Trotz guter Bezahlung

Warum IT-Profis selten im Sales landen

Im Vertrieb winkt oft eine bessere Bezahlung, was den einen oder anderen Entwickler zum Wechseln animiert. Doch nur wenige Informatiker verfügen über die Fähigkeiten und Eigenschaften, die ein Vertriebsprofi braucht – speziell im Firmenkundengeschäft.

Die IT ist omnipräsent und ohne sie läuft (fast) nichts mehr. Egal, ob wir die Waschmaschine einschalten, am Fahrkartenautomaten ein Ticket ziehen oder mit unseren Liebsten per Handy kommunizieren, stets sorgen in die Hardware integrierte Softwareprogramme dafür, dass sich unsere Wünsche erfüllen. Ähnlich verhält es sich in den Unternehmen. Funktioniert in ihnen die IT nicht mehr, dann stehen bildhaft gesprochen (fast) alle Räder still. Nicht nur die Mitarbeiter in den Verwaltungs-, sondern auch in den Produktionsbereichen können dann nur noch Däumchen drehen - da heute die meisten Maschinen und Anlagen computergesteuert sind.

Was IT-Vertriebler können müssen

Entsprechend groß ist heute der Bedarf an IT-Leistungen; entsprechend stark ist meist aber auch der Wettbewerb - weshalb alle Anbieter im IT-Bereich einen Vertrieb brauchen, der ihre Leistungen aktiv verkauft. Das ist keine leichte Aufgabe - speziell im Business-to-business-Bereich (B2B), betont Peter Schreiber, Inhaber des auf den Vertrieb von Industriegütern und -dienstleistungen spezialisierten Beratungsunternehmens Peter Schreiber & Partner, Ilsfeld bei Heilbronn. Denn für die meisten Anbieter im IT-Bereich gilt: Ihre Kunden sind keine Startups auf der grünen Wiese, sondern etablierte Unternehmen. Das heißt: In ihnen existiert bereits eine oft über Jahrzehnte gewachsene IT-Landschaft und mit dieser müssen die neuen Lösungen harmonieren. Dies ist ein Grund, warum Hans-Joachim Neher, Inhaber der auf Reiseveranstalter spezialisierten DCS Dialog-Computer-Software GmbH in Darmstadt sagt: "Unsere Vertriebler müssen die Geschäftsprozesse unserer Kunden verstehen. Denn ohne dieses Know-how können sie für diese - unterstützt von unseren Technikern - keine passgenauen Lösungen entwerfen."

Peter Schreiber, Peter Schreiber & Partner: "Wenn sich ein Unternehmen für eine IT-Lösung entscheidet, dann geht es mit dessen Anbieter oft eine jahrzehntelange Geschäftsbeziehung ein." Dies kann bei einer Fehlentscheidung weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen.
Peter Schreiber, Peter Schreiber & Partner: "Wenn sich ein Unternehmen für eine IT-Lösung entscheidet, dann geht es mit dessen Anbieter oft eine jahrzehntelange Geschäftsbeziehung ein." Dies kann bei einer Fehlentscheidung weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen.
Foto: Peter Schreiber & Partner

Ähnlich äußern sich fast alle IT-Unternehmen, wenn es um die Frage geht: Welche Fähigkeiten brauchen ihre Vertriebsmitarbeiter? Unabhängig davon, ob es sich bei ihnen um mittelständische Systemhäuser oder IT-Konzerne handelt. Sie betonen übereinstimmend: Ohne eine fundierte Kenntnis der Geschäftsprozesse der Zielkunden geht heute im Firmenkundengeschäft fast nichts mehr. Auch aus folgenden Grund, erläutert Georg Kraus, Inhaber der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal: "Kein Geschäftsführer oder Vorstand entscheidet einfach so 'Lasst uns mal ein neues IT-System einführen'. Wenn das Management eines Unternehmens dies tut, dann verfolgt es damit konkrete Ziele." Zum Beispiel, dass die Stückkosten sinken. Oder dass die Durchlaufzeiten sich verkürzen. Oder dass die Kunden besser betreut werden. Also lautet eine Herausforderung, vor der die Vertriebsmitarbeiter der IT-Unternehmen bei ihrer Arbeit oft stehen: Sie müssen den Kunden das Gefühl vermitteln "Mit dieser Lösung…" beziehungsweise "…mit diesem Anbieter erreichen wir sicher unser Ziel".

Georg Kraus, Dr. Kraus & Partner: "Vertriebsmitarbeiter müssen den Kunden das Gefühl vermitteln "Mit dieser Lösung…" beziehungsweise "…mit diesem Anbieter erreichen wir sicher unser Ziel".
Georg Kraus, Dr. Kraus & Partner: "Vertriebsmitarbeiter müssen den Kunden das Gefühl vermitteln "Mit dieser Lösung…" beziehungsweise "…mit diesem Anbieter erreichen wir sicher unser Ziel".
Foto: Georg Kraus

Kunden haben viele Nutzenerwartungen

Das gelingt reinen IT-Experten oft nicht. Denn ihnen ist häufig nicht ausreichend bewusst, dass die Kunden meist "ein ganzes Bündel unterschiedlichster Nutzenerwartungen" an eine IT-Lösung haben, erklärt Peter Schreiber. Diese fasst der Vertriebsberater in seinen Trainings und Workshops in der T.A.S.K.-Formel zusammen. Ihr zufolge haben die Kunden neben technischen meist auch ablauf-organisatorische "Nutzenerwartungen" - wie zum Beispiel, dass das Implementieren der neuen IT-Lösung nicht das Alltagsgeschäft lahmlegt. Oder dass ihr Lieferant auch die Mitarbeiter schult. Außerdem haben sie sozial-menschliche Erwartungen - wie zum Beispiel: Sie wollen als Person wahrgenommen und gewertschätzt werden. Und sie möchten bei Problemen einen verständnisvollen Ansprechpartner haben. Und selbstverständlich haben sie auch kaufmännisch-wirtschaftliche Erwartungen. Die Investition soll sich zum Beispiel rechnen; und die Wartungskosten oder Lizenzgebühren ihnen nicht die Haare vom Kopf fressen.

Per Ferndiagnose lassen sich die für den Vertriebserfolg nötigen Infos, was dem Kunden wichtig ist, nur zum Teil gewinnen. Also müssen die Vertriebler eine persönliche Beziehung zu den Entscheidern bei ihren Kunden aufbauen. Denn nur dann können sie ermitteln,

  • wo ein Bedarf besteht oder entsteht,

  • welche Erwartungen sie an die Lösung und deren Lieferanten haben und

  • wie ihr Unternehmen taktisch und strategisch vorgehen sollte, um (mittelfristig) einen Auftrag an Land zu ziehen.

Dies zu ermitteln, ist laut Uwe Reusche, Geschäftsführer des Instituts für Sales- und Managementberatung (ifsm), Urbar bei Koblenz, im B2B-Vertrieb meist nicht leicht. In der Regel entscheidet, wenn ein Unternehmen zum Beispiel ein neues ERP-, CRM- oder Warenwirtschaftssystem einführen möchte, dessen Inhaber, Geschäftsführer oder Vorstand dies nicht allein - "selbst wenn er am Schluss den Vertrag unterschreibt".

Er konferiert vielmehr im Verlauf dieses Kaufentscheidungsvorganges regelmäßig mit den Leitern der betroffenen Bereiche und den (IT-)Experten in seinem Unternehmen darüber: Was wäre/ist für uns die beste Lösung und worauf sollten wir bei der Auswahl des künftigen Partner achten? Zurecht: "Wenn sich ein Unternehmen für eine IT-Lösung entscheidet, dann geht es mit dessen Anbieter oft eine jahrzehntelange Geschäftsbeziehung ein", betont Schreiber. Entsprechend weitreichend können die Folgen einer Fehlentscheidung sein. "Das ist den Kunden oft bewusster als den Vertriebsmitarbeitern", moniert der Berater.

Die Einschätzungen sowie Wünsche und Bedürfnisse der Mitglieder des Buying-Center können aufgrund ihrer unterschiedlichen Funktion im Unternehmen stark divergieren. So kann zum Beispiel beim Kauf eines CRM-Systems der zentrale Wunsch des Vertriebsleiters sein, dass dieses die bewährten Prozesse im Vertrieb unterstützt - und die Abläufe kaum verändert werden müssen, damit möglichst wenig Unruhe in seinem Team entsteht. Und der Leiter der IT-Abteilung? Er achtet primär darauf, dass sich das System leicht in die bestehende IT-Landschaft integrieren lässt. Und dem Leiter der Personalabteilung? Er hat vor allem den Schulungsaufwand vor Augen, der mit der Einführung verbunden ist. Und der Geschäftsführer? Er will vor allem, dass sich die Investition möglichst schnell amortisiert und die "Costs-of-ownership" niedrig sind.

Ohne ausreichendes Wissen über die Geschäftsprozesse der Zielkunden ist es äußerst schwer, mit diesen ins Geschäft zu kommen. Auch haben die Kunden einen Haufen Erwartungen an eine IT-Lösung - dies ist IT-Experten oftmals nicht klar.
Ohne ausreichendes Wissen über die Geschäftsprozesse der Zielkunden ist es äußerst schwer, mit diesen ins Geschäft zu kommen. Auch haben die Kunden einen Haufen Erwartungen an eine IT-Lösung - dies ist IT-Experten oftmals nicht klar.
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Flexibilität im Denken und Verhalten

Also steht der Vertrieb des IT-Unternehmens vor der Herausforderung, alle Mitglieder des Buying-Center davon zu überzeugen, dass die vorgeschlagene "Lösung" die Beste ist. Das ist nicht nur wegen der unterschiedlichen Nutzenerwartungen eine herausfordernde Aufgabe, betont Uwe Reusche, sondern auch, weil die Mitglieder des Buying-Center meist "unterschiedlich ticken" - also verschiedene Persönlichkeiten sind. Während zum Beispiel der Vertriebsleiter als pragmatischer Macher vor allem will, dass sein Team endlich - am liebsten morgen - das Tool hat, das es für eine effektive Marktbearbeitung braucht, ist dem Leiter IT das Thema Sicherheit sehr wichtig. Entsprechend stark beschäftigt ihn die Frage, wie ausgereift die Software ist und welche Erfahrungen andere Unternehmen mit ihr gesammelt haben. Und der Geschäftsführer? Er liebt Zahlen, Daten und Fakten. Also will er vor allem Kosten-Nutzen-Rechnungen sehen, die belegen, dass sich die Investition schnell amortisiert. Entsprechend flexibel müssen Vertriebler in ihrem Denken und Verhalten sein. Und entsprechend fein müssen laut Schreiber ihre Antennen dafür sein:

  • Was ist dem Kunden wirklich wichtig?

  • Wie laufen die Entscheidungsprozesse bei ihm ab? Und:

  • Wer hat wie viel zu sagen?

Auch eine (gesprächs-)taktische Schulung ist von Nöten.