Umgang mit selbstbewussten Mitarbeitern

Individualisten führen

Je qualifizierter Mitarbeiter sind, desto selbstbewusster agieren sie meist. Sie hinterfragen Entscheidungen ihrer Vorgesetzten und äußern sich kritisch. Vielen Chefs fällt das Führen solcher Mitarbeiter schwer.

In den zurückliegenden Jahrzehnten haben sich - auch unter dem Einfluss der IT - die Arbeitsstrukturen und -beziehungen in den Unternehmen zum Teil radikal verändert. Während noch vor 20 bis 30 Jahren in den meisten Betrieben nur in wenigen Teilbereichen die Leistung in Teamarbeit erbracht wurde, ist heute fast überall die bereichs- und oft auch hierarchieübergreifende Team- und Projektarbeit gängige Arbeitspraxis. Außerdem lautet eine Grundanforderung an alle Mitarbeiter: Sie sollen ihre Aufgaben weitgehend in eigener Initiative und Verantwortung erfüllen. Das setzt voraus, dass sie sich mit dem Unternehmen und ihrer Arbeit identifizieren. Das wiederum erfordert ein verändertes Führungsverhalten.

Ein neuer Führungsstil ist auch nötig, weil Manager heute, anders als in den tayloristisch organisierten Betrieben der Vergangenheit, oft keinen fachlichen Wissens- und Erfahrungsvorsprung vor ihren Mitarbeitern mehr haben. In den Teams agieren häufig hochqualifizierte Spezialisten, die, wenn es um das Erfüllen gewisser Fachaufgaben geht, ein größeres Know-how und Tiefenwissen mitbringen als ihre disziplinarischen Vorgesetzten. Entsprechend selbstbewusst sind diese Mitarbeiter - insbesondere wenn sie wissen, dass außer ihrem Vorgesetzten auch das Unternehmen auf ihr Know-how angewiesen ist. In der Alltagskommunikation mit ihrem Vorgesetzten wollen sie die Wertschätzung spüren, die ihnen ihrer Auffassung nach gebührt. Sonst sinkt ihre Arbeitsmotivation, und im Extremfall wechseln sie den Arbeitgeber. Das ist in der aktuellen Arbeitsmarktsituation nicht besonders schwierig: In vielen Tätigkeitsfeldern sind hochqualifizierte Spezialisten eine heiß umkämpfte Mangelware.

Besteht ein Team aus lauter selbstbewussten Individualisten, kann Führung zur echten Herausforderung werden.
Besteht ein Team aus lauter selbstbewussten Individualisten, kann Führung zur echten Herausforderung werden.
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Chefs müssen anders kommunizieren

Diesen selbstbewussten Mitarbeitertyp zu führen, fällt vielen Führungskräften schwer - auch weil die Vorgesetzten häufig noch unbewusst das Credo verinnerlicht haben: Beschäftigte haben den Anweisungen "von oben" blind zu folgen. Das tun besagte Mitarbeiter aber nicht: Sie hinterfragen mehr oder minder offen die Anweisungen ihrer Chefs. Zumindest wollen sie von ihnen eine plausible Begründung haben, warum gewisse Entscheidungen wie getroffen wurden.

Für die Führungskräfte bedeutet das: Sie müssen mehr und anders als früher mit ihren Mitarbeitern kommunizieren. Anstelle von Top-down-Anweisungen gilt es, die Mitarbeiter in die Entscheidungen einzubeziehen. Und wenn das nicht möglich ist? Dann müssen die Führungskräfte akzeptieren, dass Mitarbeiter ihre Entscheidungen hinterfragen.

Eigentlich ist das heute den meisten Führungskräften bewusst - zumindest denen, die Bereiche führen, in denen die Mitarbeiter ein hohes Qualifikationsniveau haben. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie sich im Alltag auch entsprechend verhalten. Im Gegenteil: Oft lässt sich beobachten, dass Manager gerade in Situationen, in denen sie selbst unter Anspannung stehen, ein Verhalten zeigen, das eher einem autoritären als einem partnerschaftlich-kooperativen Führungsstil entspricht. Dadurch provozieren sie in der Beziehung zu ihren Mitarbeitern Konflikte, die mit einem anderen Verhalten vermeidbar wären.