CeBIT 2014

Weltgrößte Computermesse stellt sich Daten-Ängsten

Diese CeBIT wird anders: Die IT-Industrie muss sich einer veränderten Stimmung nach dem NSA-Skandal stellen. Kanzlerin Merkel macht Druck für mehr Datensicherheit. Und erstmals ist die weltgrößte Computermesse gar nicht mehr für private Besucher gedacht.

Die IT-Industrie hofft zum Start der CeBIT auf neue Geschäfte mit Rückenwind des NSA-Skandals. Der Datenschutz steht fest im Mittelpunkt der weltgrößten Computermesse. Volkswagen-Chef Martin Winterkorn schlug am Sonntag eine Allianz der Autobauer gegen Datenmissbrauch in vernetzten Fahrzeugen vor. Bundeskanzlerin Angela Merkel rief bei der Eröffnung zu mehr Datensicherheit auf. Die Entwickler der Technik für die abhörsicheren Handys der Bundesregierung kündigten einen Dienst mit verschlüsselten Telefongesprächen für Unternehmen und Verbraucher an.

Die Düsseldorfer Firma Secusmart mit ihrer Technologie für sichere Sprachtelefonie geht dafür eine Kooperation mit dem Telekom-Riesen Vodafone ein. Der Dienst "Secure Call" soll über eine App auf verschiedenen Smartphone-Plattformen laufen. Die Idee sei "ein Kanzler-Handy für alle", sagte Secusmart-Chef Hans-Christoph Quelle. Zielgruppe seien zunächst Unternehmen. Vodafone bietet zusätzlich Verschlüsselung für alle Daten mit Hilfe der SIM-Karte an. Auch die Deutsche Telekom bewirbt auf der CeBIT ihre Verschlüsselungs-Dienste.

Merkel machte sich für internationale Datenschutz-Anstrengungen stark. "Ich glaube, wir sind erst am Anfang dessen, was da zu leisten ist, denn das kann natürlich national alleine nicht gemacht werden", betonte sie in der Eröffnungsrede. "Wir haben jetzt erst einmal unsere Hausaufgaben in Europa zu machen."

Der Präsident des IT-Branchenverbandes Bitkom, Dieter Kempf, bekannte sich zur Datensicherheit: "Wer Daten nutzen will, muss auch für ihren Schutz eintreten." Zugleich betonte er, die Vernetzung des Alltags sei nicht aufzuhalten, denn es werde "alles digitalisiert werden, was sich digitalisieren lässt".

Umfragen zeigen, dass die NSA-Enthüllungen das Misstrauen gegenüber der Datenauswertung geschürt haben. In einer Bitkom-Umfrage erklärten 59 Prozent, der NSA-Skandal habe ihre Haltung zur Datenverarbeitung negativer gemacht. Der Anteil der Verbraucher, denen die Datenmengen Sorgen bereiten, stieg binnen eines Jahres von 50 auf 62 Prozent.

Zugleich setzen immer mehr Unternehmen in Deutschland auf die als "Big Data" bekannte Auswertung von Datenbergen. Laut einer Bitkom-Umfrage haben 31 Prozent der Firmen konkrete Pläne dafür. Bisher nutzt solche Anwendungen erst knapp jedes zehnte Unternehmen.

"Das Auto darf nicht zur Datenkrake werden", betonte Winterkorn zur Eröffnung. Die Autobauer schützten ihre Kunden vor Gefahren wie Aquaplaning, Sekundenschlaf oder Staus. "Und mit dem gleichen Pflichtbewusstsein werden wir unsere Kunden auch vor dem Missbrauch ihrer Daten schützen", sagte der VW-Chef. "Wir brauchen eine Art Selbstverpflichtung der Automobilindustrie." Die VW-Tochter Audi demonstrierte einen Prototypen des Cockpits für ein selbstfahrendes Auto. Die Studie "James 2025" hat ein Lenkrad, das sich auseinanderklappt und eine verschwindende Instrumententafel.

Die CeBIT richtet sich in diesem Jahr erstmals ausschließlich an professionelle Anwender. An den fünf Messetagen bis Freitag werden rund 230 000 Fachbesucher erwartet - so viele wie 2013. Damals kamen allerdings noch 43 000 Privatbesucher dazu. Erstmals seit 2008 kommen nach Angaben der CeBIT mit 55 Prozent wieder mehr als die Hälfte der rund 3400 Aussteller aus dem Ausland. "Die CeBIT ist die einzige Veranstaltung, die die Wertschöpfungskette der gesamten Branche abbildet", betonte Messe-Chef Oliver Frese. Partnerland ist diesmal Großbritannien - das birgt Konfliktstoff, weil der britische Geheimdienst GCHQ ein zentraler Partner des US-Abhördienstes NSA ist. Der britische Premier David Cameron ging in seiner Rede nicht auf das Thema ein und warb stattdessen für britische Start-ups.

Microsoft-Deutschlandchef Christian Illek räumte ein, die NSA-Affäre habe das Vertrauen erschüttert. Ein Schulterschluss von IT-Industrie, Politik und Verbrauchern sei nötig, um dies zu überwinden.

Die IT-Industrie rechnet 2014 mit moderatem Wachstum in Deutschland. Der Umsatz mit Informationstechnologie, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik werde um 1,7 Prozent auf 153,4 Milliarden Euro steigen, kündigte der Bitkom-Verband an. In China wachse der Markt dagegen um 11,3 Prozent und in den USA um 4,0 Prozent. (dpa/mje)