"Spiegel"

US-Geheimdienst NSA kann auch Smartphone-Daten lesen

Immer neue Enthüllungen über Ausspäh-Aktivitäten der Geheimdienste - jetzt also auch bei Smartphones. Viele Menschen in Deutschland haben die Nase voll: In Berlin demonstrieren mindestens zehntausend gegen die Daten-Schnüffelei.

Die Ausspäh-Fähigkeiten des US-Geheimdienstes NSA sind nach einem "Spiegel"-Bericht noch umfassender als bislang bekannt. Wie das Magazin schreibt, kann sich die National Security Agency (NSA) Zugang zu Nutzerdaten von Smartphones aller führenden Hersteller verschaffen. In den Geheimunterlagen des Dienstes, die das Magazin einsehen konnte, sei unter anderem ausdrücklich von Apples iPhone, BlackBerry-Geräten und Googles Betriebssystem Android die Rede. Demnach ist es der NSA möglich, nahezu alle sensiblen Informationen eines Smartphones auszulesen, etwa Kontaktlisten, den SMS-Verkehr, Notizen und Aufenthaltsorte seines Besitzers.

Den Unterlagen zufolge hat die NSA für jeden größeren Hersteller von Betriebssystemen eine eigene Arbeitsgruppe eingerichtet. Das Ziel: heimliche Zugänge zu den Innereien der Smartphones zu ermöglichen, schreibt "Der Spiegel". In internen Dokumenten brüsteten sich die Experten, für den Zugang zu den iPhone-Informationen reiche es, wenn die NSA den Computer infiltriere, mit dem das Telefon synchronisiert wird. Mini-Programme (Skripte) ermöglichten anschließend den Zugriff auf mindestens 38 iPhone-Anwendungen.

Ähnlich erfolgreich waren die Geheimdienst-Spezialisten eigenen Dokumenten zufolge bei BlackBerry. Die NSA schrieb bereits 2009, dass sie den SMS-Verkehr habe "sehen und lesen" können, schreibt der "Spiegel". Für das kanadische Unternehmen wäre dies ein schwerer Schlag, denn bislang habe BlackBerry stets beteuert, sein Mail-System sei unknackbar. Die vom "Spiegel" eingesehenen Materialien legten den Schluss nahe, dass es sich nicht um Massen-Ausspähungen, sondern um zielgerichtete, teils auf den Einzelfall maßgeschneiderte Operationen handelt - ohne Wissen der betroffenen Unternehmen.

Angesichts der durch den früheren US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden bekanntgewordenen Informationen protestierten in Berlin mehrere tausend Menschen unter dem Motto "Freiheit statt Angst" gegen staatliche Überwachung. Mit Schildern und Transparenten wie "Interessante Menschen haben Geheimnisse" forderten die Demonstranten am Samstag ein Ende staatlicher Überwachungsprogramme. "Es kann nicht sein, dass man die Daten von allen Bürgern abgreift", sagte Frederic Krumbein von Amnesty International Berlin.

Mehrere Redner riefen dazu auf, die schwarz-gelbe Bundesregierung abzuwählen. "Wir wollen sicher vor Überwachung leben. Dafür gehen wir heute auf die Straße, und dafür gehen wir in zwei Wochen an die Wahlurne", sagte Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis gegen Vorratsdatenspeicherung. Laut Veranstalter-Angaben nahmen mehr als 20.000 Menschen an der Demonstration teil. Andere Beobachter gingen von mehr als 10.000 Teilnehmern aus.

Mehrere Parteien beteiligten sich an der Demonstration, darunter die Piraten, die Grünen, die Linke und die Jugendorganisation der FDP. Sie wolle für eine offene Gesellschaft kämpfen, sagte die politische Geschäftsführerin der Piraten, Katharina Nocun. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Renate Künast, verwies auf offene Fragen zur Rolle der deutschen Nachrichtendienste. "Beim Bundesnachrichtendienst ist die Aufklärung noch im Gange", sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. Der US-Internetaktivist Jacob Appelbaum rief dazu auf, von deutschen Diensten und der Politik Konsequenzen zu verlangen. "Wenn Deutschland umschwenkt, schwenkt der Rest um."

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sprach sich am Samstag im Sender WDR 5 dafür aus, ein Gütesiegel für Internetdienste zu entwickeln. Angesichts der neuesten Enthüllungen über die Praktiken des US-Geheimdienstes NSA sagte er, es müssten vertrauenswürdige Dritte mit hoher Sachkenntnis eingeschaltet werden, die die Internetdienste bewerten. "Das würde uns weiterhelfen und das Vertrauen in elektronische Dienste noch einigermaßen erhalten."

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte der "Rhein-Zeitung" (Samstag), absolute Sicherheit im Netz könne man in Deutschland nicht garantieren. "Das Netz ist anfällig dafür, abgehört zu werden. Ich glaube nicht, dass wir die Internetnutzer hundertprozentig schützen können - es sei denn, die Wirtschaft erfindet Abwehrinstrumente." Petra Pau, für die Linksfraktion im Innenausschuss des Bundestages, sagte: "Es geht um einen Generalangriff auf Bürgerrechte und die Demokratie. Und die CDU/CSU wiegelt ab. So überheblich können nur duldende Mitwisser sein." (dpa/mje)