Industrie 4.0

Neue Aufgaben und neue Jobs für IT-Fachleute

Monotone Routineaufgaben übernehmen Maschinen, kreatives und kritisches Denken qualifizierte Mitarbeiter, davon ist Accenture-Chef Frank Riemensperger überzeugt.

Schon heute holen sich Chirurgen während einer Operation aktuelle Informationen über ihre Datenbrille an den OP-Tisch, Roboter unterstützen Arbeiter in Fertigungsstraßen und ein mit Sensoren ausgestatteter Anzug warnt einen Monteur, wenn er ein zu schweres Werkstück hochheben will - diese Anwendungen zählen längst zum Standard. Doch für Frank Riemensperger, Vorsitzender der Accenture-Ländergruppe Deutschland, Österreich, Schweiz, ist das erst der Anfang. "Wir sind mitten in einem Veränderungsprozess?, sagt er.

Der "Connected Worker" ist ein über Sensoren verbundener Arbeiter, der sich beispielsweise während der Montage Informationen über Apps oder eine Datenbrille holt.
Der "Connected Worker" ist ein über Sensoren verbundener Arbeiter, der sich beispielsweise während der Montage Informationen über Apps oder eine Datenbrille holt.
Foto: Accenture

Industrie 4.0, Internet of Things und Künstliche Intelligenz (KI) nehmen so richtig an Fahrt auf. Neue Technologien finden als Anwendungen ihren Weg von den Universitäten und Entwicklungslaboren in Fabrikhallen und Büros. "Facharbeiter lernen Roboter an und bringen ihnen Arbeitsschritte bei", nennt Riemensperger ein Beispiel. Ein über Sensoren verbundener Arbeiter ("Connected Worker"), der sich beispielsweise während der Montage Informationen über Apps oder eine Datenbrille holt, oder kleine Lerneinheiten absolviert, setzt sich immer mehr durch. Auch das Auslagern von Ressourcen in die Cloud beschleunigt diese Entwicklung. Die kürzlich veröffentliche Accenture-Studie zu den Technologie-Trends zeigt aber auch, dass der Mensch nach wie vor im Mittelpunkt steht. "Technik soll Menschen unterstützen und Abläufe verbessern, nicht ersetzen", erläutert der Accenture-Chef.

Neue Berufsprofile entstehen

Die Digitalisierung erobert immer mehr Wirtschaftsfelder. Gerade für gut ausgebildete Fachkräfte eröffnen sich neue Chancen. "Jedes Berufsbild verändert sich", da ist sich Riemensperger sicher und ergänzt: "Stupide Arbeiten werden automatisiert. Aber Kompetenzen wie kritisches Denken, emotionale Intelligenz, Problemlösestrategien oder Personalführung sind sehr gefragt", erläutert er. Gleichzeitig räumt Riemensperger ein, dass die digitale Arbeitswelt auch mehr Transparenz und Kontrolle ermöglicht: "Wir müssen darüber nachdenken, wie wir damit umgehen und Lösungen entwickeln."

Zählten in der Vergangenheit Schlagworte wie lebenslanges Lernen zum Mantra der Personalverantwortlichen, bilden sich heute viele Arbeitnehmer vor allem dann weiter, wenn sie im Arbeitsalltag ein Problem lösen müssen. Kleine Lerneinheiten, auch als Micro-Learning bekannt, nutzen viele als App über ihr Smartphone, als Lerneinheit am Arbeitsplatz oder über eine Datenbrille, wenn ihnen Informationen fehlen. "Das Lernen im Arbeitsalltag verändert sich. Micro-Learning ist auch deshalb selbstverständlich, weil Techniken wie die Cloud zur Verfügung stehen und es problemlos funktioniert", erläutert der Accenture-Chef.

Data Scientist und Digital Artist als neue Jobprofile

Auch die Arbeitswelt und das Anforderungsprofil von IT-Spezialisten verändert sich. Besonders in der IT- und Management-Beratung entstehen neue Jobprofile. "Seit zwei Jahren bilden wir Digital Artists aus und suchen Mitarbeiter, die Benutzeroberflächen aus Sicht des Nutzers gestalten. Sie arbeiten an der Schnittstelle zur Maschine", nennt Riemensperger ein Beispiel. Auch der Data Scientist zählt zu den neuen, gefragten Spezialisten. Accenture sucht Mitarbeiter mit diesen Qualifikationen und bildet auch selbst aus. In der Beratung sind auch Experten gefragt, die Anwendungen entwickeln, mit denen Firmen die gesammelten Daten auswerten und in neue Geschäftsmodelle ummünzen.

Frank Riemensperger ist davon überzeugt, dass Technik den Menschen unterstützen wird, ihn aber nicht ersetzen kann.
Frank Riemensperger ist davon überzeugt, dass Technik den Menschen unterstützen wird, ihn aber nicht ersetzen kann.
Foto: Accenture

Ein weiteres, vielversprechendes Geschäftsfeld sind Plattformen. Viele Transaktionen und Geschäftsprozesse werden inzwischen darüber abgewickelt. Längst kamen zum E-Commerce und Online-Banking viele weitere Anwendungen hinzu. Unternehmen brauchen deshalb Spezialisten, die diese Abläufe verstehen und Serviceangebote entwickeln. Riemensperger spricht von Service Designern, die diese Aufgabe übernehmen.

Accenture-Mitarbeiter müssen sich deutlich früher als ihre Kunde mit neuen Trends und den Chancen auseinandersetzen. Regelmäßige Weiterbildung ist deshalb selbstverständlich. "Ein Studium reicht nicht mehr", sagt Riemensperger. "Junge Absolventen bringen zwar von den Hochschulen viel Wissen über die Digitalisierung und Industrie 4.0 mit, doch alle Berufsanfänger im technischen Bereich bei Accenture absolvieren das achtwöchige Trainingsprogramm "Jump Start" mit unterschiedlichen Spezialisierungen." Den berufserfahrenen Accenture-Beratern eröffnet ein internes Schulungsportal mit rund 24.000 Kursen ein umfangreiches Weiterbildungsangebot. Neben mehrtägigen Fortbildungen finden sich dort auch virtuelle Trainings, E-Learning-Kurse oder individuell auf den Mitarbeiter zugeschnittene Programme.

Trotzdem kennt Riemensperger auch die kritischen Stimmen, die vor Jobverlust warnen. "Fünf Millionen Jobs verschwinden bis 2020" - diese vom Weltwirtschaftsforum in Davos veröffentlichte Zahl bezieht sich auf die 15 größten Industrieländer. Für Deutschland würde das einen theoretischen Anstieg der Arbeitslosigkeit von höchstens 0,3 Prozent bedeuten. Während der Finanzkrise gingen deutlich mehr Jobs verloren. Roboter übernehmen zwar manche monotone und stupide Tätigkeit, doch gleichzeitig eröffnen Digitalisierung und Industrie 4.0 auch ganz neue Jobperspektiven.

Technologie-Trends 2016

Accenture identifizierte fünf Trends, die die digitale Wirtschaft in den kommenden fünf Jahren prägen werden. Neben intelligenter Automation, Plattformwirtschaft und Vertrauen in die digitale Wirtschaft sind das neue, durch die digitalen Chancen erst möglich gewordene Netzwerke innerhalb von Branchen und Industriezweigen, die bisher ganz unabhängig voneinander arbeiteten. Entscheidend für Arbeitskräfte ist es in einer digitalen Wirtschaftswelt, sich regelmäßig weiterzubilden, um flexibel zu bleiben. Die Bedeutung von Spezial- und Expertenwissen nimmt ab, während schnelles Lernen und flexibles Arbeiten wesentlich wichtiger werden. Kritisches Denken, Kreativität und Personalführung kristallisieren sich als Schlüsselkompetenzen der digitalen Arbeitswelt heraus. Dieses Kalenderjahr möchte die Unternehmensberatung allein in Deutschland 1000 neue Kollegen an Bord holen.