Teile und herrsche

Was moderne eCommerce Plattformen von der Internationalen Raumstation ISS lernen können

Zalando wechselt vom Standard-Shop-System Magento auf eine Eigenentwicklung. Otto beendet die Zusammenarbeit mit Intershop. Die Schlagzeilen haben die Branche aufgerüttelt. Beide Firmen sind im Online-Handel extrem erfolgreich. Stellt sich die Frage: Was ist das Geheimnis ihrer eCommerce-Plattform-Strategie?

Monolithische Standard-Shop-Systeme sind der hohen Dynamik im eCommerce nicht mehr gewachsen. Bei genauerer Betrachtung liegt der »Systemfehler« in der zu engen Verbindung von Shop-Frontend und -Backend. Was auf den ersten Blick praktisch erscheint, wird zum Stolperstein, wenn es um hohe Flexibilität oder komplett neue Geschäftsmodelle geht.

Bei Zalando.de sagt man zum Beispiel etwas überspitzt: Es handelt sich in erster Linie gar nicht um einen Webshop, sondern um eine hocheffiziente SEO-Maschinerie. Das Frontend ist extrem auf die Generierung von Traffic ausgelegt. Durch die hohen Besucherzahlen ergeben sich die Bestellungen quasi nebenbei.

Bei weit über 100.000 Artikeln und mehreren Millionen Suchmaschinen-optimierten Keywords ist ein hoher Automatisierungsgrad Pflicht. Das heißt, das Shop-Frontend muss möglichst direkt von spezialisierten SEO/SEM-Systemen bespeist werden. Das ist allerdings nur möglich, wenn das Frontend vom Backend entkoppelt wird.

Otto wiederum geht mit seiner neu entwickelten Plattform Lhotse in die Breite. Die »leichtgewichtige« Softwarearchitektur ermöglicht den schnellen und flexiblen Start dutzender Nischenshops. Mit dem Projekt Collins und der neu entwickelten Plattform aboutyou.de geht man sogar noch einen Schritt weiter. Hier können externe Entwickler eigene Plugins schreiben, um damit neue Erlebniswelten aufzubauen. Mit viel Kreativität entsteht vielleicht ein komplett neues eCommerce Ökosystem. Mit einem Shop von der Stange sind solch innovative Geschäftsmodelle sicherlich nicht umsetzbar.

Was ist das Geheimnis dieser hochflexiblen eCommerce Plattformen?

Die Architektur der Internationalen Raumstation ISS macht es vor: Viele Nationen entwickeln unterschiedliche Funktionsmodule und letztendlich fügt sich alles zu einem leistungsfähigen Gesamtsystem. Und, es sind weitere Anwendungen erweiterbar, die heute noch gar nicht bekannt sind.

ISS 16zu9
ISS 16zu9
Foto: NASA

Auch in der Informatik ist das Prinzip der komponentenbasierten Softwareentwicklung seit langem bekannt. Logisch zusammengehörige Funktionen werden in Softwaremodulen gekapselt. Diese sind nicht fest verdrahtet, sondern kommunizieren über standardisierte Schnittstellen. Dieses Prinzip gilt es, im eCommerce über die Grenzen einzelner Anwendungen hinweg zu erweitern. Warenwirtschaft, Middleware und Frontend System bilden keinen monolithischen Block mehr, sondern kommunizieren über intelligente Webservices auf Basis des Datenformats XML. Ergänzt durch eine Plugin-Technologie entsteht so ein hochflexibles eCommerce-Ökosystem.

Trend: Flexible Integrationsplattformen statt monolithischer Standard-Shop-Systeme

Eine Middleware als zentrale Integrationsplattform und Übersetzer dient als Datendrehscheibe der Satelliten-Systeme. Warenwirtschaft und Logistik auf der einen sowie Shops und Marktplätze auf der anderen Seite werden über Performance-optimierte Schnittstellen synchronisiert. Heute nur der eigene Online-Shop, morgen eventuell zusätzlich über eBay und Amazon verkaufen und übermorgen Mobile-Commerce­ - mit diesem Systemprinzip kein Problem. Die eCommerce Lösung-passt sich dem Geschäftsmodell dynamisch an und nicht umgekehrt.

Genau für Projekte dieser Art benötigt man spezielle Middleware als Integrationsplattform. Darin eingebettete hochperformante Austauschprozesse verbinden ERP-Systeme von SAP, Microsoft, Sage und vielen weiteren mit den Verkaufskanälen eBay, Amazon, Rakuten & Co. Darüber hinaus können aktuelle Shop-Frontends wie von Shopware oder die hauseigene Enterprise Shop-Engine angebunden werden. Auch weitere Touchpoints über Mobile oder PoS-Systeme sind möglich.