Echtzeitkommunikation

Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten für WebRTC

Mitunter als Skype-Rivale bezeichnet, eröffnet die Kommunikation mit WebRTC weit mehr Möglichkeiten. So lassen sich damit doch über den Browser quasi in Echtzeit auch Daten austauschen.

Google Chrome unterstützt es schon seit Ende 2012, Mozilla Firefox und Opera sind Mitte 2013 nachgezogen und bald folgten, jeweils zunächst versuchsweise, auch Android- und iOS-Versionen. Es geht um das von Google mit der Firma Global IP Solutions 2010 erworbene, aber bald für alle zugänglich quelloffen gemachte WebRTC. Ausgeschrieben Web Real Time Communication, steht dieses für die Echtzeitkommunikation ohne Plug-ins oder zusätzliche Software rein über den Browser. Dass das World Wide Web Consortium (W3C) noch nicht die Standardisierung freigegeben hat, liegt vor allem daran, dass noch an sicheren Spezifizierungen für die APIs gefeilt wird.

Peer-to-Peer von Browser zu Browser

Bei aller Rivalität scheinen sich Hugh Finnan von Googles Chrome-Team und sein Kollege Todt Simpson von Mozilla für Firefox in diesem WebRTC sehr gut zu verstehen.
Bei aller Rivalität scheinen sich Hugh Finnan von Googles Chrome-Team und sein Kollege Todt Simpson von Mozilla für Firefox in diesem WebRTC sehr gut zu verstehen.
Foto: Klaus Hauptfleisch (Screenshot)

Peer-to-peer lassen sich aber eben über den Webbrowser, ob Chrome, Firefox oder Opera, für Webkonferenzen oder Unified Communication nicht nur Text und Multimedia-Inhalte zwischen verschiedenen Endgeräten übertragen, sondern auch beliebige Dateien, womit sich viele B2B-Möglichkeiten eröffnen. Die schnelle Übertragung von Dateien läuft über eigens dafür vorgesehene RTC-Datenkanäle, die anders als AJAX oder WebSocket eben Peer-to-Peer-Verbindungen zulassen. Außerdem nutzen sie das assoziative Stream Control Transmission Protocol (SCTP), um große Datenmengen zwar zusammenhängend, aber doch ungeordnet sehr schnell übertragen zu können.

Als Framework dienen HTML5 und JavaScript, die vergleichsweise wenige Routinen erfordern. So lässt sich schon mit wenigen Zeilen ein Video-Stream einrichten, was nicht nur die Programmierung erleichtert, sondern auch den Anwendungsfluss. Dem kommt auch zugute, dass anders als bei Skype und Co. kein datenhungriger Server nötig ist. Die Geschwindigkeit der Übertragung wird letztendlich natürlich auch von der Netzwerkinfrastruktur bestimmt. Denn ohne Breitbandverbindungen keine Echtzeit.

Mit der Kommunikation und Datenübertragung quasi in Echtzeit geht WebRTC weit über Voice-over-IP (VoIP) oder Video-Telefonie hinaus und ist es mehr als nur ein Konkurrenzprodukt von Skype. Das von Microsoft 2011 für 8,5 Milliarden Dollar erworbene Quasi-Monopol im Bereich der Desktop-VoIP-Anwendungen könnte damit mächtig ins Wanken geraten. Kein Wunder, dass die Gates-Company sich mit der Unterstützung von WebRTC zurückhält und mit CU-RTC (Collaborative, Ubiquitous RTC) einen eigenen internationalen Standard durchdrücken will. Dabei soll Microsoft mit Skype ursprünglich durchaus eigene Pläne für WebRTC gehabt haben.

Starke Anwendungsbeispiele

Während manche WebRTC noch als neuen Hype sehen, der wie andere irgendwann verpuffen wird, macht immer mehr das Schlagwort von der Disruptive oder verdrängenden Technologie der Zukunft die Runde. Der WebRTC-Guru Chris Kranky vergleicht die Frage nach dem Business Case (Geschäftsszenario) für WebRTC schon mit dem Mann, der auf dem Dach seines überfluteten Hauses das Rettungskommando wegschickt mit den Worten, Gotte werde ihn schon retten. Er ertrinkt daraufhin. Im Himmel angekommen, erhält er auf die Frage, warum Gott ihn nicht gerettet habe, die Antwort, er habe ihm ja Retter geschickt.

Kundenservice, UC-Lösungen, Schulungen und Bildung, Webkonferenzen, Social Media und Dating-Plattformen sind bereits mehr oder weniger starke Fälle für WebRTC, sagen die Experten von Disruptive Analysis.
Kundenservice, UC-Lösungen, Schulungen und Bildung, Webkonferenzen, Social Media und Dating-Plattformen sind bereits mehr oder weniger starke Fälle für WebRTC, sagen die Experten von Disruptive Analysis.
Foto: Disruptive Analytics

Dean Bubley, ein anderer britischer WebRTC-Experte und Gründer der Marktforschungsfirma Disruptive Analysis, verweist in seinem Blog Disruptive Wireless auf eine hauseigene Studie, wonach im ersten Quartal 2014 schon über eine Milliarde Geräte WebRTC unterstützten. Bis Ende 2016 sollen es 4,6 Milliarden Stück sein, wobei die Anzahl der aktiven Nutzer gleichzeitig auf 1,8 Milliarden anwachsen soll. Da es bei einem Gutteil der unterstützenden Geräte um Smartphones handelt, sollten laut Bubley besonders die Mobilfunkbetreiber den Markt nicht verschlafen. Mehr dazu später.

Ein riesiger Wachstumsmarkt

Schon jetzt sind laut Disruptive Analysis über eine Milliarde Geräte WebRTC-fähig, stark wachsend ist das Segment der Smartphones.
Schon jetzt sind laut Disruptive Analysis über eine Milliarde Geräte WebRTC-fähig, stark wachsend ist das Segment der Smartphones.
Foto: Disruptive Analysis

Was den Einsatz von WebRTC angeht, sieht Disruptive Analysis in einer Studie vom März 2014 Nutzungsszenarien in Kundenservice, Call Center und Kundenplattformen ganz vorn. Dabei sollen sich Amazon mit dem HDX Mayday Button auf dem neuen Kindle Fire, sowie American Express, Telefonica Tuenti und Telenor neben UC-Anbietern und Entwicklerforen und Google Chromecast am aktivsten zeigen. An zweiter Stelle folgen Consumer Web Apps und Enterprise Unified Communications (UC).

Darunter fallen laut Disruptive Analysis unter anderem 1-zu-1-Fernstudienlehrgänge, Schulungen und Verkaufsgespräche, Videochats, Webkonferenzen und Consumer-VoIP-Anwendungen einschließlich Kontaktbörsen. Als noch in der pre-kommerziellen Phase sieht die Studie vertikale Nischenlösungen in den Bereichen Finanzen, Gesundheit und Reisen, Corporate Conferencing und Content Delivery Networks (CDNs) sowie File- und Screensharing (Den Austausch von Dateien und Bildschirminhalten). Andere Anwendungen wie IMS Extension, IPTV, M2M (Machine-to-Machine) und Unterhaltungselektronik seien noch in der Versuchsphase, so die Studie.

Call Center sind natürlich ein ganz starker Fall für WebRTC, eine Umfrage hat aber Logitech zufolge ergeben, dass viele die Gefahr sehen, ein versehentliches Betätigen der Click-to-Call-Funktion könne dazu führen, dass man gegen den eigenen Willen bei einem Call-Center-Mitarbeiter landet.