Entzauberte Mythen

Die Generation Y gibt es gar nicht

Nach-1980-Geborene sind ganz anders, wollen Sinn und Selbstbestimmung statt Status und Sicherheit? Eine aktuelle Studie entlarvt das Klischee als Mythos.

Artikel und Bücher über Wertewandel und Paradigmenwechsel bei der sogenannten Generation Y türmen sich seit Jahren zu bedrohlich anschwellenden Halden. Zentrales Material dieses Abraums einer Geisterdebatte sind Klischees: Jüngere Angestellte legen Grundsätzlich Wert auf freie Zeiteinteilung und insgesamt weniger Arbeit, Glück sei wichtiger als Geld, deshalb nähmen auch Väter dieser Altersgruppe immer öfter Elternzeit in Anspruch.

Generation Y: Wir wollen alles - und wir kriegen es auch.
Generation Y: Wir wollen alles - und wir kriegen es auch.
Foto: lassedesignen - Fotolia.com

Weil die Generation so viele Krisen erlebt hat, hält sie sich selbst für besonders flexibel und an die Erkenntnis gewöhnt, dass es den Job auf Lebenszeit und die damit verbundene Sicherheit sowieso nicht gibt.

Und wir müssen nicht nur ständig lesen, was diese neuen Menschen wollen, sondern auch, was sie nicht wollen beziehungsweise nicht sind: Nicht status- und sicherheitsfixiert, nicht scharf auf Überstunden und dem daraus folgenden Herzkasper.

Zeit-Autorin Kerstin Bund, selbst Angehörige jener Generation, hatte diese Verklärung vor einiger Zeit auf die Spitze getrieben. Zitat: "Was also erwarten junge Beschäftigte von der Arbeitswelt? Jedenfalls keinen Dienstwagen mit Vollausstattung, keinen Privatparkplatz in der Firmengarage und auch kein aufgeglastes Eckbüro mit Ausblick. Mit den alten Insignien der Macht können wir wenig anfangen. Harte Anreize wie Gehalt, Boni und Aktienpakete treiben uns weniger an als die Aussicht auf eine Arbeit, die Freude macht und einen Sinn stiftet." Zitat Ende.

60 Prozent wollen Geld und Sicherheit

Diese Selbststilisierung sagt viel darüber aus, wie die Generation Y das Gemüt und den Charakter der anderen, älteren Arbeitnehmer einschätzt. Nämlich als geldgierig, statusfixiert und total unfähig, sich ein paar sinnvolle Gedanken über die Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns zu machen.

Statusdenken adé? BWM ist bei jungen Menschen Deutschlands begehrtester Arbeitgeber.
Statusdenken adé? BWM ist bei jungen Menschen Deutschlands begehrtester Arbeitgeber.
Foto: BMW Group

Eine aktuelle, breit angelegte Untersuchung im Auftrag des Personalvermittlers und Dienstleisters Orizon GmbH räumt mit dieser schubladenhaften Abgrenzung gründlich auf: Durchgeführt wurde die Studie "Arbeitsmarkt 2014 - Perspektive der Arbeitnehmer" vom unabhängigen Marktforschungs- und Analyseunternehmen Lünendonk GmbH.

Ihre Ergebnisse korrigieren vor allem die Legende von der Neu- und Andersartigkeit der Generation Y. Und zeigen stattdessen, dass unsere Arbeitswelt insgesamt einen massiven Wertewandel erlebt, einen, der alle Generationen von Arbeitnehmern gleichermaßen erfasst.

Wünsche der Generationen unterscheiden sich kaum

Im Rahmen der Untersuchung wurden mehr als 2000 Angestellte und Arbeitssuchende nach jenen Leistungen befragt, die einen Arbeitgeber aus ihrer Sicht besonders interessant machen. Ergebnis: Unter den 20 bis 29-Jährigen nennen 60 Prozent Sicherheit als einen der fünf Top-Attraktivitätsfaktoren, ebenfalls 60 Prozent wollen unbedingt eine gute Bezahlung und 49 Prozent flexible Arbeitszeiten.

Die Studie zeigt, dass sich die Präferenzen zwischen den Altersgruppen fast gar nicht unterscheiden: Alle Befragten zwischen 20 und 65 Jahren nannten Jobsicherheit, leistungsgerechte Bezahlung, flexible Arbeitszeiten und die Nähe des Arbeitsplatzes zum Wohnort als die vier beliebtesten Arbeitgeber- beziehungsweise Arbeitsplatzqualitäten. Das Kriterium ‚flexible Arbeitszeiten‘ findet sich dabei stets auf dem dritten Platz.

Der Wertwandel betrifft nicht nur Junge

"Das spricht für einen breiten Wertewandel der ganzen Gesellschaft", findet Orizon-Geschäftsführer Dieter Traub. Heute erwarteten eben alle Arbeitnehmer, dass sich Arbeitszeiten an das Privatleben anpassen und nicht umgekehrt.

Erst auf dem fünften Platz der Liste treten Unterschiede zwischen den Altersgruppen zutage. 38,1 Prozent der Befragten aus der Generation Y (20-29-Jährige) halten eine abwechslungsreiche Tätigkeit für besonders wichtig, damit landet dieses Kriterien an fünfter Stelle.

Bei Vertretern der sogenannten Generation X (30-39-Jährige) rangieren hier mit 30,9 Prozent Weiterbildungsprogramme. Offenbar wollen Über-30-Jährige durch viele Schulungen auch langfristig auf dem Arbeitsmarkt konkurrenzfähig bleiben. Für die 50-65-jährigen Baby Boomers dagegen liegt - wenig überraschend - eine gute betriebliche Altersvorsorge an fünfter Stelle der Prioritätenliste.

Davon, dass für junge Arbeitnehmer Sinn mehr zählt als Status, wie die bereits zitierte Zeit-Autorin Kerstin Bund euphorisch schrieb, kann also keine Rede sein. Und es handelt sich bei der Studie im Orizon-Auftrag keineswegs um eine irrelevante Momentaufnahme. Sondern um eine repräsentative Betrachtung, die soziodemographische Merkmale wie Alter, Geschlecht und Schulbildung durch entsprechende Gewichtung mit einbezieht.