"Kunden bekommen viel mehr Leistung"

Viele Unternehmen im Sektor IT-Services sind in finanzielle Schwierigkeiten geraten, der Konkurrenzkampf unter den verbleibenden verschärft sich. Die Kunden werden davon profitieren, wie Meta-Group-Consultant Markus Huber-Graul erklärt.

Von: Dr. Thomas Hafen

NetworkWorld: Laut Ihrer Studie "Professional Services in Deutschland" hat sich der Markt für IT-Dienstleistungen radikal verändert. Was genau ist in den vergangenen Monaten anders geworden?

Markus Huber-Graul: Wir haben es nun mit einem Käufer- und nicht mehr mit einem Verkäufermarkt zu tun. Das heißt, nicht mehr das Beratungs- oder Serviceunternehmen erklärt dem Anwender, was er braucht. Stattdessen müssen die Anbieter sich an den Wünschen der Kunden orientieren, mehr Engagement zeigen und schneller Ergebnisse liefern.

NetworkWorld: Wo liegen die Ursachen für diese Veränderung?

Huber-Graul: Das entscheidende Problem ist das derzeitige Überangebot an Dienstleistungen. Hinzu kommt ein Trend zu zunehmender Standardisierung. Das schafft Transparenz und verschärft damit die Konkurrenz zwischen den Anbietern. Besonders wichtig ist aber auch, dass die Anwender das Vertrauen in die Allmacht der IT verloren haben und die Effektivität der Lösungen und der Dienstleister infrage stellen.

NetworkWorld: Wie haben die Provider auf die veränderten Bedingungen reagiert? Sind die getroffenen Maßnahmen ausreichend?

Huber-Graul: Im ersten Schritt haben die Anbieter Mitarbeiter entlassen und, so weit es ging, Verträge mit Subunternehmern aufgelöst. Das reicht aber nicht. Sie müssen sich reorganisieren und vor allem neue Serviceangebote mit klarem Mehrwert schaffen. Eine Möglichkeit besteht darin, das stark segmentierte Angebot zusammenzuführen, wie es beispielsweise das Modell "Business Innovation Partner" versucht. Dienstleister müssen außerdem risikobereiter werden und sich auf erfolgsabhängige Bezahlung einlassen. Und sie müssen lernen, auch einmal "nein" zu sagen, wenn ein Geschäft nicht für alle Beteiligten Gewinn verspricht.

NetworkWorld: Welchen Parametern kommt Ihrer Ansicht nach der größte Einfluss auf die Marktentwicklung in Deutschland zu?

Huber-Graul: Die wichtigsten Fragen sind derzeit: Wann kommt eine Konjunkturerholung? Wann wird der Projektstau so groß, dass die Unternehmen investieren müssen? Weltweit wird sich die Konjunktur sicher bis Ende des Jahres beleben. In Deutschland brauchen wir einen Reformprozess, um Klarheit über die wirtschaftliche Zukunft zu erhalten.

NetworkWorld: Welche Schritte sollten die Provider als nächstes unternehmen?

Huber-Graul: Sie müssen gnadenlos Schwachstellen im eigenen Unternehmen aufdecken. Jede Abteilung muss auf den Prüfstand, vor allem aber der Vertrieb. Die Anbieter müssen außerdem innovativer, kreativer und flexibler werden. Und sie müssen sich wieder mehr um neue Kunden kümmern. Es war zwar richtig, sich zunächst auf bestehende Geschäftsbeziehungen zu konzentrieren, auf Dauer kann aber nur der erfolgreich sein, der sich in Ausschreibungen dem Wettbewerb stellt.

NetworkWorld: Reicht es aus, interne Prozesse zu verbessern?

Huber-Graul: Nein, auf der Strategieseite muss zusätzlich eine Konzentration auf profitable Segmente stattfinden.

NetworkWorld: Welche Vorteile haben die Kunden vom härter werdenden Konkurrenzkampf?

Huber-Graul: Sie bekommen viel mehr Leistung für ihr Geld. Überzogene Forderungen für Junior-Berater kann sich kein Anbieter mehr leisten. Die Dienstleister bewegen sich außerdem auf den Kunden zu und interessieren sich sehr viel mehr für dessen spezifische Anforderungen. Statt technischer Lösungen steht der Beitrag zum Geschäftserfolg im Mittelpunkt.

NetworkWorld: Wie sollte ein Unternehmen bei der Auswahl eines Dienstleisters vorgehen?

Huber-Graul: Er sollte die Komplexität in seinem Unternehmen verringern, indem er standardisierte Dienste einsetzt und auf wenige Provider vertraut. Oft ist es besser, einem bestehenden Partner Entwicklungschancen zu geben und ihn mit einer neuen Aufgabe zu betrauen, statt einen neuen Dienstleister zu akquirieren. Das Management der Geschäftsbeziehung darf nämlich nicht unterschätzt werden. Je mehr Vertragspartner es gibt, desto komplexer und teurer wird es.

NetworkWorld: Sollten Kunden in der derzeitigen Lage den "Preistrumpf" voll ausspielen?

Huber-Graul: Man sollte als Kunde immer überlegen, wie man selbst reagieren würde. Wer die Preise zu sehr drückt, erhält eben auch nur Standardqualität. Der Anbieter kann bei zu geringen Margen nicht mehr in Weiterentwicklung und Fortbildung investieren, was letztendlich auch dem Kunden schadet. Wer Billiganbieter beschäftigt, muss außerdem das Know-how selbst vorhalten und beständig die Qualität der Dienstleistung überprüfen. Sonst zahlt er unter Umständen einen hohen Preis. Das ist wie beim Pfusch am Bau: Je später er bemerkt wird, desto teurer kommt die Sanierung.

NetworkWorld: Welcher Typ IT-Dienstleister wird überleben, und wie werden die Serviceangebote der Zukunft aussehen?

Huber-Graul: Es wird auch weiterhin jede Art von Serviceprovider geben. Daneben werden wir neue Modelle finden wie das des "Business Innovation Partner". Was die Zahl der Anbieter angeht, wird die Konzentration weiter zunehmen, weil die Preise nicht den Marktwert widerspiegeln. Man wird entweder sehr groß oder sehr speziell. Wir werden uns von einigen Namen verabschieden müssen. Die Bedeutung von Strategieoptionen werden sich verstärken. Die Dienstleister müssen sich entscheiden, ob sie als Themen-, Kosten-, Innovations- oder Prozessführer auftreten wollen.