Einsteiger mit hohen Ansprüchen

Vorstellungsgespräche mit der Generation Y

In Bewerbungsgesprächen fremdeln viele IT-Chefs mit den hohen Ansprüchen der Jobeinsteiger. Doch mit kollektivem Kopfschütteln über die Generation Y lassen sich keine Stellen besetzen. Nur wer die Kandidaten versteht, wird sie für seine Abteilung gewinnen können.

Ulf Schubert sucht keine neue Stelle. Trotzdem fühlt sich der Abteilungsleiter bei der Datev in Nürnberg in letzter Zeit häufig wie ein Bewerber. Das ist der Fall, wenn vielversprechende Kandidaten im Rahmen von Stellenausschreibungen Fragen stellen wie "Können Sie mir mal etwas über das Team erzählen?" oder "Woran machen Sie fest, dass ich meine Arbeit gut erledigt habe?" Nicht nur der Bewerber, auch Schubert muss in solchen Gesprächen immer top vorbereitet sein. "Ich bin nicht nur der Interviewer", sagt der Software­entwickler, "sondern auch der Interviewte."

Ulf Schubert, Datev: „Ich muss in Vorstellungsgesprächen mit Bewerbern top vorbereitet sein, weil ich selbst zum Interviewten werden.“
Ulf Schubert, Datev: „Ich muss in Vorstellungsgesprächen mit Bewerbern top vorbereitet sein, weil ich selbst zum Interviewten werden.“
Foto: Datev eG

Eine neue Machtverteilung bestimmt derzeit die Bewerbungsgespräche. Die Jobeinsteiger der Generation Y, also der nach 1980 Geborenen, stellen potenzielle Arbeitgeber vor neue Herausforderungen. "Die Zeit pflegeleichter Jobinterviews ist vorbei", bestätigt auch Henrik Zaborowski, Recruiting Coach aus Bergisch Gladbach bei Köln. "Da die Zahl der Querdenker immer mehr zunimmt, werden die Gespräche zunehmend anstrengender."

Die Hälfte der Einsteiger will Chef werden

Die Ansprüche der Einsteiger sind ungewöhnlich hoch. Gemäß dem aktuellen IT-Graduate Barometer, für das das Berliner Trendence Institut hierzulande mehr als 6000 IT-Absolventen befragt hat, strebt mehr als die Hälfte der Jobeinsteiger eine Führungsaufgabe an (53 Prozent). 2002 waren es erst 45 Prozent. Zudem sehen sich immer mehr Berufsanfänger auf bestem Wege zum Experten.

Während 2002 noch 61 Prozent der Befragten hofften, in der Breite Fähigkeiten zu erwerben, finden dies heute nur noch 43 Prozent erstrebenswert. Der Wunsch nach Spezialisierung stieg im selben Zeitraum von 39 auf 57 Prozent. Dazu erwarten 74 Prozent aller ­Anfänger ganz selbstverständlich, den Lebensstandard ihrer ­Eltern mindestens zu erreichen - eher noch zu übertreffen.

Frage nach Work-Life-Balance kommt immer

Für Arbeitgeber ist das nicht lustig, sind sie doch auf den IT-Nachwuchs angewiesen. Und so müssen sie sich, genauso wie die Kandidaten, intensiv auf Vorstellungsgspräche vorbereiten. Dabei sollten sie im Bewerbungsgespräch auf Überraschungen gefasst sein - auf unbequeme Fragen, auf kritisches Nachhaken und nicht zuletzt auf ein ausgeprägtes Ego ihres Gegenübers.

Stephen Scholl kennt das. Der 49-Jährige wählt in der Abteilung People & Organization Strategy bei Vodafone rund 300 Berufseinsteiger pro Jahr für ein duales Studium aus. "Die Kandidaten wissen, was sie können, und sie wissen, was sie wollen", sagt der Vodafone-Manager. An Selbstbewusstsein mangele es der neuen Generation nicht. "Sie stellen heute Fragen, die früher ein No-go gewesen wären." So ist es völlig selbstverständlich geworden, dass sich Bewerber nach der Work-Life-Balance erkundigen.

Stephan Scholl, Vodafone: „Ein selbsterstelltes Video ist Digital Natives wichtiger als ein Firmenwagen."
Stephan Scholl, Vodafone: „Ein selbsterstelltes Video ist Digital Natives wichtiger als ein Firmenwagen."
Foto: Vodafone GmbH

Um bei diesem Thema zu punkten, kann Scholl die Angebote seiner Firma aus dem Effeff herunterbeten: flexible Zeiten, mobiles Arbeiten, firmeneigenes Sportstudio, medizinische Versorgung. Klassische Statussymbole dagegen haben an ­Attraktivität verloren. Wichtig sei den Leuten aus der Generation Y, so Scholl, möglichst bald dazuzugehören und eigenverantwortlich mitzugestalten: "Ein Video in Eigenregie erstellt zu haben, das nachher bei Youtube abrufbar ist, gibt ihnen mehr als ein Dienstwagen oder ein eigenes Büro."

So viel Verständnis zeigen nicht alle Führungskräfte in der IT. "Die Generation Y ruft bei vielen Vorgesetzten Kopfschütteln hervor", beobachtet Recruiting-Coach Zaborowski. Doch die Führungsriege solle sich nicht täuschen lassen. Im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung vieler Chefs seien die jungen Leute keine arbeitsscheuen Weicheier. Sie wüssten durchaus, was Arbeit sei, nicht zuletzt von ihren ­Eltern - "aber zugleich kennen sie ihren Wert, den sie dazu beitragen können". Zaborowski empfiehlt Einfühlungsvermögen auf beiden Seiten. Nur mit dem Finger auf den anderen zu zeigen, helfe niemandem.

Wahlfreiheit steht auf der Tagesordnung

Doch warum stellen junge Fachkräfte heute so selbstverständlich höchste Anforderungen an ihren künftigen Arbeitgeber und die Vorgesetzten? Die Betriebswirtschaftlerin Jutta Rump hat eine Erklärung: "Die Haltung in den Jobinterviews spiegelt den Erziehungsstil wider, den diese jungen Bewerber genossen haben. Die Eltern haben ihnen einen perfekten Mix aus Aufmerksamkeit, Fürsorge und Freiheit geboten. Im Job erwarten sie dasselbe nun auch von ihren Vorgesetzten."

Rump, die als Professorin an der Hochschule Ludwigshafen lehrt und zudem Direktorin des Instituts für Beschäftigung und Employability (IBE) in Ludwigshafen ist, beobachtet, dass die Generation Y in einer "multioptionalen Gesellschaft" aufwachse. "Wahlfreiheit ist für den Nachwuchs selbstverständlich, Anpassung ist kaum nötig", sagt sie.

Frage nach Stärken und Schwächen ist out

Führungskräfte müssen sich umstellen. "Die wenigsten von ihnen sind auf die Generation Y vorbereitet", sagt Uta Rohrschneider, Geschäfts­führerin der Management-Beratung Grow.up in Gummersbach. "Dies betrifft nicht nur die Ü-50-Generation, sondern selbst Vorgesetzte Mitte 30."