Bewerben für Einsteiger

Wo hat meine Bewerbung eine Chance?

Bewerber erliegen oft dem Herdentrieb. Das heißt, sie bewerben sich zunächst bei Konzernen, die als die begehrtesten Arbeitgeber gelten - selbst wenn klar ist, dass sie dort keine Chance haben.

"Eine Stelle finden? Kein Problem!" - das dachte die frischgebackene Betriebswirtin Celina Klink vor einem Jahr. "Zwar sind die Noten auf meinem Masterabschluss im Bereich Marketing nicht absolut top, doch dafür spreche ich fließend Englisch und Französisch fast perfekt, weil ich ein Jahr in Paris studiert habe." Entsprechend zuversichtlich war die damals 24-Jährige anfangs, als sie sich bewarb. Ihre Zuversicht schrumpfte, als sie in den Folgemonaten auf ihre zahlreichen Online-Bewerbungen bei Großunternehmen entweder außer der automatischen Empfangsbestätigung gar keine Antwort bekam oder eine nett formulierte, eindeutige Absage. "Meine knapp 60 Bewerbungen im ersten Halbjahr waren alle ein Flop", stellt Celina Klink rückblickend fest. "Nicht einmal zu einem Vorstellungsgespräch wurde ich eingeladen."

Ähnlich erging es Lukas May. Auch er dachte, es würde ihm nicht schwerfallen, nach seinem Informatikstudium eine Stelle zu finden. Es überraschte ihn, dass auch er nur Absagen bekam. Zwar waren seine Noten nicht die allerbesten, und er hatte die Regelstudienzeit deutlich überschritten, weil er sein Studium weitgehend selbst finanzierte. Dafür hatte er in seinen zahlreichen Jobs, unter anderem bei IT-Dienstleistern, bereits reichlich Programmier- und Projekterfahrung gesammelt. Doch das interessierte die angeschriebenen Unternehmen offensichtlich nicht. Zumindest hatte er ein halbes Jahr nach Studienende immer noch keine feste Stelle.

Absagen sind oft vorhersehbar

"Ähnliche Erfahrungen sammeln viele Hochschulabgänger", betont Personalberater Alexander Walz, Stuttgart, "obwohl alle Welt von einem Mangel an Fach- und Führungskräften spricht." Wenn sie keine 1A-Abschlüsse von einigermaßen renommierten Hochschulen haben, bekommen sie auf ihren ersten und zweiten Schwung Bewerbungen oft nur Absagen, selbst wenn sie wie Celina Klink Auslandserfahrung oder wie Lukas May Praxiserfahrung haben. "Doch daran sind die Bewerber häufig selbst schuld." so Walz. Sie verfahren nach der Devise: "Vielleicht habe ich ja Glück." Sie analysieren nicht zunächst, wo sie aufgrund ihres Abschlusses, ihrer Noten sowie ihrer Jobs und Praktika eine realistische Chance haben.

Stattdessen folgen sie dem Herdentrieb und bewerben sich zunächst fast alle bei den börsennotierten internationalen Konzernen, die bei Befragungen von Studierenden am häufigsten als die beliebtesten Arbeitgeber genannt werden - unabhängig davon, ob diese Porsche oder BMW, Google oder SAP, Adidas oder L'Oréal heißen.

Über diese Unternehmen ergießt sich eine Flut von Bewerbern. Sie können diejenigen Bewerber auswählen, deren Abschlüsse absolut top sind und die auch ansonsten einiges vorzuweisen haben. Die restlichen Bewerber erhalten eine Absage, die vorhersehbar war.

Aus der falschen Strategie erwachsen Probleme

Das könnte man als Erfahrung abhaken, wenn aus diesem Verhalten nicht oft ein Folgeproblem für die Bewerber resultieren würde. Bis so mancher Hochschulabsolvent begriffen hat, wo sich eine Bewerbung wirklich lohnt, vergeht viel Zeit. Wenn er sich bei den richtigen Unternehmen, häufig Mittelständlern, bewirbt, hat er schon sechs bis zwölf Monate Stellensuche hinter sich. Das führt automatisch dazu, dass sich die nun kontaktierten Unternehmen fragen, warum der Bewerber noch keine Stelle fand. Sie beäugen den Bewerber kritischer, als wenn sein Abschluss noch druckfrisch wäre. So war es auch bei Celina Klink. Als sie sich endlich auch bei Mittelständlern und "Hidden champions" bewarb, wurde sie in den Vorstellungsgesprächen stets gefragt, was sie die letzte Zeit gemacht habe und weshalb sie sich erst jetzt bei diesem Unternehmen bewarb.

Analysieren: Wo habe ich eine realistische Chance?

Auch bei Lukas May dauerte es fast ein halbes Jahr, bis ihm klar wurde, dass er seine Bewerbungsstrategie ändern müsse. Er analysierte mit einem befreundeten berufserfahren IT-ler, welche größeren Unternehmen in der Region einen Informatiker mit seinem Profil brauchen könnten. Eines dieser Unternehmen war die Bausparkasse Schwäbisch Hall - "ein Unternehmen, das ich zuvor als potenziellen Arbeitgeber gar nicht auf dem Monitor hatte, weil mir nicht bewusst war, dass auch für Banken viele Informatiker arbeiten". May bewarb sich und hatte nach zwei Vorstellungsgesprächen, "in denen meine Noten und meine Studiendauer eigentlich nie ein Thema waren", eine feste Stelle.

Weniger glücklich verlief die weitere Stellensuche bei Celina Klink. Denn in den Vorstellungsgesprächen fragten die Mittelständler sie auch regelmäßig, über wie viel Praxiserfahrung sie im Marketingbereich verfügt. Ob sie zum Beispiel wisse, worauf man bei der Konzeption und beim Einsatz der verschiedenen Marketinginstrumente achten müsse. Und da musste sie eingestehen: "Ich habe zwar Internationales Marketing studiert, doch davon habe ich wenig Ahnung." Deshalb arbeitet sie heute, mangels Alternative, als Praktikantin bei einer Werbeagentur, um sich das noch fehlende Praxiswissen anzueignen.

Wenn die Bewerbung erfolgreich war: