Kommentar zur Smartwatch von Apple

Apple Watch - teure Fernsteuerung für das iPhone?

Die Geheimhaltung bei Apple funktioniert wieder. Obwohl die Apple Watch bereits im September angekündigt und auch präsentiert wurde, sind die wirklich interessanten Fakten nicht durchgesickert. Akkulaufzeit, Preise und fehlende technische Details ließen viel Raum für Spekulationen.
Um ein möglichst breites Käuferspektrum anzusprechen, bietet der Hersteller die Apple Watch nicht nur in einer Modellvariante an.
Um ein möglichst breites Käuferspektrum anzusprechen, bietet der Hersteller die Apple Watch nicht nur in einer Modellvariante an.
Foto: Apple

Mit der offiziellen Vorstellung der Apple Watch, legte der Hersteller dann nun alle Einzelheiten auf den Tisch: Preise zwischen 399 Euro und 18.000 Euro, 18 Stunden Akkulaufzeit, 8 GB Speicher und Verfügbarkeit in Deutschland ab dem 24. April 2015. Auch finden sich auf den neuen Apple Watch Seiten weitere Details, zum Spritzwasserschutz – die Uhr ist nicht wasserfest, aber wassergeschützt –, zum Herzfrequenzmesser oder zu den austauschbaren Armbändern. Ganz im Stile des Apple Marketings, das es immer wieder schafft ungewöhnlich starke Emotionen und Begehrlichkeiten bei einem technischen Produkt zu wecken, wurde die Apple Watch auch an diverse Medienvertreter und andere sogenannte Influential People verteilt. So verwundert es nicht, dass pünktlich zum Ende der Vorstellung die ersten Erfahrungsberichte, Videos und Bildergalerien auf diversen Blogs und Technik-Seiten online waren, meist mit einem durchweg positiven Feedback zur Apple Watch.

Aber was macht man nun mit einer 400 Euro Smartwatch, die ohne ein iPhone (ab dem iPhone 5) nicht funktioniert, und die jede Nacht wieder aufgeladen werden muss? Fitness, Kommunikation und (natürlich) Zeitmessung sind laut Apple die Kernfunktionen der Uhr. Insbesondere Fitness ist eines der offensichtlichsten Anwendungsgebiete für ein sogenanntes Wearable; hilft es doch beim immer populäreren Vermessen des eigenen Körpers oder der Erfassung der täglichen Aktivitäten. Die Uhr zeigt mir wie viele Kalorien ich verbrannt habe, wie oft ich aufgestanden bin oder wie zügig ich mich bewegt habe, auch werde ich darauf hingewiesen, wenn es mal wieder Zeit ist aufzustehen und eine Pause vom Sitzen zu machen. Zudem erfasst sie die Herzfrequenz und physische Bewegungen jeder Art. Angereichert mit den GPS-Informationen des iPhone ergibt sich so ein umfassendes Aktivitätsprofil, das in der Health App am iPhone veranschaulicht wird.

Bei dem zweiten Punkt Kommunikation wird es schon schwieriger, wirkliche Anwendungsfälle zu benennen. Sinnvoll sind sicherlich die Notifikationen und Erinnerungen, die am Handgelenk angezeigt werden können, ohne das iPhone aus der Tasche holen zu müssen. Oder wenn mir die Uhr das Wetter, Börsenkurse oder den Standort des nächsten Uber-Fahrers bereitstellt. Jedoch die Uhr auch zum Telefonieren zu verwenden, was dank eingebautem Mikrofon und Lautsprecher möglich ist, oder mithilfe von Siri Texte zu diktieren oder Befehle zu erteilen, mutet (noch) etwas befremdlich an. Dies erinnert an die US-Serie Knight Rider, in der der Hauptdarsteller mit seinem Auto über die Uhr am Handgelenk kommuniziert.

Auf die Positionierung kommt es an

Spannend ist auch, wie das gesamte iOS-Ökosystem auf das neue Gerät und dessen Möglichkeiten und Einschränkungen reagieren wird. So ist schon die Rede von Bändern, die die Akkulaufzeit erhöhen, von einer Vielzahl von Apps, die speziell für die Apple Watch angepasst wurden um zum Beispiel das geschlossene Garagentor zu öffnen. Ganz andere Möglichkeiten bieten sich auch im Gesundheitssektor an. Ganz zu schweigen von Apple Pay, das mithilfe der Apple Watch nun auch für eine größere Zahl an iOS-Geräten zur Verfügung steht (ab iPhone 5) und dadurch eine größere Zielgruppe für den Zahlungsdienst von Apple verspricht.

Wie verkauft man nun eine Smartwatch, die eigentlich nur eine teure Fernsteuerung für das iPhone mit ein paar zusätzlichen Funktionen ist und nicht nur Technik-Enthusiasten ansprechen möchte? Indem man Begehrlichkeiten weckt, die auch Käufer anderer Marktsegmente ansprechen und so eine breitere Käuferschicht generiert. Apple hat sich hierfür Unterstützung in der Mode-Branche gesucht , und eine große Modellpalette mit Varianten für jeden Geschmack und Geldbeutel aufgelegt. Der Weg zum Mode-Accessoire ist geebnet.

Dennoch gibt es noch Fallstricke: So erweitert sich dadurch nicht nur die mögliche Käuferschicht, auch die Konkurrenz für das neue Gerät wird größer. Diese beschränkt sich nicht mehr nur auf Samsung, Pebble oder LG – die alle bereits funktionstüchtige Smartwatches im Angebot haben – sondern auch etablierte Größen wie Fossil, Omega, Rolex oder Frédérique Constant, also etablierte Anbieter von (Luxus)Uhren aller Art, werden zu Gegenspielern.

Die Intention hinter diesem Vorstoß ist aber offensichtlich. Ähneln sich doch in technischer Hinsicht die Smartwatches der Hersteller zu sehr, um der Apple Watch hier ein Alleinstellungsmerkmal anzudichten. Auch gibt es durchaus kritische Stimmen, die dem Konzept „Smartwatch” ein rasches Ende prophezeien. Es geht nun darum, die richtige Emotion für die Apple Watch zu wecken – egal bei welcher Käuferschicht. Nur dann kann die Apple Watch einen ähnlichen Hype erleben wie das bei iPhone oder iPod der Fall war. Die Ausgangsposition ist gut, kaum ein anderes Unternehmen versteht sich so hervorragend darauf, Produkte mit Emotionen zu verbinden und etablierte Märkte umzukrempeln sowie und mit neuen Konzepten und Ideen Bestehendes neu zu erfinden.

Der geneigte Käufer sollte sich aber auch durchaus überlegen, ob es nicht sinnvoll wäre, den ersten Produktzyklus der Apple Watch abzuwarten. Ist doch abzusehen, dass einige der genannten Kritikpunkte in der nächsten Generation beseitigt werden. (bw)