Datev-Chef Dieter Kempf im Gespräch

„ZUGFeRD wird der neue Standard für elektronische Rechnungen“

Das Rechnungswesen kann rein elektronisch laufen

CW: Wird sich damit das Ersetzende Scannen durchsetzen, so dass Unternehmen keine Papierbelege mehr vorhalten müssen?

Dieter Kempf: Das Ersetzende Scannen ist im Prinzip eine Übergangslösung, bei der Papierbelege digitalisiert und dann weiterverarbeitet aber auch archiviert werden. Bereits in unseren Mustergerichtsverfahren konnten wir zeigen, dass diese digitalisierten Dokumente dieselbe Beweiskraft haben wie das Original auf Papier. Benötigt wird Ersetzendes Scannen, solange Rechnungen auf Papier versandt werden. Wir können aber bereits heute auch rein elektronische Prozesse im Rechnungswesen darstellen. Mit dem ZUGFeRD-Verfahren ist es technisch leicht möglich, den Buchungssatz unveränderbar mit dem Beleg zu verbinden. Damit sollten die letzten Vorbehalte der Finanzverwaltung gegen die Nutzung einer digitalen Datei statt eines Papierdokuments entfallen. Technisch gibt es keinen Grund mehr, an digital archivierten Belegen zu zweifeln - seien es nun Scans oder original elektronisch übermittelte Rechnungsinformationen. Große Papierarchive sollten künftig in jedem Fall der Vergangenheit angehören.

CW: Mit ZUGFeRD dürften die IT-Anforderungen im Rechnungswesen stark steigen.

Dieter Kempf: Derzeit ist Big Data Analytics im Rechnungswesen eher harmlos. Wenn wir bei ZUGFeRD-Daten auch den unstrukturierten - also den Bilddatenteil einer PDF-Rechnung - auswerten, dann bekommen wir komplexere Anforderungen. Doch das ist alles machbar. In der Analyse läuft die Rechnungswesen-IT relativ problemlos. Wenn wir hier die Daten erweitern, etwa um Börsenkurse oder andere betriebswirtschaftliche Daten, wo sich große Mengen strukturierter Daten in Sekundenbruchteilen verändern, dann sind wir auf einem deutlich höheren Komplexitätslevel.

CW: Wie schnell wird sich Big Data Analytics in der mittelständischen Wirtschaft durchsetzen?

Dieter Kempf: Im Rechnungswesen werden sich aufgrund von ZUGFeRD durchgängige Systeme Zug um Zug behaupten. Eine stärkere Entwicklung sehe ich aber beim Thema Industrie 4.0 und dem Internet der Dinge. Da wird sich in mittelständischen Betrieben außerhalb des Rechnungswesens viel mehr tun - insbesondere bei produzierenden Unternehmen. Und nicht nur dort: In wenigen Jahren kann ich mir auch IT-gesteuerte dynamische Preisanpassungen im Handel vorstellen.

Für das Speichern und Auswerten der enormen Datenmengen braucht man allerdings auch Datenbanken, die damit umgehen können. SAP ist hier mit der In-memory-Datenbank HANA sicher den richtigen Weg gegangen.

CW: Spielt Business Intelligence Software im Mittelstand heute überhaupt eine Rolle?

Dieter Kempf: Im Rechnungswesen weniger, aber in der Produktionsplanung und -steuerung durchaus. Wenn beispielsweise eine Losgröße von eins angepeilt wird, dann kann diese sehr hilfreich sein.

CW: Halten Sie es für sinnvoll, Datenströme aus Social-Media-Aktivitäten zu analysieren?

Dieter Kempf: Natürlich gibt das, je nach Ziel und Zweck der Analyse, Sinn. Stellen Sie sich vor, Sie wollen ein T-Shirt mit dem Konterfei des gerade beliebtesten Fußballspielers auf den Markt bringen. Dann wäre es schon ganz probat die Frage der Beliebtheit über die Einträge in Social-Media-Plattformen zu klärn und dann auch gleich noch auf diesen Plattformen einen Bestellvorgang zu ermöglichen.

Anderes Beispiel aus der Autobranche: Ich könnte mir vorstellen, dass Kunden über Social Media- Technologien beispielsweise am Design von Rücklichtern beteiligt werden. Warum nicht individuelle Rücklichter für das eigene Fahrzeug bestellen? Verknüpft man diese Anforderungen mit den Möglichkeiten von Industrie 4.0 dann lässt sich das sogar einigermaßen kostengünstig umsetzen. Bei Bauteilen, bei denen es nicht um Fahrzeugsicherheit geht, könnte man sich sogar vorstellen, dass der Kunde sie irgendwann an seinem 3D-Drucker ausdrucken kann.