Customizing einschränken

Wie Firmen ihre Softwareprojekte unter Kontrolle halten können

Noch immer ufern große Standardsoftware-Einführungen kostspielig aus, weil Customizing stattfindet, wo es nur Kosten, aber keinen Nutzen verursacht. Deshalb sind Hausaufgaben vorab wichtig: Was sind meine Kernprozesse?

IT-Profis aus großen Unternehmen kennen das Szenario: Ein komplexes, großes Software- und Transformationsprojekt wird aufgesetzt, das viele Millionen Euro kostet. Monatelang arbeiten Business und IT Seite an Seite an den Spezifikationen, einigen sich auf Business-Ziele, Umfang, Kosten und Zeitrahmen. Sie engagieren einen Systemintegrator für Design und Implementierung. Um Komplexität und damit höhere Kosten zu verhindern, nehmen sie sich fest vor, eng am Standard zu bleiben.

Bei großen IT-Projekten braucht die IT von Anfang an eine starke Rolle.
Bei großen IT-Projekten braucht die IT von Anfang an eine starke Rolle.
Foto: alphaspirit, Fotolia.com

Nach und nach reagieren die Anwender alarmiert und beginnen laut über die vermeintlichen Folgen der Softwareeinführung nachzudenken. Sie beginnen über die Spezifikationen zu diskutieren. Gravierende Veränderungen drohen. Die Angst wächst - und mit ihr Zahl der gewünschten Anpassungen. Oft steckt dahinter nichts anderes als der heimliche Wunsch, die gewohnte Arbeitsweise in die neue Softwarewelt hinüber zu retten.

Egal ob die Veränderungswünsche substanziell oder nur "nice to have" sind: Sie beginnen sich zu häufen und erhöhen die Komplexität von Software und Einführungsprojekt. Termine werden überschritten, Budgets überzogen. Das Verhältnis von Business und IT, oftmals ohnehin belastet, verschlechtert sich weiter. Für CIOs ist das besonders riskant: Ihr Stuhl wackelt zuerst, wenn Großprojekte ins Schlingern geraten.

Wie Anwender an solche Projekte herangehen sollten, das haben Jens Niebuhr, Eduard Gracia und Abhishek Pathak untersucht. Die drei Manager von Strategy&, vormals Booz & Company, gehen in ihrer Analyse "Preventing complexity drift. A capabilities-driven approach to IT program success" ins Detail.

Was macht den Geschäftserfolg aus?

Solche Projekte stehen und fallen demnach mit der Fähigkeit, Softwareanpassungen sinnvoll zu managen. Voraussetzung dafür ist ein klares gemeinsames Verständnis der Geschäftsstrategie und der Ziele, denen das neue System dienen soll. Es geht immer um die Fragen: Was ist wirklich erforderlich, damit das Unternehmen erfolgreich am Markt ist? Und welche Funktionen und Prozesse müssen dafür unterstützt werden? Erst wenn das allen klar ist, verfügen IT-Leiter über die richtigen Informationen, um das Projekt ausrichten und dimensionieren zu können.

Wer einen Anhaltspunkt haben möchte, ob ein laufendes Transformationsprojekt ausufert, sollte einmal die Zahl der von Anwendern gewünschten Modifikationen und Add-ons erheben, die das System in seinen Standardfunktionen nicht abbildet. Solche "Customizations" sind nicht mit den gängigen Einstellungen und Konfigurationen zu verwechseln, die jedes System vorsieht und die keine Abkehr vom Standard bedeuten. Jede Customization erhöht ausnahmslos den Design- und Implementierungsaufwand, führt zu zusätzlicher Komplexität beim Testing und schafft neue Deployment-Risiken. Die Kosten vervielfachen sich über den gesamten Software-Lebenszyklus hinweg, zumal das System gepflegt und via Upgrades aktuell gehalten werden muss.