes. Die Middleware Mobile Manager kann nach Angaben des Herstellers für alle üblichen Client/Server-Anwendungen auf TCP/IP-Basis eingesetzt werden. Sie kommunizieren dabei ohne weitere Anpassungen über den Winsocket-Standard. Der Server verlangt von den mobilen Anwendern eine Authentifizierung und schützt sich durch eine Firewall auf Applikationsebene. Die Parameter der Authentifizierung sind dabei flexibel, so kann der Server die Seriennummer der installierten Client-Software, die Hardware-ID der Geräte (sofern dort implementiert), die Rufnummer des verwendeten Mobiltelefons sowie Name und Paßwort des Nutzers überprüfen. Optional können die Verbindungen auch verschlüsselt werden.

Am Eingang des Firmennetzes steht ein in Teilen seiner Funktionalität mit einem Store-and-Forward-Gateway vergleichbarer Mobile-Manager-Server. Er läßt Daten transparent aus TCP/IP-Netzen in andere Netze und umgekehrt passieren. Anwendungen innerhalb und außerhalb des LAN kommunizieren miteinander ohne die Anwesenheit des Gateway-Servers zu bemerken. Isoft stellt auch eine Java-basierte, grafische Oberfläche zur Verwaltung größerer Netze zur Verfügung. Darüber hinaus kann der Server eine Reihe von Accounting- und Billing-Funktionen erhalten, die unter anderem mit SAP R/3, Microsoft Excel oder einem optional erhältlichen Modul des Herstellers zusammenarbeiten.

Ein Protokollkonverter erlaubt den Zugriff auf Terminalserver wie sie beispielsweise IBM und Siemens im Angebot haben. Die Integration der Mobilteilnehmer in ein Firmennetz erfolgt ähnlich einem abgeschlossenen Teilnetzwerk, das nur eine einzige IP-Nummer benötigt. Die mobilen Clients können selbst ohne eigene IP-Adressen im Netzverbund alle TCP/IP-Dienste nutzen.

Der Mobile-Manager-Server ist für die Plattformen HP-UX, IBM-AIX, Linux, Sun Solaris, SCO Unixware und Windows NT verfügbar, während Clients für die Windows-Varianten (inklusive Windows CE) und Unixware erhältlich sind. Eine Datenübertragung ist sowohl über die D-Netze als auch über die E-Netze möglich. Abgebrochene Verbindungen nimmt Mobile Manager automatisch und ohne Datenverlust wieder auf.

Eine deutlich jüngere Lösung stammt von IBM. Mit "Mobile Connect" können Palm-OS- oder Windows-CE-Handhelds Kommunikationsaufgaben wie E-Mail, Terminverwaltung sowie den Austausch von Daten mit "Lotus Notes Domino" oder "Exchange" übernehmen. Ein Client für "Winframe" von Citrix soll noch dieses Jahr veröffentlicht werden.

Vornedran: Sybase

Als Datenbankhersteller sind Big Blue und Oracle jedoch hinter Sybase zurückgefallen. Bereits Ende April veröffentlichte das Softwareunternehmen eine neue Version von "SQL Anywhere Studio". Das Programmpaket enthält eine Entwicklungsumgebung für Embedded-Datenbanken namens "Ultralite" und die Serversynchronisationslösung "Mobilink" für Palm OS und Windows CE. Ultralite bietet die Möglichkeit, maßgeschneiderte Datenbanken anzulegen. Sie umfassen nur die Funktionen, die für den Einsatz in einer konkreten Applikation erforderlich sind. Die damit erstellen Datenbanken sind somit anwendungsoptimiert und nach Angaben von Sybase bis zu 50 KByte klein. Die Synchronisation via Mobilink mit einem Datenbankserver auch anderer Anbieter kann in beide Richtungen erfolgen. Von IBM und Oracle gab es bisher nur Ankündigungen mobiler Datenbanken: "DB2 Everywhere" beziehungsweise "Oracle 8i Lite". Auf der Windows CE Developer Conference zeigte auch Microsoft eine frühe Version von "SQL Server for CE".

Durch eine Kooperation mit der Abaco International Group konnte Sybase bereits eine Datenabgleichung mit SAP R/3 entwickeln. Auf der Tech-Ed-Konferenz 1998 demonstrierten die beiden Unternehmen eine solche Lösung in Form eines Soda-Automaten, der das Kundenverhalten und die eigenen Kapazitäten über eine Ultralite-Datenbank verwaltete und an ein R/3-System weitermeldete. Die britische Großhandelskette Safeway plant sogar, mit einem Barcode-Scanner aufgerüstete Handhelds von 3Com an besonders treue Kunden zu verschenken.

Welche Plattform letztendlich den Organizer-Markt dominiert, weiß heute noch niemand. Wenn 3Com nicht aufpaßt, verliert der Konzern jedoch den Vorsprung, den er vor allen Dingen jenen Enthusiasten und Technik-Freaks verdankt, die Palm-Computer schon einsetzten, als noch keine IT-Abteilung im Haus Support leistete. Der Handheld-Boom kommt, das ist sicher. Voraussetzung sind aber stabile und sichere Verbindungen zwischen den mobilen Clients und Firmennetzen. Microsoft hat das erkannt und setzt alles daran, diesen Bereich zu besetzen. Die Hersteller der Windows-CE-Handhelds und Redmond werfen sich allerdings selbst Knüppel zwischen die Beine: Die Geräte sind nach Ansicht vieler DV-Einkäufer im Vergleich zur Palm-Familie schlicht zu teuer.